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Wehrlein, Vietoris und der 190er
Reise in die Mercedes-DTM-Vergangenheit

Zeitreise für Christian Vietoris und Pascal Wehrlein: Die Mercedes-Youngsters staunen über die Technik des DTM-Mercedes 190 E 2.3-16. Er stammt aus dem Jahr 1988, und für die beiden scheinbar aus einer anderen Welt.

Vietoris & Wehrlein - Mercedes DTM 190 E 2.3-16 (1988) & C63 DTM (2015)
Foto: Wolfgang Wilhelm

Pascal Wehrlein hat seine Hausaufgaben prima gemacht. "Lass laufa, Roland! Deine Herrenberger", sagt er spontan, als er auf den 190 E. 2.3-16 zusteuert. "So hieß es doch damals immer. Stimmt's?" Stimmt genau! Der "Roland" trägt den Nachnamen Asch, und er war einer der Ersten, die in der damals noch recht jungen DTM mit dem Baby-Benz aufkreuzten. Dies geschah 1988.

Und weil der Roland immer ein netter und geselliger Bursche war, reiste ihm zu fast allen Rennen eine kleine Fan-Schar nach, die stets ein Transparent entrollte. Die Herrenberger, Sie wissen schon. Pascal Wehrlein ist Jahrgang 1994, und als Asch seine ersten DTM-Erfolge feierte, sei er noch nicht geplant gewesen, juxt er. Warum er es trotzdem weiß? "Aus den alten Videos", meint der gelernte Feinmechaniker.

Unsere Highlights

Erste Begegnung mit dem DTM Mercedes 190 E 2.3-16

Vielleicht liegt es aber auch am kollektiven Gedächtnis der Württemberger. Wehrleins Geburtsort Sigmaringen liegt gerade mal 50 Kilometer von Ammerbuch, der Heimat von Asch, entfernt. Mit zunehmender Begeisterung inspizieren Wehrlein und sein Teamkollege Christian Vietoris den hochbeinigen weißen DTM-Mercedes. Er stammt aus dem Jahr 1988 und damit aus der Gründerzeit der DTM.

Neugierig öffnen die beiden den Kofferraumdeckel, der 2.100 Gramm wiegt, wie eine handgeschriebene Zahl auf der Innenseite vermerkt. "Der Benzintank war ja aus Alu", raunen sie sich zu. "Wie war das denn damals, wenn einem hinten einer draufgefahren ist?", fragt sich Wehrlein. "Sind da die Autos immer gleich in Flammen aufgegangen?" Die korrekte Antwort lautet: Nein. "Ja, die Sicherheit war damals noch nicht so gewährleistet, wie es heute der Fall ist", brummt Vietoris lakonisch.

Klappe zu. Der Anblick des Heckflügels führt zu großer Heiterkeit. Wehrlein rüttelt probehalber an dem Kunststoffteil, er wirkt beinahe überrascht, dass es nicht entzweibricht. "Ich glaube, viel Abtrieb kommt von diesem Flügel nicht", grinst der Schwarzwälder. Der Eifelaner Vietoris stimmt zu. "Was für ein Unterschied zu heute. Mit dem Neuen könnten wir ab einem gewissen Tempo theoretisch an der Decke fahren, weil wir so viel Abtrieb haben."

Heute Prototypen, damals umgebaute Serienautos

Die heutigen DTM-Renner sind reinrassige Prototypen. "Unsere Autos sind schon sehr am Limit und extrem ausgereizt", fügt Wehrlein hinzu. Vietoris gibt ihm recht. "Aber so war das halt: Damals hat man eben ein DTM-Auto auf Basis eines Serienautos aufgebaut."

Nirgendwo wird dies deutlicher als im Innenraum des 190 E 2.3-16. Die beiden Mercedes-Youngster kraxeln ins Cockpit. Vietoris lässt sich in den Schalensitz plumpsen, Wehrlein kauert auf dem nackten Blech daneben. "Man kommt leicht rein und raus", grinst der Ältere.

Der Sitz umklammert den Allerwertesten von Vietoris aber alles andere als eng. "Das wäre bestimmt gewöhnungsbedürftig. Heutzutage passen wir die Sitzschale mit Zweikomponenten-Schaum ganz genau an." So etwas nennt man kraftschlüssige Verbindung.

"Das Fahren damals war bestimmt eine Herausforderung", fasst Christian Vietoris zusammen: "Es gab ja noch nicht mal Servolenkung. Und mit der H-Schaltung musste man auch erst mal zurechtkommen. Im C Coupé haben wir seit vielen Jahren Schaltwippen am Lenkrad."

Das Fünfganggetriebe des 190 E 2.3- 16 schätzte es im Übrigen sehr, wenn der Fahrer beim Zurückschalten korrekt Zwischengas gab. Eine Fertigkeit, die die jungen Fahrer in den Nachwuchsklassen gar nicht mehr erlernt haben: "Ich fuhr immer Autos mit sequenziellem Getriebe", sagt Wehrlein.

Alter Mercedes dreht höher als moderne DTM-Renner

Ein Blick auf den zentral positionierten Drehzahlmesser zeigt: Der rote Bereich des 190 E 2.3-16 beginnt erst bei 8.000 Umdrehungen. Spätere Versionen des Vierzylinder-Vierventilers erreichten sogar annähernd 10.000 Touren. Davon kann der Vierliter-V8 im aktuellen C Coupé nur träumen. "Knapp 7.500 Umdrehungen schafft er", sagt Vietoris. "Mehr ist nicht drin."

Das liegt an den Air-Restrictors. Diese Luftmengenbegrenzer schnüren den aktuellen V8 förmlich ab. Sonst wären mindestens 800 statt 500 PS drin. Skeptische Blicke erntet der Sicherheitskäfig des 190 E 2.3-16. Er besteht aus Aluminium. "Na ja, immerhin waren die damaligen Autos ja nicht annähernd so schnell wie die heutigen", merkt Wehrlein lakonisch an.

Im aktuellen C Coupé fühlen sich die Werksfahrer beinahe so unverwundbar wie der blonde Siegfried aus der Nibelungensage. "Das Einzige, was heute noch schlimme Folgen haben könnte, wäre ein Frontalaufprall mit 200 km/h", meint Vietoris, ehe er sich gedanklich gut zwei Jahrzehnte zurückbeamt. "Wenn man sich vorstellt, dass die Jungs damals über die Nordschleife des Nürburgrings geheizt sind: Ja, das war schon eine Aufgabe. Aber das hat die DTM ja auch so interessant gemacht."

Mäßige Begeisterung bei Wehrlein und Vietoris

Die beiden Mercedes-Fahrer schälen sich wieder aus dem Innenraum heraus. Als nächstes sind die Reifen dran. Wehrlein entziffert die Schrift an den Flanken der Dunlop. "Immerhin schon 17 Zoll", ruft er. "Aber die Reifen hatten einen ganz schön hohen Querschnitt. Ich schätze, dass sich die damaligen Autos ziemlich schwammig angefühlt haben."

Hinter den BBS-Felgen verbergen sich beim Baby-Benz innenbelüftete Stahlbremsen. In der neuen DTM sind schon längst Kohlefaserbremsen Standard - bei Bedarf sogar mit Wasserkühlung.

Vietoris und Wehrlein bücken sich und betrachten die Front der beiden Autos. Die Bodenfreiheit des Alten ist fast so groß ist wie bei einem SUV. Der Splitter des Neuen schnüffelt tiefstmöglich über dem Asphalt. "Die Bodenfreiheit ist extrem wichtig heutzutage", sagen sie. "Beim Set-up dreht es sich um Millimeter, nicht um Zentimeter."

Fast eine Stunde lang dauert die Zeitreise von Pascal Wehrlein, 20, und Christian Vietoris, 26. Ob sie gerne Rennen gefahren wären im Oldie? Die beiden drücken sich vor einer klaren Antwort. Ihre Mienen verraten aber, was sie wohl denken: Muss nicht unbedingt sein.

Die ungezwungene Atmosphäre der damaligen DTM aber hätte den beiden bestimmt gefallen. Asch klebte seinerzeit einen Schriftzug auf die Frontstoßstange, der schon damals in höchstem Maße politisch unkorrekt war: "Hohenloher Whisky Racing Team" stand da zu lesen. Was für ein Statement! Was für eine wilde Zeit!

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