Im kleinen Hafenstädchen Coffs Harbour zwischen Brisbane und Sydney gastiert an diesem Wochenende die Rallye-WM. Gleich zehn Nationalparks umgeben die Gemeinde mit knapp 27.000 Einwohnern, rund 500 Kilometer nördlich von Sydney. Die Anreise ist mit Abstand die längste im WM-Kalender, aber der WM-Lauf an der Goldküste im Osten Australiens ist dafür mit 932 Kilometern einer der kürzesten. Mit 352 Wertungsprüfungskilometern dürften die WM-Stars dennoch auf ihre Kosten kommen.
Australien ist bei den Fahrern äußerst beliebt. Die Schotterstrecken sind fast so schnell wie in Finnland und führen durch ausgedehnte Eukalyptus-Wälder. Und ähnlich wie in Finnland sind die Pisten weitgehend schlaglochfrei, gehen nicht so sehr aufs Material und bieten den Fahrern ausreichend Platz, um mit ihren Autos zu spielen.
Doch Vorsicht, der australische Schotter ist dennoch tückisch. Feine runde Körner lassen die Autos rutschen wie auf Murmeln, wer von der Ideallinie abkommt, segelt schnell ins Aus, wo dann doch spitze Steine oder Bäume lauern. Nirgendwo ist die Startposition und damit die Qualifikation so wichtig wie Downunder. Wer als erster losfahren muss, hat auf dem losen Geläuf erhebliche Nachteile.
Schnellster in der Quali und damit auf dem hintersten Startplatz der WRC-Piloten findet sich Citroën-Aushilfe Kris Meeke wieder. Der Nordire ersetzt den Spanier Daniel Sordo. Der Sieger der Deutschland-Rallye ließ sich schon vor seinem ersten WM-Erfolg in Trier für Australien auswechseln, da er sich auf Schotter zuletzt in desaströser Form präsentierte. Der frühere IRC-Champion Meeke dagegen fährt um seine Zukunft. Bei einem guten Auftritt in Coffs Harbour eröffnen sich Chancen bei Citroën oder auch den Neueinsteigern von Hyundai. Die eigentliche Speerspitze von Citroën, Mikko Hirvonen ist eigentlich prädestiniert für die schnellen Schotterprüfungen in Australien, sucht aber immer noch nach seiner Form.
Ford zeigt sich gut in Form
Bestens aufgelegt ist dagegen die ehemaligeWerks-Ford-Mannschaft M-Sport. Zwar hatte Mads Östberg zuletzt ein wenig Probleme mit der Abstimmung des Fiesta und auch seiner selbst, und Evgeny Novikov erhebliche Mühe, das Ziel ohne Blessuren zu erreichen, aber dafür hat sich Thierry Neuville zu einem echten Goldjungen entwickelt, der dem erfolgsverwöhnten VW-Team an der Goldküste in die Suppe spucken will. Seinen ersten WM-Sieg verpasste der Belgier in Trier nur knapp, nach zuletzt drei zweiten Plätzen in Folge hält er seinen ersten Sieg für angebracht.
Tatsächlich ist Neuville der einzig nennenswerte Jäger des weit enteilten Tabellenführers. VW-Star Sébastien Ogier ist mit 75 Punkten Vorsprung ans andere Ende der Welt gereist. Holt er in Coffs Harbour neun mehr als Neuville und einen mehr als Teamkollege Jari-Matti Latvala, ist der Franzose zum ersten Mal Weltmeister. Im Klartext bedeutet das: Gewinnt Ogier und sichert sich auch noch die abschließende Powerstage, für die es weitere drei Zähler gibt, muss Neuville im Gesamtklassement und der Powerstage Zweiter werden, um noch mathematische Chancen auf den Titel zu haben. Allerdings hat der 23-Jährige schon angekündigt, dass es ihm vor allem um die Vizemeisterschaft geht. Er will also nicht alles für eine rein theoretische WM-Chance riskieren.
Citroën hofft auf Marken-Punkte
In der Marken-WM ist Citroën nach dem Deutschland-Sieg und der VW-Pleite wieder auf 26 Zähler herangekommen. Yves Matton, der Sportchef der Franzosen, schöpft Hoffnung, sieht sein Team aber unter Zugzwang. "Wir müssen gewinnen, sonst können wir nicht mehr aufholen." Für die Titelverteidiger geht es darum, sich mit einem guten Ergebnis zurück nach Europa zu retten, wo beim elften Lauf im Elsass wieder Noch-Weltmeister Sébastien Loeb eingreift und Dani Sordo beim Heimspiel in Spanien erfolgreich sein könnte. Dann wäre die WM bis zum Finale in Wales wieder offen.
Mit 30 Startern ist der zehnte von 13 WM-Läufen äußerst dünn besetzt. Die meisten Privatteams scheuen die lange und teure Anreise. So blieben der Tscheche Martin Prokop ebenso zu Hause wie die beiden Polen Michal Kosciuszko und Robert Kubica in der WRC2. Deutsche Teilnehmer sind nicht am Start. Die Rallye Australien geht über vier Tage und endet nach 22 Prüfungen am Sonntagmorgen 6:11 Uhr deutscher Zeit.