Man kann einer Veranstaltung wie der Rallye Dakar durchaus kritisch gegenüberstehen. Etwa wegen ihrer Gefährlichkeit, die sich auch bei der diesjährigen Auflage wieder durch den Tod des portugiesischen Motorrad-Piloten Paulo Goncalves auf der siebten Etappe offenbarte. Oder wegen der Entscheidung der Organisatoren, die Dakar in den kommenden Jahren in Saudi-Arabien auszurichten. In einem Land also, das nicht gerade dafür bekannt ist, Menschenrechte als höchstes Gut anzuerkennen.
Hongqi setzt drei Autos ein
Man kann der Rallye aber auch mit höchstem Respekt begegnen. Vor allem ihren Teilnehmern. Schon die Mitglieder der großen Teams stellen sich riesigen Herausforderungen für Mensch und Material. Zum Beispiel der zweifache Formel 1-Weltmeister Fernando Alonso, der seinen Toyota-Pickup bislang mehr als respektabel durch das staubige Terrain jagt. Noch größere Helden sind aber jene, welche die vielen Wüstenkilometer in exotischen Fabrikaten in Angriff nehmen. Mit Fahrzeugen von Marken, die Hongqi, Borgward oder Praga heißen.
Hongqi – nie gehört? Nun, dabei handelt es sich um die Nobelmarke des chinesischen Autokonzerns FAW. Als China kürzlich den 70. Jahrestag seiner Gründung feierte, ließ sich Präsident Xi Jinping in einem umgebauten Hongqi L9 stehend von der Menge feiern (hier lesen Sie mehr zu der Staatslimousine). In Saudi-Arabien setzt der Qian'An Jiu Jiang Landsail Racing Club gleich drei zum Offroader umgebaute Limousinen ein. Wenn auch mit überschaubarem Erfolg: Das Fahrer/Beifahrer-Gespann Quan Ruan und Yirong Wang belegt das Hongqi-Speerspitze gerade einmal Rang 42 in der Gesamtwertung.
Mit Chevy-V8 durch die Wüste
Die Hongqi-Boliden präsentieren sich nicht nur optisch, sondern auch technisch skurril. Rallye-Raid-Autos mit Stufenheck oder Standarte an der Front sind bei einer Wüsten-Rallye schließlich nichts Alltägliches. Und im Innern der Karbon-Karosserie schlägt ein Herz des Klassenfeindes: Der V8-Benziner aus der LS-Motorenfamilie stammt aus dem General Motors-Regal.
Deutlich besser schlägt sich das Borgward-Team, das mit Unterstützung des Energy-Drink-Giganten Monster zwei BX7 Evos an den Start bringt. Eines der Autos steuert der Dakar-Veteran Nani Roma, der einer von nur drei Fahrern ist, welche die Rallye sowohl mit dem Motorrad (2004) als auch mit dem Auto (2014) gewinnen konnten. Aktuell liegt das chinesisch-spanische Gespann auf Platz 23.
Renn-Lkw von Praga mit fast 1.000 PS
Ziemlich erklärungsbedürftig ist der Auftritt der Marke Praga. Das Unternehmen produzierte schon 1907 Autos und Lastwagen, verschwand aber zwischenzeitlich in der Versenkung und wagt aktuell einen Neubeginn. Der soll eigentlich mit dem rennstreckenfokussierten Leichtbau-Sportwagen R1 gelingen, aber bei der Dakar treten die Tschechen in der Lkw-Klasse an. Der Praga V4S DKR ist ein waschechter Prototyp, dessen Iveco-Motor beinahe 1.000 PS entwickelt. Auch der Rest ist Hightech: Chassis, Fahrwerk, Bremsen, Automatik-Getriebe – alles ist vom Feinsten.
Kein Wunder, denn der Fahrer trägt einen großen Namen. Der 39-jährige Ales Loprais ist der Neffe des sechsmaligen Dakar-Siegers Karel Loprais und bestreitet mit dem Praga bereits seine 14. Rallye Dakar. Der Tscheche, der in der Vergangenheit meist im Fahrerhaus eines Tatras unterwegs war, wagt sich in diesem Jahr erstmals mit einem Praga in die Wüste. Und ist ziemlich gut unterwegs: Für den derzeit viertplatzierten Loprais liegt sein bestes Dakar-Ergebnis (bisher stehen zwei dritte Plätze zu Buche) in Reichweite. Angesichts von nur gut zwei Stunden Rückstand auf den Führenden ist sogar der Gesamtsieg in Reichweite.
Fazit
Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Verwegenheit dazu, in einem Hongqi, Borgward oder Praga die Rallye Dakar in Angriff zu nehmen. Andererseits sind mit Nani Roma und Ales Loprais echte Profis in den exotischen Vehikeln unterwegs. Und die Chinesen lernen schnell, wie die Beobachter von vor Ort berichten. Es ist also mitnichten so, dass diese Teilnehmer nur das Feld auffüllen.