Vorschau Rallye Finnland 2013: Waldarbeit mit Tempo 200

Vorschau Rallye Finnland 2013
Waldarbeit mit Tempo 200

Veröffentlicht am 31.07.2013

Die Finnen sind anders, das sagen selbst die Skandinavier, die das Land jenseits des Bottnischen Meerbusens gar nicht zu Skandinavien zählen. Und einer der größten Ausdrücke der Andersartigkeit ist ein großes Maß an Kaltblütigkeit und geringe Todesfurcht. Und so ist es kein Wunder, dass in der von der Eiszeit aufgewellten Landschaft Mittelfinnlands mit furchtbar schnellen Schotterpisten und unzähligen Sprungkuppen nur äußerst selten ein Nichtfinne gewonnen hat.

Nordeuropa kämpft gegen Ogier

Als noch ungehemmt trainiert werden durfte, konnten sich der Spanier Carlos Sainz und Didier Auriol den Sieg in Jyväskylä in ihr Poesiealbum heften, ansonsten gewann der Este Markko Märtin einmal und Rallye-Superstar Sébastien Loeb gleich zwei Mal dort, wo der Rallyesport mehr zu Hause ist als sonst wo.

Doch Loeb ist in Teilzeitrente gegangen und lässt das Mächtigkeitsspringen im hohen Norden aus, und die Frage aller Fragen lautet 2013, ob sein potenzieller Nachfolger Sébastien Ogier es ebenfalls schafft, den Nordmännern lange Gesichter wachsen zu lassen.

Die Voraussetzungen sind bestens. VW testete fünf Tage, um ein möglichst stabiles Fahrverhalten für die schnellen Kurven zu garantieren und eine stabile Fluglage mit eingebaut sanfter Landung im Fahrwerk. Ogiers Beifahrer Julien Ingrassia, der sich im Urlaub das Schlüsselbein verknackste, ist von der Sportklinik Bad Nauheim rechtzeitig wieder für fit erklärt worden.

Ogier ohne Druck in Finnland

Das Beste aber ist: Ogiers Vorsprung vor dem nächstbesten Nicht-VW-Fahrer liegt kurz nach Halbzeit schon bei 84 Punkten, was bedeutet, dass er selbst bei drei Totalausfällen noch Tabellenführer wäre.

Der Mann aus Grenoble kann also ohne Rücksicht auf Verluste angreifen, und das muss er wohl auch, denn Teamkollege Jari-Matti Latvala kann aus eigener Kraft die WM nicht mehr gewinnen, aber die Achtung seiner Landsleute mit einem zweiten Finnland-Sieg.

Lokalmatador Mikko Hirvonen im Citroën hat die WM nach bisher mäßiger Vorstellung ebenfalls längst abgehakt, sein Team will sich mit Einzelerfolgen wieder positiv in die Schlagzeilen bringen, was käme da besser als der Sieg bei der prestigeträchtigsten Rallye nach Monte Carlo.

Während Dani Sordo im zweiten Werks-DS3 wohl eher froh ist, das Highspeed-Wochenende hinter sich zu bringen, muss sich Neuzugang Kris Meeke, der den unabkömmlichen Khalid al Qassimi vertritt, erst einschießen.

Schafft Ford die Wende in Finnland?

Interessant wird die Frage, welche Rolle die Ford spielen können. Hyundai-Neuzugang Juho Hänninen hat auf einem Ford Fiesta gemeldet. Mads Östberg zeigte in Finnland 2012 eine klare Leistungssteigerung, 2013 fehlt es aber an Resultaten. Die liefert ausgerechnet Youngster Thierry Neuville, der mehr als einmal überraschte und als Dritter in der Tabelle bester Mann ohne VW-Overall ist. Der große Unbekannte ist Evgeny Novikov, der unbestritten den Mut und das Fahrtalent für den Sieg hat, aber zu oft im Unterholz landet.
 
Wer eine Rolle gegen die finnischen Recken spielen will, muss in jedem Fall vom ersten Meter an voll angreifen. Die meisten der 23 Prüfungen enthalten kaum langsame Kurven, die schnellsten Passagen werden mit Tempo 200 beritten. Die Zeitabstände an der Spitze sind traditionell sehr knapp. Ein Dreher kostet den Sieg, das verlangt eiserne Nerven. Wer auf der sicheren Seite bleibt, kommt nicht aufs Treppchen. "Manchmal musst du hier eben auch 105 Prozent geben", sagt Jari-Matti Latvala.
 
Christian Riedemann weiß noch nicht, wieviel er riskieren muss, aber er weiß, wo er hin will: nämlich aufs Treppchen. In der WRC3-Kategorie arbeitete sich die Konkurrenz trotz höherem Speed in Sardinien konsequent auf und verschaffte dem Sulinger seinen ersten Saisonsieg, aber Finnland geht nicht allzu sehr aufs Material, hier muss der deutsche Vizemeister eine Schippe drauflegen, um gestandene Recken wie Keith Cronin oder Sébastien Chardonnet unter Kontrolle zu bekommen.

Mehr Mühe als bei seinen unbedrängten Durchmärschen in Griechenland und Sardinien dürfte der frühere Formel-1-Star Robert Kubica haben. Mit Jari Ketomaa, dem mehrfachen finnischen Meister Juha Salo und dem neuen Nachwuchsstar Esapekka Lappi stehen dem Polen auf dem Weg zum Podium gleich drei starke Finnen im Weg.

Finnland-Action von Donnerstag bis Samstag

Damit die 250.000 Fans am Wochenende feiern und ausschlafen könne, beginnt die Rallye Finnland schon am Donnerstagmittag und endet nach 23 Prüfungen mit rund 330 Kilometern am Samstagabend in Jyväskylä. Prunkstück und Powerstage mit drei zu vergebenen Extra-Punkten ist die legendäre WP Ouninpohja mit ihren 33 Kilometern und 170 Sprungkuppen.

In unserer Bildergalerie blicken wir noch einmal zurück auf die Finnland-Flugshow von 2012.