Es war eine Frage der Zeit. Schon in Spanien hätten die aktuellen Weltmeister bei einer Totalpleite von Hyundai den Herstellertitel klarmachen können. Beim zwölften von 13 WM-Läufen auf der britischen Insel hatte es das Team aus Hannover selbst in der Hand. Ein dritter und ein fünfter Rang hätten bereits gereicht, um den vierten Titel in Folge einzufahren, aber auf Rechenspielchen ließ es Fahrer-Weltmeister Sébastien Ogier gar nicht erst ankommen.
Erster Startplatz für Ogier diesmal klarer Vorteil
Hatte er über die gesamte Saison als Erster auf den Pisten bei Schotter-Rallyes einen derartigen Nachteil, dass er außer im schwedischen Schnee keine Rallye auf losem Untergrund gewinnen konnte, erwies sich Startplatz eins auf den von frischem Regen eingeseiften Waldwegen als klarer Vorteil. Ogier setzte sich früh vom Feld ab, und angesichts von einigermaßen komfortablen 37 Sekunden Vorsprung schon nach der ersten Etappe, hätte der Franzose seine Führung prima verwalten können, wäre da nicht Ott Tänak im Ford Fiesta gewesen.
Dessen Hauptsponsor und Reifenausrüster DMack hat dem Esten für dessen Lieblingsrallyes einen extraweichen Schotterreifen gebacken, der gerade bei kühlem und nassem Wetter den sonst weltmeisterlichen Pneus von Michelin überlegen ist. Ogier fuhr sieben Bestzeiten, Tänak war elf Mal Schnellster. Konnte der Champion die Angriffe des 29-Jährigen Ford-Piloten auf der zweiten Etappe noch kontern, musste sich der VW-Pilot am Sonntag immer noch sputen, denn Tänak holte auf jeder Prüfung auf. Niemand war auf irgendeiner der sechs abschließenden Prüfungen am Sonntag schneller als Tänak. Bis auf 10,2 Sekunden dampfte er die 33,8 Sekunden Vorsprungs des besten Rallyefahrers der Welt ein, aber dann war die Rallye zu Ende, und Tänak blieb hochzufriedener Zweiter.
Vierter Sieg in Folge für Ogier
Ogier und Beifahrer Julien Ingrassia feierten in Wales ihren vierten Sieg in Folge. „Das war noch einmal ein hartes Stück Arbeit. Ott ist stark gefahren und ich musste bis zum Ende richtig Gas geben“, sagte Ogier, der im Küstenstädtchen Llandudno die Hälfte seines vom Service-Park mitgereisten Teams inklusive Entwicklungsvorstand Frank Welsch mit Champagner abduschte.
Dabei waren weder Sieg noch Titel eine Selbstverständlichkeit, denn das gesamte Team schlug sich mit ungewohnten Technikproblemen herum. An allen drei Werks-Polos machten die Antriebswellen Probleme. Andreas Mikkelsen, der noch um den Titel des Vize-Weltmeisters kämpft, erwischte es als Ersten. Der Norweger quälte sich nahezu den gesamten Freitag mit Hinterradantrieb ab, nachdem die vordere rechte Antriebswelle abgerissen war.
Kurz danach war Jari-Matti Latvala fällig, bei dem die Welle hinten rechts abscherte und den Finnen den halben Tag zum Fahren mit Frontantrieb verdonnerte. Während sich Latvala mit dreieinhalb Minuten Zeitverlust als Achter wenigstens noch in den Top Ten halten konnte, fiel Mikkelsen bis auf Rang 19 zurück und konnte sich am Ende als Zwölfter mit einem Parforceritt über die abschließende Powerstage lediglich zwei Extrapunkte für die zweitschnellste Zeit sichern. In der Fahrer-Tabelle fiel er auf Rang drei zurück. Ogier hatte das Glück des Tüchtigen: Erst nach der letzten Prüfung des Freitags kamen von rechts vorn böse Geräusche. Der Franzose schaffte es ohne Probleme zum rettenden Service.
Hyundai kämpft um Traktion
Thierry Neuville und das Hyundai-Team kämpften das gesamte Wochenende um Traktion. Der Belgier machte das Beste draus und fuhr auf den dritten Rang, womit er nun 14 Punkte Vorsprung auf Mikkelsen hat. Rang vier ging an Teamkollege Hayden Paddon, der zwar Neuville unterlag, aber dennoch zufrieden über sein bisher bestes Ergebnis in Wales war. Unglücklich war Dani Sordo im dritten i20. Der Spanier kam mit den typisch walisischen Bedinungen mit Nieselregen und Nebel nur mäßig zurecht und musste sich mit Rang sechs vor Latvala begnügen.
Ebenfalls nicht glücklich wurde Kris Meeke im Citroën. Beim letzten Auftritt der DS3 WRC mühte sich der Nordire auf Rang fünf ab. „Ich bin froh, dass es nun vorbei ist. Ich kann es gar nicht abwarten, bis wir im nächsten Jahr mit dem neuen Auto antreten.“ Als Fünfter wäre Craig Breen bestens zufrieden gewesen. Meekes Landsmann ging schon am ersten Tag mit seinem Auto übers Dach und zerstörte dabei eine Legende: Das Chassis mit der Nummer 317 war seit Monte Carlo 2012 im Einsatz, überstand 31 Rallyes, von denen es elf gewann (acht Mal Loeb, zwei Mal Meeke, einmal Sordo).
Zufrieden zeigte sich der dritte Citroën-Werksfahrer Stéphane Lefebvre, der sich als Asphalt-Spezialist mit Rang neun tapfer schlug, und im französischen Talentwettbewerb Dauerkonkurrent Eric Camilli deutlich distanzierte. Nach diversen Kaltverformungen in dieser Saison hatte Camilli von M-Sport-Teamchef Malcolm Wilson die klare Order erhalten, seinen Ford Fiesta um jeden Preis in Ziel zu bringen, was auf dem Weg zu Platz zehn um ein Haar noch schief ging: „Ich habe auf den letzten Kilometern einen Stein getroffen. Hinten ist irgendwas krumm“, sagte der 28-jährige Südfranzose geknickt.
Ola Floene von Schlange gebissen
Sein M-Sport-Leidensgefährte Mads Östberg klagte wie schon so oft in dieser Saison über eine unpassende Abstimmung. Der Norweger wurde farbloser Achter. Für Aufsehen sorgte die Besatzung der Startnummer 14 durch einen Zwischenfall besonderer Art. Als Beifahrer Ola Floene bei einem Routine-Reifenwechsel am Wegesrand einen Stein umdrehte, wurde der Norweger von einer Schlange gebissen. Wie in Deutschland ist die Kreuzotter in Großbritannien heimisch. Ihr Biss ist schmerzhaft, aber nicht tödlich. Floene fuhr die Rallye zu Ende.
Beendet ist die Saison für Skoda-Privatfahrer Teemo Suninen in der WRC2-WM. Bei seinem siebten und damit letzten Einsatz in dieser Saison fuhr das finnische Toptalent in der zweiten Liga hinter den Skoda-Werksfahrern Esapekka Lappi und Pontus Tidemand auf den dritten Rang. Skoda schickte Tidemand nach Wales, obwohl der Schwede keine Titelchancen mehr hat. Es ging einzig darum, dem Skoda-Kunden Suninen Punkte wegzunehmen.
Der war wenig begeistert und sein Frust steigerte sich noch, als sein Auto bei der technischen Abnahme auffiel. Die Technischen Kommissare hatten gemäß der Homologationspapiere einen falsch platzierten Kurbelwellensensor ausgemacht. Das Oreca-Team staunte und versicherte, das betreffende Teil sei exakt so von Skoda Motorsport geliefert worden. Da es sich um eine Marginalie handelt, die zudem keinen Vorteil brachte, kam das Team mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro davon.
Fahrer Suninen klagt nach der Rallye: „Ich kann in Australien nur noch am Fernseher zuschauen.“ Suninen liegt mit 120 Zählern punktgleich mit M-Sport-Pilot Elfyn Evans an der Spitze der Tabelle. Kurios: Beide haben drei Siege und je einen zweiten, dritten und vierten Rang auf dem Konto. Und beide kassierten eine Nullrunde in Portugal. Da Suninen bei den Rallyes, wo er mit Evans gemeinsam antrat, die besseren Ergebnisse hat, wäre er WRC2-Champion. Das aber ist eher unwahrscheinlich, denn Landsmann Esapekka Lappi hat anders als die Konkurrenten erst sechs von sieben erlaubten Starts auf der Liste. Ihm reicht beim Saisonfinale Mitte November ein dritter Platz in der Klasse, angesichts des dünnen Starterfeldes eine lösbare Aufgabe.
Was wird aus VW?
Mit dem Kassieren des vierten Titels in der Hersteller-Wertung tritt Volkswagen in einen sehr elitären Club ein. Nur Lancia und Citroën schafften es in der 43-jährigen WM-Geschichte, vier Marken-WM-Titel in Folge zu gewinnen. Lancia (1987 bis 1992) blieben sogar sechs Jahre, Citroën (2008 bis 2012) fünf Jahre auf dem Thron.
Ob VW diesen Rekord einstellen wird, muss sich erst zeigen. Nach dem Le-Mans-Ausstieg der Tochter Audi kam im Vorfeld des britischen WM-Laufes auch bei der Konzernmutter das Gerücht auf, das Motorsportprogramm könnte nach der Rallye Australien im November eingestellt werden. Motorsport-Direktor Sven Smeets betont, er wisse nichts von etwaigen Ausstiegsplänen und versicherte, Vorstand Welsch sei nur zum Feiern des Titels nach Wales gekommen.
Der Konzern hat sich nach der Diesel-Affäre angesichts von einer 16-Milliarden-Dollar-Strafe in den USA einen radikalen Sparkurs verordnet. Angesichts dieses gigantischen Loches im Sparstrumpf mag für die noch im März getätigte Zusage, man bleibe bis Ende 2019 in der Rallye-WM, niemand mehr die Hand ins Feuer legen. Am Montag (31. Oktober) findet in Wolfsburg die für den Fortbestand des WM-Programms möglicherweise entscheidende Vorstandssitzung statt. Sieger Sébastien Ogier wollte sich in Llandudno die Laune nicht verderben lassen: „Ich denke darüber gar nicht nach.“