Silkway-Rallye Tagebuch: Verbrannte Erde vor Stalingrad

Silkway Rallye-Tagebuch - Teil 3
Verbrannte Erde vor Stalingrad

Veröffentlicht am 15.09.2010

Vom Motorenlärm wache ich am dritten Rallye-Tag in meinem Zelt auf. Es ist kurz vor fünf Uhr, der geplanten Abfahrt. Während sich die Rally-Autos warmlaufen, packen wir schnell Zelt und Schlafsack ein und beginnen die Etappe im Dunkeln. Nach und nach überholt uns ein Wettbewerbsfahrzeug nach dem anderen, denn das erste Stück fahren diese mit den Begleitfahrzeugen auf der gleichen Strecke. Danach zweigt die Strecke zur Wertungsprüfung ab.

Die Rennteams fahren sich gerne einen Vorsprung heraus, um vor dem Start der Wertung, der in der Reihenfolge des Klassements erfolgt, noch Zeit für einen letzten technischen Check zu haben. Von der Assistance-Route, wie unsere Strecke in der Sprache des französischen Veranstalters genannt wird, ist immer wieder ein Zugang zum Rennen möglich. Wir suchen uns anhand des Road Books jeweils ein oder zwei interessante Orte zum Fotografieren heraus, z.B. Kurven oder Sprünge. An diesem Tag können wir beobachten, wie die Autos auf einem Kamm am Waldrand entlang fahren, dann in einer Senke verschwinden und auf dem Hügel eine Kurve fahren, gefolgt von einem kleinen Sprung.

Ausschlafen bis viertel vor sechs

Tag vier. Endlich konnten wir ausschlafen: Abfahrt erst um viertel vor sechs. Wir erleben einen herrlichen Sonnenaufgang bei der Fahrt nach Osten. Je weiter wir uns von der Stadt entfernen, um so schlechter wird die Überlandstraße. An beiden Seiten der Straße findet sich mit nur leichtem Niveauunterschied ein Schotterstreifen. Dessen Funktion wird schnell klar: Nicht bei jedem Überholvorgang reicht die Breite der Straße aus für drei Autos, oder anders ausgedrückt: Es wird auch nicht immer mit ausreichend Abstand zum Gegenverkehr überholt, so dass dieser dann wohl oder übel auf das Schotterbett ausweichen muss.

Und ums Überholen kommt man nicht herum, denn es sind überwiegend Lastwagen oder auch ältere Pkw mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h unterwegs. Aber auch alles andere, vom Pferdekarren bis zum Fern-Lkw. Die zweite Schwierigkeit beim Überholen ist, sich aus den Spurrillen der eigenen Fahrbahn herauszuarbeiten, und dann auch die der Gegenfahrbahn wieder zu verlassen. Zum Glück haben unsere Autos verstellbare Fahrwerke, die Comfort-Einstellung macht die Straßen erträglich.

Von der Kornkammer in die Steppe

Zwanzig Meter rechts und links zeugen doppelte Baumreihen vom erwarteten Wetter: Sie dienen als Sturm- und Schneewehenschutz in den langen Wintern. Durch die Bäume hindurch sehen wir bis zum Horizont riesige Felder. Zum Teil sind sie schon abgeerntet und gepflügt, später sehen wir Sonnenblumenfelder. Die Kornkammer Russlands.

Nach wenigen Kilometern wandelt sich die Landschaft und wird zur Steppe. Vereinzelt finden sich Viehherden, es überwiegt dürres Gras. Wir kommen an wenigen verkohlten Bäumen vorbei, mehr ist von den Waldbränden dieses Sommers bisher nicht zu sehen.

Sommer-Smog in Stalingrad

Die Tagesetappe führt nach Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad. Die meisten im Team beschleicht ein mulmiges Gefühl, wenn sie an die Verbindung der Deutschen mit diesem Ort denken. Bei den Kämpfen um Stalingrad kamen vor 70 Jahren doppelt so viele Menschen um, wie die Stadt heute Einwohner hat.

Da sie vollständig zerstört wurde, finden sich hier keine architektonischen Besonderheiten. Wir statten dem Denkmal "Mutter der Helden" einen beklemmenden Besuch ab. Von einem Hügel überblickt eine über 50 Meter hohe Steinstatue mit erhobenem Schwert die Stadt, durch den Smog ist der Lauf der Wolga zu erkennen. Nach dem Sonnenuntergang fahren wir zurück ins Biwak, denn es liegt wieder eine sehr kurze Nacht vor uns.