Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und die Langstrecken-WM (WEC) sehen sich traditionell als Vorreiter für neue Technologien, die irgendwann ihren Weg in die Serie finden sollen. Hersteller haben die große Motorsport-Bühne in der Vergangenheit immer wieder genutzt, um neue Antriebsideen im Dauerbetrieb auf der Strecke zu testen und weiterzuentwickeln.
Gut in Erinnerung dürften den Fans noch die erfolgreichen Audi-Auftritte mit Diesel-Power sein. In der jüngeren Vergangenheit gewann Porsche drei Mal in Folge mit einem kleinen Zweiliter-Vierzylinder-Turbo mit Hybrid-Verstärkung. Die Elektro-Unterstützung ist auch heute noch bei den meisten Rennwagen der Hypercar-Klasse an Bord.
Die Le-Mans-Verantwortlichen blicken aber schon einen Schritt weiter in die Zukunft. Irgendwann sollen die Rennwagen komplett lokal emissionsfrei laufen. Weil Elektromotoren und Batterien alleine für den Dauerbetrieb bei Langstreckenrennen keine Option sind, wurden bereits konkrete Pläne zur Umstellung auf nachhaltige Aggregate geschmiedet, die mit Flüssigwasserstoff laufen.

Der neueste Wasserstoff-Rennprototyp von Toyota ist im "H2-Village" in Le Mans ausgestellt.
Neues LH2-Concept von Toyota
Zur Verflüssigung wird der Wasserstoff dabei auf rund -253 Grad abgekühlt und mit knapp fünf bar Druck in isolierte Tieftemperatur-Fahrzeugtanks gefüllt. In dieser Form hat der Wasserstoff eine höhere volumetrische Dichte als bei der gasförmigen Speicherung. Die Tanks beanspruchen damit im Rennwagen erheblich weniger Platz.
Toyota hat hier in den vergangenen Jahren immer wieder verschiedene Testträger präsentiert, um die sogenannte LH2-Technologie voranzutreiben. Und auch im Rahmen der 93. Ausgabe des 24h-Klassikers an der Sarthe stellen die Japaner wieder eine neue Studie im "H2 Village" am Streckenrand aus. Der 5,10 Meter lange und 2,05 Meter breite Prototyp hört auf den sperrigen Namen "GR LH2 Racing Concept".
Auch Bosch ist schon auf den Wasserstoffzug aufgesprungen. Der Zulieferer hat neue Komponenten entwickelt und in den vor zwölf Monaten vorgestellten Prototypen "H24EVO" eingebaut. Eine neue Steuereinheit namens L-HSCU soll die Speicherung des alternativen Kraftstoffs erleichtern und die Sicherheit im Betrieb verbessern, versprechen die Ingenieure.

Als Technologie-Träger wurde schon letztes Jahr das Concept "MissionH24" in Le Mans vorgestellt.
Bosch-Modul überwacht Betrieb und Betankung
Die neue Bosch-Technik steuert und überwacht dabei die gesamte Speicherkette im Fahrzeug vom Betanken über die Lagerung bis zur Weiterleitung zur Brennstoffzelle oder zum Verbrennungsmotor. Sensoren liefern dem Modul ständig Daten über Parameter wie Druck und Temperatur im Tank und in den Kraftstoffleitungen.
Bei Anomalien im Wasserstoffsystem sollen automatisch Schutzschaltungen aktiviert werden. Im Notfall springen beispielsweise Ventilatoren an, die beim Austritt von Wasserstoff für eine wirksame Verdünnung der Gaskonzentration sorgen. Die Steuereinheit soll zudem beim Betankungsprozess die Kommunikation zwischen Auto und Tankanlage übernehmen.
Die Wasserstoff-Technik könnte damit schon in wenigen Jahren bereit für den Einsatz auf der Rennstrecke sein. Doch aktuell sieht es eher danach aus, als würden die alternativen Antriebe noch etwas länger als geplant auf ihre Premiere warten müssen. Der Grund dafür ist der Boom der Hypercar-Rennwagen, die noch mit traditionellen Antrieben befeuert werden.

Zulieferer Bosch hat Module entwickelt, mit denen Wasserstoff-Rennfahrzeuge sicher betankt und betrieben werden können.
Noch kein Umstieg in Sicht
Mit Porsche, Toyota, Cadillac, BMW, Alpine, Ferrari, Peugeot und Aston Martin bringen in diesem Jahr acht verschiedene Hersteller insgesamt 21 Fahrzeuge in der Top-Kategorie an den Start. Mit Genesis (Hyundai), Ford und McLaren haben für die kommenden Jahre noch drei weitere Autobauer ihren Einstieg angekündigt. Die Fans feiern diese Boom-Phase bereits als neue goldene Ära des Langstreckensports.
Nach Wasserstoff-Rennwagen kräht aktuell kein Hahn. Deshalb soll das aktuelle WEC-Reglement, das eigentlich nur bis 2029 laufen sollte, auch bis mindestens 2032 verlängert werden. In der Formel 1 ist Wasserstoff momentan auch kein Thema. Hier wollen die Verantwortlichen zum nächsten Antriebswechsel im Jahr 2031 die Hybridisierung sogar komplett rückgängig machen.
Die Königsklasse will dann wieder auf reine Verbrenner-Aggregate zurückgehen, entweder als Turbo- oder Saugmotoren, die mit CO2-neutral produziertem Sprit laufen. So wird dem allgemeinen Trend zur Nachhaltigkeit ohne große Kosten und Entwicklungsaufwand Rechnung getragen. Es scheint also, als bekommen die Wasserstoff-Verfechter noch etwas länger Zeit, ihre neue Technologie weiterzuentwickeln.