Testfahrten sind ein zweischneidiges Schwert, wenn es um die Bewertung von Rundenzeiten geht. Für Ingenieure ist es ein leichtes, ein Auto langsamer zu machen, um die Konkurrenz im Unklaren zu lassen. Genauso leicht ist es, ein Auto schneller zu machen, um die Vorstandsetagen mit wettbewerbsfähigen Rundenzeiten zu beeindrucken. Erst beim Saisonauftakt der Sportwagen-WM in Silverstone (12.4.2015) werden wir wirklich wissen, welcher Hersteller das schnellste LMP1-Auto für 2015 gebaut hat.
Porsche dominiert beim WEC-Test in Paul Ricard
Vorläufig gebührt diese Krone klar Porsche: Die Schwaben schienen ihr ganzes Pulver schon am ersten der beiden Testtage von Paul Ricard zu verschießen und markierten mit einer Rundenzeit von 1:37.220 Minuten (Neel Jani) nicht nur die Bestzeit, sondern hängten die Konkurrenz von Audi (Rückstand 1,8 Sekunden) und Toyota (Rückstand 2,7 Sekunden) recht deutlich ab. Doch wieder die Frage: was sind diese Zeiten wert?
Toyota-Teamdirektor Rob Leupen hatte schon vor dem Test gesagt: "Wir werden unserer Karten hier sicher nicht aufdecken." Nach dem Test war der Holländer überhaupt nicht geknickt: "Porsche hat ein sehr schnelles Auto, zumindest über eine Runde. Wir machen uns aber überhaupt keine Sorgen, wir werden bei den nächsten Rennen um Siege kämpfen."
Porsche redet Vorsprung klein
Bei Porsche hatte man schon fast wieder Sorgen, den Bogen beim Speed überspannt zu haben: Mit ungewöhnlich großem Nachdruck stellte man am zweiten Testtag die eigenen Schwächen bei den Longruns ins Schaufenster und lobte die Gegner für ihren Speed. Dazu widersprach man sich anfänglich bei der Frage, ob man am Vortag Quali-Simulationen gefahren sei oder nicht.
Das wirkte ein wenig wie Zurückrudern, so als hätte man bemerkt, dass zu schnelle Rundenzeiten unbequeme Diskussionen über Einstufungen auslösen könnten. "In dieser Klasse gibt es ja keine Fahrzeugeinstufungen, also kann man so schnell fahren, wie man will", bestand Porsche-Teamchef Andreas Seidl darauf, keine politischen Rücksichten nehmen zu müssen.
Audi hinterfragt Hybrid-Einstufung
Die Gegner Toyota und Audi sehen das etwas anders: Bei Audi wurde gleich mal die Frage in den Ring geworfen, ob die zusätzliche Incentivierung der 8-MJ-Klasse noch sinnvoll sei. Und bei Toyota verwiesen die Ingenieure mit mildem Grinsen darauf, dass man im Rennsport am besten nur so schnell fahren solle, wie man muss.
In Le Mans letztes Jahr hatte Toyota konsequent "Rundenzeitenmanagement" betrieben, zu Deutsch die Piloten hatten Zielvorgaben bei der Rundenzeit. Warum? Weil nach Le Mans alle Daten auf den Tisch kommen, und ACO und FIA neue Einstufungen vornehmen. Und dann könnte es passieren, dass jene, die vorher stolz die Konkurrenz um 2 Sekunden abhängten, die Rechnung präsentiert bekommen.
In unserer Galerie haben wir die aktuellen Bilder vom WEC-Test in Paul Ricard - nicht nur von den neuen LMP1-Protoypen von Porsche, Audi und Toyota sondern auch von den LMP2-Rennern.