Vorschau Rallye Deutschland: Heimspiel für die VW-Truppe

Vorschau Rallye Deutschland
WM-Titel beim VW-Heimspiel?

Veröffentlicht am 21.08.2013

Zugegeben, es sind eher theoretische Betrachtungen als eine ernsthafte Rechnung: Mit 90 Punkten Vorsprung geht VW-Werkspilot Sébastien Ogier zur Deutschland-Rallye. Bei einem Sieg und dem Gewinn der Powerstage hätte der Franzose 209 Punkte auf dem Konto und bei noch 112 zu vergebenen Punkten für den Rest der Saison wären Ogier und sein Copilot Julien Ingrassia Weltmeister, wenn Teamkollege Jari-Matti Latvala oder Ford-Pilot Thierry Neuville in Trier nicht besser als auf Rang sieben abschneiden.

Beide Verfolger sind punktgleich, wobei von Latvala wenig Gefahr ausgeht, denn der Finne hat nach einem verpatzten ersten Saisonviertel früh signalisiert, sich in den Dienst des Teams zu stellen. Dennoch versucht sich Latvala trotz eines mit Unfall vergeigten Heimspiels Mut zu machen: "Beim Testen lief das Auto auf Asphalt super." Latvala hat in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass er auch auf festen Belägen zu den Schnellsten zählt, ob es allerdings zum Sieg über seinen Teamkollegen Ogier reicht, ist fraglich.

Ogier auch auf Asphalt verdammt schnell

Der Mann aus Grenoble gab sich zwar in der Frühzeit einer WM-Karriere zunächst eher als Schotterspezialist aus, heizte aber dem in Trier als unbesiegbar geltenden Sébastien Loeb 2011 derart ein, dass er nur mit Stallorder gebremst werden konnte. Für Teams und Fans wird es eine etwas seltsame Deutschland-Rallye werden, denn erstmals seit der Aufnahme in den WM-Kalender ist Loeb nicht am Start. Der amtierende Weltmeister konzentriert sich lieber auf seine Rundstreckenzukunft und wird lediglich im Oktober im Elsass noch einmal ins Geschehen eingreifen.
 
Vor allem bei Citroën schmerzt die Abwesenheit des in zehn Deutschland-Rallyes neun Mal siegreichen Loeb enorm. Angesichts der Wehrlosigkeit der Fahrerriege Mikko Hirvonen und Daniel Sordo hat Teamchef Yves Matton die Titeljagd bereits abgeblasen. Loeb ließ sich auch durch gute Zureden nicht zu weiterem Aushelfen überreden.

Doch gerade in Trier, wo in zehn Jahren immer ein Citroën gewann, stehen die Chancen gar nicht schlecht. Auf der einen Seite konnte Dani Sordo noch nie einen WM-Lauf gewinnen und ist nach schwachem Auftritt in Finnland psychisch angeknackst, auf der anderen Seite ist der DS3 konkurrenzfähig, und Sordo nach Loeb der schnellste Asphalt-Fahrer der Gegenwart. Zudem fährt der Spanier an der Mosel um seine Karriere. Für die Schotter-Rallye in Australien hat ihn die Teamleitung bereits ausgetauscht.

Ford mit Zuversicht

Wenig Druck, aber reichlich Zuversicht verspürt dagegen Thierry Neuville. Der Belgier kündigte bereits vor der Sommerpause an, dass er in Rheinland-Pfalz gern seinen ersten WM-Sieg feiern würde. Seine Top-Form untermauerte er mit zuletzt zwei zweiten Rängen. Sein Ford Fiesta erwies sich zumindest in den beiden Vorjahren als das schnellste Asphalt-Auto. Der Youngster aus dem deutschsprachigen Zipfel bei Aachen sieht die Deutschland-Rallye klar als Heimspiel und erwartet neben der Familie große Unterstützung.
 
Auf die hoffen auch die deutschen Teilnehmer. In der Top-Liga der World Rally Cars ist kein Fahrer mit schwarz-rot-goldender Flagge am Start, aber in der WRC2 will sich Sepp Wiegand im Skoda Fabia bestens präsentieren und seine Titelchancen wahren. Sein stärkster Gegner könnte der zuletzt immer besser auftrumpfende Robert Kubica sein, aber auch aus dem eigenen Land droht Konkurrenz. Armin Kremer hat sich bei Stohl Racing einen Ford Fiesta RRC geliehen. Der ehemalige Europameister hat die Deutschland-Rallye vor ihrer WM-Zeit 1999 bereits einmal gewonnen. Ein Auge muss Wiegand auch auf den amtierenden deutschen Meister Mark Wallenwein haben, der ebenfalls in einem Skoda Fabia antritt.
 
Wie Wiegand will auch Christian Riedemann trotz starker Konkurrenz gewinnen. "Wir sind bestens vorbereitet", sagt der Sulinger, der in der WRC3-Kategorie mit seinem Citroën DS3 R3 zu den Favoriten zählt. In der seriennahen Gruppe-N schließlich ist die Familie Gaßner ein starker Anwärter auf den Sieg. Der viermalige deutsche Meister Hermann Gaßner und sein gleichnamiger Sohn treten beide mit Mitsubishi Lancer Evo X an.
 
Obwohl nominell eine reine Asphalt-Rallye, ist der deutsche WM-Lauf dennoch einer der abwechslungsreichsten. Die engen Asphaltprüfungen durch die steilen Moselweinberge haben eine völlig andere Charakteristik als die betonierten Panzerstraßen des Truppenübungsplatzes Baumholder im Hunsrück. Dazu kommen immer wieder Landstraßenabschnitte und in diesem Jahr auch zwei neue Asphaltprüfungen zum Auftakt beim Eifelstädchen Blankenheim und im Sauertal nahe der Mosel.

Deutschland Rallye startet in Köln am Dom

Beide werden bereits am Donnerstag gefahren, um den Fahrern die Langeweile einer langen Verbindungsetappe zu sparen. Weil andere WM-Läufe den Rallyestart zunehmend in große Metropolen wie Lissabon oder Barcelona bringen, erfolgt der offizielle Start erstmals seit 2002 nicht mehr an der Porta Nigra in Trier, sondern in der Millionenstadt Köln, und zwar direkt vor dem Dom.
 
Dort startet die Rallye am 22.8. um 16 Uhr. Am Freitag stehen sechs Prüfungen im Moseltal an, am Samstag mit weiteren sechs Prüfungen liegt der Schwerpunkt 70 Kilometer weiter östlich in Baumholder mit zwei Durchgängen auf der legendären Panzerplatte, mit 41 Kilometern die längste Prüfung der Rallye und wegen des rauen Belags und der am Wegesrand lauernden Hinkelsteine eine der heikelsten.

Für das Publikum ist dagegen das Truppenübungsgelände der US-Streitkräfte ein Leckerbissen. Abgesehen von der gut einsehbaren Strecke sorgen nicht nur die WM-Stars zwei Mal für reichlich Action, zwischen den zwei WM-Durchgängen sorgen rund 30 historische Rallye-Autos der Slowly Sideways-Truppe für Unterhaltung.

Am finalen Sonntag (25.8.) geht es zurück an die Mosel, wo zwei Durchgänge im Dhrontal auf dem Programm stehen. Der Veranstalter hat die Stadtprüfung "Circus Maximus" rund um die Porta Nigra gekippt. Das 1.600 Jahre alte Stadttor dient aber noch als Kulisse für die Zieldurchfahrt um 14 Uhr.
 
Zusätzliche Würze bringt beim deutschen WM-Lauf die Verknappung des Reifenkontingents ins Spiel. In der zehnjährigen WM-Geschichte der Deutschland-Rallye kam es immer wieder zu Wetterkapriolen, die jede Reifenwahl knifflig machen. Für dieses Jahr hat die FIA das Reifenkontingent um knapp ein Drittel verkleinert, es sind nur noch 28 Gummis, inklusive Ersatzräder erlaubt. Häufig müssen die Fahrer die Entscheidung über Regen- oder Trockenpneus mehrere Stunden vor den Prüfungen fällen, und der Wetterbericht prognostiziert für den Samstag Gewitter.