Mit neun Bestzeiten sieht die Bilanz des Sébastien Ogier in Wales weniger domiant aus als gewohnt, aber der Eindruck täuscht. Der Weltmeister fuhr im VW anfangs schnell genug, um sich ein Polster zu sichern, anschließend verwaltete er den Vorsprung nur noch und fuhr mit dem Sieg in Finale seinen neunten Saisonsieg heraus. Zudem besiegte Ogier ein kleines Trauma. Er war in seiner WRC-Karriere in Wales nie ins Ziel gekommen. Einen Kilometer von der Stelle entfernt, wo er 2011 seinen Citroën in der ersten ernsthaften Kurve des britischen WM-Laufes in die Mauer gestopft hatte, rollte Ogier mit Copilot Julien Ingrassia in Llandudno an der Nordküste der walisischen Halbinsel als strahlender Sieger über die Zielrampe. "Das ist der Abschluss eines perfekten Wochenendes und einer Saison, von der ich mit vorher niemals hätte träumen lassen, dass sie so ausgeht", sagte der Sieger.
Latvala mit zu vielen Fehlern
Geschlagen geben musste sich der Teamkollege Jari-Matti Latvala. Der Wales-Triumphator 2011 und 2012 trank statt eines normalen Kaffees einen extrastarken Espresso und griff am Sonntagmorgen hellwach an, doch Ogier konterte die frühe Bestzeit und hielt den Abstand. Im Ziel waren es 21,8 Sekunden. "Ich habe mir zu viele kleine Fehler geleistet", sagte der unterlegene Latvala offen. Mit dem verlorenen Sieg war auch die Chance auf den Vize-Titel futsch, denn der 14 Punkte vor ihm liegende Thierry Neuville brachte seinen Ford Fiesta souverän als Dritter ins Ziel. "Das ist super, dass mir das schon in der zweiten Saison gelungen ist. Jetzt fehlt mir nur noch der Titel."
Hinter Neuville kämpften die beiden Nachwuchs-Norweger noch hart um den vierten Rang. Schon auf der ersten Morgenprüfung verspielte Andreas Mikkelsen seinen kleinen Vorsprung von sechs Sekunden und musste den vierten Rang abtreten: "Wir haben und gedreht, und ich musste erst mal 100 Meter gegen die Fahrtrichtung fahren, bis ich wieder wenden konnte." Um den Verlust aufzuholen legte der dritte VW-Werksfahrer noch eine Schippe drauf und drehte sich prompt abermals, dieses Mal im fünften Gang. Mit leicht lädiertem Vorder- und Hinterteil erreichte er als Fünfter das Ziel. Rivale Mads Östberg war am Ende zufrieden: "Wir haben zwei Tage wegen des falschen Setups verloren, aber am Ende haben sich unsere Änderungen bezahlt gemacht."
Martin Prokop bester Privatfahrer
Hinter dem zweiten M-Sport-Mann erreichte Ford-Kunde Martin Prokop als Sechster wieder einmal als bester Privatfahrer das Ziel. Der Tscheche lag noch vor dem nach den Unfällen von Mikko Hirvonen und Robert Kubica verbleibenden Werks-Citroën von Dani Sordo. Der Spanier war wegen eines Teamfehlers schon mit fünf Minuten Rückstand in die Rallye gestartet und chancenlos. Ohne Strafe wäre er mit 3:26 Minuten Rückstand Sechster geworden.
Von den Topleuten erreichte gar Evgeny Novikov das Ziel. Eigentlich hatte die M-Sport-Mannschaft dessen Ford nach einem heftigen Abflug am Samstag schon abgeschrieben, stellte dann aber fest, dass der lädierte Vorderwagen reparabel war. Novikov kam zwar mit rund einer halben Stunde Rückstand nur auf Platz 23 ins Ziel, holte aber als Zweiter der Powerstage noch zwei WM-Punkte und zog so in der Abschlusstabelle an Ex-Weltmeister Sébastien Loeb vorbei. Der hatte zwar nur vier Rallyes bestritten und ist seit Oktober in Rente, aber wie sagt Novikovs Beifahrerin Ilka Minor: "Man muss in allem auch das Gute sehen."
Waliser feiern ihren Landsmann
Die auch am Sonntag in Kinmel Castle und im Ziel in Llandudno zahlreich angetretenen Fans hatten am Ende auch etwas zu feiern. Der Waliser Elfyn Evans wurde Achter und gewann die WRC2-Wertung.
Angesichts des Organisationschaos am Samstag entschied sich der Veranstalter, für den Sonntag keine Tickets mehr zu verkaufen. Cheforganisator Andrew Coe entschuldigte sich: "Wir sind überwältigt vom Interesse der diesjährigen Rallye GB. Es ist uns klar, dass gestern viele Leute trotz gültiger Eintrittskarte die Prüfung in Chirk Castle nicht erreichen konnten und entschuldigen uns dafür." Coe erklärte, der Zuschauerparkplatz sei einfach komplett voll gewesen: "Wenn eine Rallye in so einer abgelegenen Gegend stattfindet, gibt es oft einfach keine Alternativen", verteidigte Coe die Organisation. Daraus ergeben sich gleich Probleme für 2014. Im kommenden Jahr sollen noch mehr Prüfungen nach Nord-Wales verlagert werden.
Sieger Sébastien Ogier plante in Wales keine große Party, schließlich feiert das Team am Donnerstag in Hannover mit einer Riesensause. Thierry Neuville kündigte an, dass er trotz seines Abgangs zu Hyundai mit der M-Sport-Mannschaft heftig feiern werde: "Das haben wir und das Team uns nach dieser Saison verdient", sagt der Belgier. VW-Sportchef Jost Capito feierte schon vor der Zielankunft seiner Schützlinge ein bisschen vor, auf der Hauptstraße von Llandudno neben der Zielrampe - mit Fish and Chips.