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Rallye Polen 2016
Das zerstörte Tänak-Wunder

Ford-Pilot Ott Tänak sah beim siebten WM-Lauf in Polen bis 2 Stunden vor Schluss wie der sichere Sieger aus. Doch am Ende jubelte ein überraschter Andreas Mikkelsen im VW.

Andreas Mikkelsen - Rallye Polen 2016
Foto: sutton-images.com

Er konnte kaum etwas sagen, als er zum letzten Mal das Wochenende den Helm abnahm. Die Tränen schossen ihm in die Augen und Ott Tänak rollte los, nur weg von den Kameras und Mikrofonen im Ziel dieser letzten Prüfung der Polen-Rallye. Im Regen fiel er seiner Freundin in Arme, man schluchzte gemeinsam. Dann kam der Weltmeister zum Trösten.

Eigentlich war er doch das Opfer des Wochenendes. Wieder einmal war Sébastien Ogier schnell und fehlerlos gefahren, hatte die abschließende Powerstage und die 3 Extrapunkte gewonnen, aber nach zwei langen Etappen an der Spitze des Feldes war für den Straßenkehrer auf den sandigen Schotterpisten Masurens nur Platz 6 drin. Die schlechteste Platzierung der Saison.

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Selbst ein mit sich hadernder Teamkollege Jari-Matti Latvala lag als Fünfter im Ziel vor ihm. Am Samstagabend war der Tabellenführer so angefressen, dass er in den Medien-Streik trat und keine Interviews gab.

Tänak-Drama auf den letzten Metern

Derweil stand Ott Tänak 50 Meter weiter hinten und sprach in die Mikrofone, dass er zuversichtlich sei, die 20 herausgefahrenen Sekunden gegen Verfolger Andreas Mikkelsen halten zu können. Der 28-jährige Este ist seit sieben Jahren in der WM, galt schon früh als Riesentalent, stand sich aber auch lange selbst im Weg.

Schon im Vorjahr zeigte er mit Rang drei in Polen, dass ihm die extrem schnellen Schotterstrecken liegen, 2016 fuhr er klar die meisten Bestzeiten, galt als unantastbar, auch weil die sonst den Michelins der Top-Teams unterlegenen Dmack-Reifen auf seinem Ford Fiesta perfekt zu den polnischen Bedingungen passten.

Auch am finalen Morgen ließ sich Tänak nicht den Schneid abkaufen. Mikkelsen, der ebenfalls regelmäßig in Polen zur Top-Form aufläuft, versuchte erst gar keinen echten Angriff. Aus 2 Tagen Sommerhitze war über Nacht kühles Regenwetter geworden, noch besser für die Dmack-Truppe, denn ihr weicherer Reifen funktioniert bei Nässe noch besser als die weichere Michelin-Option.

Und so schien alles bereitet für das Wunder von Mikolaijki. Der kleine britische Reifenhersteller mit chinesischen Geldgebern gegen die Gummi-Giganten aus Clermont-Ferrand, das britische M-Sport-Team, das seit 4 Jahren ohne Werksunterstützung von Ford auskommen muss und dennoch weitermacht und nach 4 Jahren wieder einen Sieg feiern könnte.

Doch eineinhalb Stunden vor Schluss war das Märchen vorüber. Auf der vom Regen ausgewaschenen vorletzten Prüfung des Wochenendes zerstörte eine Felskante am Innenrand der Piste den rechten Vorderreifen. Tänak verlor über eine halbe Minute, und Mikkelsen lag plötzlich mit 16 Sekunden vorn – zu viel, um sie auf den 8 Kilometern der Powerstage noch aufzuholen.

Mikkelsen erbt Sieg von Tänak

Und so feierte nicht der Este, den tausende Fans aus der Heimat an den Pisten unterstützt hatten, sondern der Strahlemann aus Norwegen, der damit bewies, dass sein Debüterfolg 2015 in Spanien keine Eintagsfliege war.

Mikkelsen drückte sofort sein Bedauern für das Schicksal seines Konkurrenten aus: „Es tut mir leid für Ott. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Das Gleiche ist mir in Schweden passiert.“ Mikkelsen ist bereits der sechste Sieger in den ersten 7 Läufen der WM und hat nun hinter konstant punktenden und weit enteilten Ogier den zweiten Tabellenrang übernommen.

Die VW-Rivalen von Hyundai waren an diesem Wochenende schnell, aber nicht schnell genug, um der Spitze zu folgen. Thierry Neuville verlor einige Sekunden, als ihm der Schalthebel brach. Ansonsten balgte er sich mit Youngster Hayden Paddon auf Augenhöhe um den dritten Rang. Der Neuseeländer behielt am Ende um die Winzigkeit von 8 Zehntelsekunden die Oberhand.

Außer Form war lediglich Dani Sordo im dritten Werks-Hyundai. Die einerseits sehr schnellen, andererseits extrem rutschigen Pisten an der masurischen Seenplatte liegen dem Spanier gar nicht. Schon vorher hatte ihn Teamchef Michel Nandan nicht für die Marken-Wertung nominiert. Zum Glück, denn Sordo mühte sich, in den Top Ten zu bleiben und schied nach einem Crash am Sonntagmorgen aus.

Überhaupt boten die nur abschließenden 60 Kilometer, verteilt auf 4 Prüfungen, reichlich Dramatik. Frankreichs Nachwuchshoffnung Stéphane Lefebvre lag bei einem der Gastspiele des in diesem Jahr nicht eingeschriebenen Citroën-Teams auf einem starken fünften Rang, fuhr sogar eine Bestzeit, aber auf der drittletzten Prüfung rutschte er im Schlamm aus und riss sich die linke Hinterradaufhängung an seinem DS3 ab. So reichte es nur für Rang 9 hinter einem farblosen Mads Östberg im M-Sport-Fiesta und Citroën-Kollege Craig Breen, der mit Rang sieben hinter Weltmeister Ogier einen Achtungserfolg einfuhr.

Ein Opfer des zunehmend seifigeren und tieferen Bodens wurde auch Eric Camilli, der im zweiten M-Sort Fiesta lange Zeit schneller war als Östberg, die eigentliche Nummer eins im Team. Aber der Franzose schlug hinten rechts gegen ein Hindernis und fiel auf Platz 10 zurück.

Suninen gewinnt WRC2-Wertung

Direkt hinter ihm feierte ein stark fahrender Teemo Suninen den Sieg in der WRC2-Kategorie. Nachdem Pontus Tidemand im Werks-Skoda schon am Freitag wegen einer gebrochenen Fahrwerksschraube aus dem Rennen war, lieferte sich Finnlands Hoffnung Suninen einen beinharten Kampf mit Esapekka Lappi im zweiten Werks-Fabia R5. Lappi hatte den Landsmann in seinem Oreca-Skoda gerade distanziert, da fiel sein rechtes Vorderrad dem gleichen Loch in der Straße zum Opfer wie das von Ott Tänak.

Gleich zwei Dutzend Autos erlitten Schäden an besagter Stelle. Der Veranstalter entschied, die Privatteams in ihren frontgetriebenen Autos gar nicht erst in die vorletzte Prüfung starten zu lassen. „Ich bezweifle, dass wir mit unserem kleinen Opel Adam da durchgekommen wären“, schätzt Marijan Griebel, dessen erst 19-jährigen Beifahrerin Ella Kremer erstmals WM-Luft schnupperte und mit Opel-Werkspilot Griebel den zweiten Klassenrang in der R2-Kategorie einfuhr.

Papa Armin Kremer hatte ein weniger vergnügliches Wochenende. In der WRC2-WM musste er zunächst zusehen, wie ihm die Top-Junioren der Meisterschaft davonfuhren, dann traf er am Sonntagmorgen eine Baumwurzel, verlor die Kontrolle über seinen Skoda Fabia und schlug in zwei Bäume ein. Kremer fuhr mit Beifahrer Pirmin Winklhofer zur Sicherheit zur Untersuchung ins Krankenhaus.

Fällt Polen aus dem WM-Kalender?

An diesem durchweichten Sonntag machte auch der Veranstalter keine gute Figur. Eine zur Senkung des Spitzentempos auf der Powerstage platzierte Schikane aus Strohballen kickten die WM-Stars versehentlich munter durch die Gegend, so dass einige keine andere Wahl hatten, als das Hindernis komplett auszulassen. Für den zweiten Durchgang der Prüfung Sady ließ die Rallyeleitung erst verbreiten, man werde die Schikane entfernen, um die Entscheidung kurz darauf wieder zurückzunehmen.

Kein guter Zeitpunkt, um Fehler zu machen. Wie im Vorjahr bemängelte die FIA Probleme mit der Zuschauersicherheit und die Werksteams plädieren aus Kostengründen ohnehin darauf, eine von 14 WM-Rallyes wieder zu streichen. Da über den ebenfalls in der Kritik stehenden Asphalt-Lauf auf Korsika FIA-Präsident Jean Todt seine schützende Hand hält, ist Polen ein Wackelkandidat, zumal nach dem Ausstieg des Nationalhelden Robert Kubica die Rallyebegeisterung östlich der Oder spürbar nachgelassen hat.

Ein Ende der Polen-Rallye wäre eine schlechte Nachricht für Ott Tänak. Denn ansonsten hätte der unglückliche Zweite dieses Jahres beste Chancen, 2017 in Mikolaijki endlich seinen ersten Weltmeisterschafts-Triumph zu feiern.

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