Es war wie immer. Als es darauf ankam, war Sébastien Loeb voll da, fuhr in seinem Citroen DS3 mühelos die kleine Lücke von sechs Sekunden zu, ließ Gegner Petter Solberg noch einmal am Erfolg schnuppern, und ging mit einer Zehntelsekunde Vorsprung in die letzte Prüfung. In der Ford-Hospitality ertönte kollektives Stöhnen, als der große Wandmonitor 1,9 Sekunden Vorsprung für den Weltmeister bei der vorletzten Zwischenzeit ausgab.
Elaine Wilson, die Gattin des Teamchefs lag auf den Knien, einer der Mechaniker wippte mit den Füßen wie auf glühenden Kohlen. Solberg lag eigentlich eine Zehntelsekunde vorn, rutschte aber kurz in eine Böschung und brach die Attacke ab. Teamchef Malcolm Wilson hatte ganz klar die Parole ausgegeben, das Auto heil zurückzubringen. Nach drei Minuten hatte das Team die Gewissheit: Loeb hatte wieder einmal zugeschlagen und die Hoffnung zerstört. Mit neun Zehnteln rettete er sich vor Solberg ins Ziel.
Latvala souverän vor der Konkurrenz
Und doch war etwas an diesem Wochenende in Wales ganz anders als gewöhnlich, denn Loeb hatte nicht gewonnen. Vor ihm lief mit knapp einer halben Minute Vorsprung Jari-Matti Latvala ins Ziel, der beim zehnten WM-Lauf neun Bestzeiten fuhr und seinen zweiten Saisonsieg feierte. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der der Finne seinen Fiesta immer wieder ohne Not im Unterholz versenkt, fährt er an anderen Wochenenden souverän zum Sieg.
Den dreifachen Wales-Sieger Petter Solberg hatte Latvala jederzeit im Griff. Die Luft hielt Beifahrer Miika Anttila nur einmal an, als sein Lenker auf der zweiten Prüfung einen Baumstumpf traf und der Reifen ein Stück von der Felge rutschte. Aber dieses Mal hatte Latvala Glück. Der Gummi behielt die Luft und er anschließend die Nerven. "Nach all den Fehlern dieses Jahr brauchte ich erstmal ein paar gute Resultate, um wieder Selbstvertrauen zu gewinnen. In Finnland war ich nicht frei im Kopf, aber das hier ist ja quasi meine zweite Heimrallye."
Beide Werks-Ford profitierten von einer leicht modifizierten Hinterradaufhängung, die dem Heck des Fiesta mehr Fahrstabilität verleiht. Wie in Portugal oder Schweden zeigte sich, dass die Ford auf besonders rutschigem Geläuf einen Traktionsvorteil gegenüber den Citroën haben.
Hirvonen mit Stempel-Dusel
So war Sébastien Loeb mit sich und seinem Auto am ersten Abend eigentlich zufrieden, wenn nicht beide Ford konstant schneller gewesen wären. Etwas von der Rolle präsentierte sich Citroën-Teamkollege Mikko Hirvonen. Der Finne baute das ganze Wochenende am Setup herum, um am Ende wieder bei der Basisabstimmung zu landen, mit der er anfangs hinterhergefahren war, und die am Ende zum Gewinn der abschließenden Powerstage reichte und damit zu zusätzlichen drei WM-Zählern.
Dabei hätte die Rallye schon nach zwei Tagen für Hirvonen zu Ende sein können, denn Beifahrer Jarmo Lehtinen ließ sich kurz von der Verunsicherung seines Chauffeurs anstecken und vergaß an einer Zeitkontrolle die Bordkarte, was zur Disqualifikation geführt hätte, wäre der Zeitnehmer nicht geistesgegenwärtig hinter dem anrollenden Citroën hergehechtet.
Östberg bester Privatier
Hirvonen wurde farbloser Fünfter und musste sich Mads Östberg geschlagen geben, der wieder einmal bester Privatfahrer war. Der Norweger war der einzige, der über weite Strecken das Tempo des Spitzentrios mitgehen konnte. Am letzten Morgen setzte das Zittern ein, denn plötzlich ließ ein Elektrikproblem den Adapta-Fiesta stottern. Trotz Leistungsverlust hielt Östberg Platz vier. Als der Motor am letzten Nachmittag trotz Tausch des Steuergerätes immer noch unsauber lief, hielt der Nachwuchsmann das Problem geheim, um Verfolger Hirvonen gar nicht erst Hoffnung schöpfen zu lassen.
Eine weitere Neuerung in Wales war die Tatsache, dass der britische WM-Lauf in dieser Saison nicht das Saisonende markiert. Die walisische Landesregierung als größter Geldgeber wünschte einen früheren Termin als November, weil die um den Erdball gesendeten TV-Bilder traditionell Regen und Nebel transportieren. Doch viel besser viel das Resultat auch dieses Mal nicht aus. "Es genauso nass und matschig wie immer. Sogar als wir im August hier getestet haben, war es nicht anders," lästerte Tabellenführer Loeb.
Citroen macht Fahrer-WM klar
Dank Loebs zweitem Rang gab es für sein Team schon etwas zu feiern. Der Fahrer-Titel ist Citroën nicht mehr zu nehmen. Nur noch Loeb oder der Tabellenzweite Hirvonen kommen noch für den Titel in Frage. Bei Ford hat man indes lange auf einen Anlass für Champagner warten müsse. "Wir wissen gar nicht mehr, wie das geht", unkte Elaine Wilson, fügte aber an: "Ich glaube, das lernen wir sehr schnell wieder."