Dank der technischen Ausgeglichenheit der Autos hätte 2012 eines der spannendsten Rallye-Jahre in der 40-jährigen Geschichte der Rallye-WM werden können, doch momentan sieht es nach einer der langweiligsten aus.
Allein Fords Speerspitze Jari-Matti Latvala hat in den sieben Läufen vor der Sommerpause ohne Not mindestens 54 WM-Punkte liegenlassen. Selbst wenn er alle Duelle gegen Weltmeister Sébastien Loeb, bei denen der Finne vorzeitig patzte, verloren hätte, wäre der 28-Jährige locker Tabellenzweiter mit Kontakt zur Spitze. In einer Welt ohne hätte, wenn und aber liegt er auf Rang sechs.
Latvala wartete auf der anderen Seite des Planeten nicht einmal bis zum Ende des ersten Tages, bis er seinen Ford Fiesta von der Straße warf und viereinhalb Minuten verlor, bis ihn herbeigeeilte Fans wieder auf die Piste schoben. So war am Ende allenfalls noch ein siebter Rang drin.
Ford schlägt sich wieder selbst
Und wenn er den Tatsachen auch vorher nicht ins Auge blicken mochte, verkündete er an diesem schwarzen Freitag in Neuseeland: "Ich habe mich aus dem Titelrennen geworfen." Es war ein schwaches Trostpflaster, dass Latvala die abschließende Power-Stage gewann und sich damit drei weitere WM-Pünktchen holte.
Teamkollege Petter Solberg, wenige Wochen zuvor in Griechenland beim Versuch, seit sieben Jahren endlich wieder einen WM-Lauf zu gewinnen, mit abgerissenem Rad ausgeschieden, tönte auch vor der Rallye Neuseeland wieder, wie reif die Zeit für seine Rückkehr auf die Siegerstraße sei, aber als einziger Top-Mann entschied er sich bei strömenden Regen am Freitag für harte Reifen und verlor schon nach einem halben Tag eineinhalb Minuten.
Die aufgesparten der auf zehn limitierten weichen Gummis wollte er am finalen Sonntag einsetzen, als noch schlechteres Wetter vorausgesagt war, aber angesichts extrem rutschiger Pisten und der realen Gefahr eines erneuten Ausfalls verließ den Weltmeister von 2003 der Mut. Solberg brachte Rang drei nach Hause, das Minimalergebnis, das niemandem nutzt, denn Rivale Citroën setzte sich mit einem Doppelsieg weiter ab.
Loeb kontrolliert zum Sieg
Sébastien Loeb fuhr nur so schnell, wie er musste. Zum zweiten Mal in dieser Saison agierte sein Teamkollege Mikko Hirvonen auf Augenhöhe. Der Finne sprach vom besten Auto, dass er je gefahren habe und schob seinen DS3 zur Halbzeit bis auf 1,7 Sekunden an den Rekord-Weltmeister heran. Mit einem kurzen Zwischenspurt sorgte Loeb jedoch für Abstand und konnte sich am zweiten Abend entspannt zurücklehnen, denn Teamchef Yves Matton verhängte erwartungsgemäß Stallorder für die finale Etappe.
Mehr ausgerechnet als einen sechsten Rang hatte sich das Prodrive-Team mit dem Mini. Nach starker Leistung in Portugal wähnte man sich gerade bei einer Rallye mit feinen Schotterpisten besonders konkurrenzfähig, und das chronisch unterfinanzierte Team von David Richards trat den langen Weg in den Pazifik in der Hoffnung auf eine Podiumsplatzierung an. Doch wie Solberg verwachste Dani Sordo am ersten Morgen auf weicher Piste mit harten Reifen, Bestzeiten gelangen dem Spanier im Countryman erst, als die Spitze vom Gas ging.
Neuville mit starkem fünftem Platz
Gleiches gilt für die Nachwuchsriege. In seiner ersten WRC-Saison zeigte Thierry Neuville eine starke Vorstellung, die Citroëns Zukunftshoffnung nicht nur mit Bestzeiten krönte, sondern mit einem fünften Gesamtrang auch als möglichen Hauptgegner in der Zukunft.
Fords Nachwuchsmann Ott Tänak bot nach zuletzt wenig erbaulichen Leistungen wieder einmal eine bessere Vorstellung, hielt aber Neuvilles Druck nicht stand und überschlug sich am letzten Nachmittag. Bester Ford-Junior und bester Privatfahrer war einmal mehr der Russe Evgeny Novikov auf Rang vier.
Für Sébastien Loeb, der auf den bestplatzierten Ford-Fahrer Solberg bereits 55 Punkte Vorsprung hat, war es der 72. WM-Erfolg, der fünfte des Jahres und dritte Neuseeland-Sieg seiner Karriere. Es könnte auf der Südhalbkugel auch sein letzter gewesen sein, denn im kommenden Jahr ist Neuseeland nicht im WM-Kalender, spätestens zum Jahresende 2013 will Loeb den Helm an den Nagel hängen.