Martin Prokop wartete auf den Abschleppwagen. Kurz vor dem Ziel der zweiten Prüfung war der Tscheche von der Straße gerutscht und hatte an seinem Fiesta die Vorderradaufhängung demoliert. Jetzt stand er in schwerem Regen, und konnte lange warten, denn er stand in der Auftragsliste der Bergungstrupps ganz hinten.
Rallye-WM Spanien und die verhängnisvolle Ecke
Weiter vorn hatte nämlich Petter Solberg in gewohntem Übereifer beim Kurvenabschneiden einen vom Regen freigespülten Fels getroffen. Damit war ein Werks-Ford bei der Abschiedsvorstellung der Marke mit der Pflaume schon am ersten Morgen aus dem Wettbewerb. Kurz darauf scheiterten Citroën-Junior Thierry Neuville und VW-Youngster Andreas Mikkelsen am gleichen Brocken. Es blieb nicht der einzige Autofriedhof: Auf der dritten Prüfung erwischte es an der gleichen Ecke Skoda-Fahrer Haydon Paddon und Lokalmatador Dani Sordo im Mini. Für Letzteren nahm immerhin das Prodrive-Team den Unfall auf die eigene Kappe: "Er hat seit Neuseeland keine Schotterprüfung mehr gefahren. Er hätte einfach Übung gebraucht ," sagte Technik-Chef David Lapworth. Nicht weit davon strandete der Brasilianer Daniel Oliveira im Ford. Am ersten Abend meldeten sich gleich zwei Dutzend Teams nach den Rally2-Regeln für den Restart am zweiten Morgen an. "Unglaublich, wir sind trotz des Ausfalls noch 17." wunderte man sich im Prokop-Lager.
Auf seifigsten Schotterpfaden hatten selbst die Nicht-Abgeflogenen am Abend reichlich Horror-Geschichten zu erzählen. VW-Werksfahrer Sébastien Ogier schickte sich wie gewohnt an, die Super 2000-Kategorie zu dominieren, nur der auf der Straße gestikulierende Beifahrer von Oliveira rettete den Franzosen im Skoda Fabia vor dem Verderben. Doch hatte er beim Verstellen der Dämpfer die Motorhaube nicht arretiert, die ihm prompt bei voller Fahrt vor die Scheibe klatschte. Die hielt, nicht aber der Scheibenwischer. Mit zugekleisterten Fenstern tastete sich Ogier ins Ziel, um am Abend doch auszufallen. Im Motor hatte ein Kolben eine Zündkerze ausgeknockt.
Haarscharf am Abgrund vorbei
Kaum mit Sportschuhen durch einen verschlammten Acker gewatet und im beigen Glibber einen Hügel erklommen, musste Citroën Sportchef Yves Matton mitansehen, wie seine Schützlinge Mikko Hirvonen und Sébastien Loeb in einer mittelschnellen rechts mit dem Heck halb über einer Böschung hingen und nur haarscharf einem gemeinschaftlichen Desaster entronnen. Beide stellten sichtbar jeden Versuch schnell zu fahren ein. Am Abend verkündete Loeb am Service in Salou: "Ich bin einfach nur froh, überhaupt hier zu sein."
Das war auch Jari-Matti Latvala, der den Tag zwar überlebte, am Morgen aber wegen der abgesegelten Kollegen knapp eine Minute verloren. "Vor mir war ein Loch von zwölf Minuten. Da war so viel Wasser auf der Straße." Weil er zudem in Erwartung eher trockener Verhältnisse vorn zwei harte Reifen montiert hatte, war die Rallye schon am ersten Morgen verloren.
Immerhin bot der Finne bei seinem letzten Auftritt im Ford-Anzug an den anschließenden zwei Asphalttagen eine starke Vorstellung und robbte sich am Ende als Zweiter noch bis auf sieben Sekunden an den Sieger heran. Der hieß zum achten Mal in Folge in Spanien Sébastien Loeb. Nach dem Schlammbad in Schlagdistanz, drehte der Weltmeister zum Ende seiner letzten vollen Saison am zweiten Tag auf und verwaltete anschließend die Führung zu seinem 76. WM-Sieg und zum neunten Saisonerfolg. Zu spät kam der Franzose nur zur Presskonferenz. "Er ist mal austreten. Vielleicht ist er nervös", petzte der drittplatzierte Teamkollege Mikko Hirvonen. Loebs Beifahrer Daniel Elena lästerte: "Bei jeder Wertungsprüfung ist es dasselbe."
Die Führung hielt zunächst überraschend der Norweger Mads Östberg, der im privat eingesetzten Ford Fiesta den ersten Tag mit einer Geheimtaktik dominierte: "Du weißt auf dieser Seife vor keiner Kurve, wieviel Grip es gibt. Also tust du einfach so, als wäre die Haftung prima, bremst spät und wartest, wie lange es dahingeht. Bisher ist alles gutgegangen." Das galt allerdings nicht für den zweiten Morgen. Wegen eines zu weichen Setups und eines Ausrutschers in ein Feld verlor der Youngster eine Minute und damit auf den dritten WM-Gesamtrang an Latvala. "Ich bin enttäuscht, aber das ist nicht das Ende der Welt", verkündete Östberg, der nach einer starken Saison auf den Wunschzetteln von Citroën, M-Sport und Prodrive-Mini ganz weit oben steht.
Für seine Reputation schuftete am Ende auch Dani Sordo. Nach dem Auswechseln eines defekten Injektors am zweiten Morgen lief der Mini-Motor nun auch auf vier Zylindern, mit denen Sordo sechs Bestzeiten auf den Asphalt zimmerte, was manchen Konkurrenten zum Zweifeln an der Legalität des Countryman WRC zweifeln ließ. Bester Mini im Ziel war aber auf Rang fünf der Finne Jarkko Nikara bei seinem Debüt im World Rally Car. Sechster und Meister in der Super 2000-Kategorie wurde der Ire Craig Breen in einem Ford Fiesta.
Sympathische Exoten in der Rallye-Welt
Die Aufregung und Vorfreude auf das WM-Finale war bei niemandem größer als bei John Powell. Der Mann aus Trinidad hat in der Karibik so ziemlich alles gewonnen und träumte seit der Kindheit von einem Start in der Weltmeisterschaft. Im vermeintlich lauwarmem Spanien schlotterten drei Berichterstatter aus der Heimat bei zwölf Grad. Auch Powell geriet ins Zittern. Vor Aufregung hatte der Mann aus Trinidad über eine Woche fast kein Auge zugemacht. Auf den schlammigen Schotterpisten wurde dem völlig erschöpften Mann aus Westindien so schlecht, dass er aufgeben und die kommenden zwei Tage in der Ford-Hospitality verbrachte.