Der Champagner floss noch einmal in Strömen, aber dieses Mal mischten sich Tränen in die edle Brause. Beim letzten Auftritt der Weltmeister-Mannschaft von VW vor dem vom Vorstand befohlenen Rückzug waren die Polo WRC wie meistens in den vergangenen 4 Jahren eine Klasse für sich. Daran konnte auch ein früher Ausrutscher von Jari-Matti Latvala nichts ändern, der das Heck seines VW schon in der dritten Kurve der ersten Prüfung an einem Brückengeländer anlehnte, was der Anlenkpunkt des Querlenkers am Radträger nicht verzieh. Mit 7 Minuten Zeitverlust war mehr als Platz 9 so nicht drin.
Es spielte keine Rolle, die Marken-WM haben die Hannoveraner schon seit Ende Oktober in Wales in der Tasche, Top-Fahrer Sébastien Ogier war schon nach der Spanien-Rallye Mitte Oktober zum vierten Mal Champion. Es ging einzig darum, sich erhobenen Hauptes aus der Rallye-WM zu verabschieden, der VW seit 2013 derartig den Stempel aufdrückte, wie es zuletzt Lancia in den späten Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang.
Ogier wieder mit Galavorstellung
Zu einem beträchtlichen Teil verdankt das Team diesen Erfolg Ogier, und der Titelverteidiger gab zum Abschied seiner Mannschaft ein weiteres Mal eine Kostprobe seiner Fahrkunst. Zwei Tage lang wie gewohnt als Erster auf den Schotterpisten rund um das Küstenstädchen Coffs Harbour war der Franzose eigentlich chancenlos, blieb aber trotzdem in Schlagdistanz zur Spitze.
Es spielte keine Rolle, dass sein ärgster Wales-Verfolger Ott Tänak mit den DMack-Reifen an seinem Ford Fiesta nicht konkurrenzfähig war und Siebter wurde, dass M-Sport-Teamkollege Mads Östberg wie so oft mit seinem Setup haderte und auf dem bescheidenen sechsten Rang einlief, dass Eric Camilli entgegen der ausdrücklichen Order seines Teamchefs Malcolm Wilson seinen Fiesta nicht ins Ziel brachte, sondern am letzten Tag der Saison noch aufs Dach legte.
Aber es half Ogier, dass die Hyundai-Armada schwächelte. Dani Sordo verlor Biss und Motivation, als sich Beifahrer Marc Marti auf einer Verbindungsetappe im dichten Staub vernavigierte und das Duo 2 Minuten zu spät an der nächsten Zeitkontrolle stempelte. Sordo wurde am Ende mit nahezu anderthalb Minuten Rückstand Fünfter, haderte aber im Ziel immer noch mit den 20 Sekunden Strafe vom Freitag.
Es half auch, dass der schnelle Haydon Paddon als einzig verbliebener VW-Jäger auf Rang 3 am Sonntagmorgen einen Reifenplatzer erlitt, der das Heck gleich mit in Fetzen riss und 20 Sekunden kostete. Der Neuseeländer holte unter den Augen einer halben Hundertschaft seiner Schlachtenbummler Downunder den vierten Rang.
Neuville holt knapp den Vize-Titel
Dritter wurde am Ende Teamkollege Thierry Neuville, der zumindest auf der Strecke eine fehlerfreie Rallye fuhr. Lediglich bei der Reifenwahl griff der Belgier einmal daneben und brachte sich am Samstagmorgen auf harten Gummis um den Sieg. Zumindest für die vordersten zwei Starter hätten auf der losen Staubauflage die weicheren Michelins die mehr Haftung geboten. Aber nur Reifenflüsterer Ogier erkannte die Lage und zog mit den LTX Force S5 ins Feld.
Noch vor dem Start hatte er sich wie auf den staubigen Pisten von New South Wales für chancenlos erklärt und die Konkurrenz mit einer Bestzeitenserie am Freitagnachmittag geschockt, als die Strecken mehr oder weniger sauber gefegt waren. Hyundai-Teamchef Michel Nandan zog den Hut: „Unglaublich, wie er das gemacht hat.“
Durch den Reifencoup am Samstagmorgen blieb Ogier mit 15 Sekunden Rückstand der Spitze auf den Fersen. Die bildete Teamkollege Andreas Mikkelsen, der die meiste Zeit des Jahres den zweiten Tabellenrang belegt hatte und erst durch einen unverschuldeten Antriebswellenschaden in Wales hinter Neuville rutschte.
Mikkelses Fahrplan war klar: Siegen und hoffen, dass Neuville nur Vierter wird. Ein Punkt mehr in der abschließenden Powerstage hätte ihn zum Vizeweltmeister gemacht. Als sein Spezi und Monaco-Nachbar Neuville durch Paddons Missgeschick auf Rang 3 aufrückte, lag das erste Ziel in weiter Ferne. Also konzentrierte sich Mikkelsen auf das zweite: mit dem letzten Sieg für VW in die Annalen einzugehen.
Doch als Mikkelsen am Sonntagmorgen die feuerfeste Rüstung anlegte, hätte kaum jemand einen australischen Dollar auf ihn gesetzt, weil er es am Nachmittag zuvor beim Räubern durch die Rabatten übertrieben hatte und ein Stein das Bodenblech des Polo übel verbog. Das dort verschraubte Kupplungspedal bog sich dabei so nach rechts, dass es die Bremse berührte, und so war der Vorsprung des Norwegers mit gebremstem Schaum auf runde 2 Sekunden zusammengeschmolzen.
Am Sonntag wird bei den Top-Leuten die Startreihenfolge umgedreht. Ogier hatte keinen Nachteil mehr als Straßenfeger und galt als großer Favorit auf den Sieg. Doch die erste Bestzeit ging knapp an Mikkelsen. Im Bemühen, noch ein Schippchen draufzulegen drehte sich der Weltmeister und verlor knapp 20 Sekunden. Die verbleibenden 3 Prüfungen waren mit ihren insgesamt 19 Kilometern zu kurz, um noch einmal anzugreifen.
Lappi holt WRC2-Titel
So ging der letzte und 42. Sieg eines VW Polo an Andreas Mikkelsen und Beifahrer Anders Jäger. „Ich bin so glücklich und so traurig zugleich“, bekundete der Sieger. „Andreas hat den Sieg verdient“, rapportierte der Weltmeister und streute seiner Mannschaft Blumen: „Diese 4 Jahre waren etwas ganz Besonderes, und dieses Team ist das Beste, das ich je erlebt habe.“
Zum Abschied kamen die Teams von Hyundai und M-Sport zum VW-Service, um den so oft unbesiegbaren Hannoveranern ihren Respekt zu zollen. Unter den Gratulanten war auch Skoda-Sportchef Michal Hrabanek. Dabei hatte der Tscheche in den schwermütigen Minuten seiner Markenkollegen selbst Grund zum Jubel. Sein Werksfahrer Esapekka Lappi hatte mangels namhafter Gegner Downunder in seinem Fabia R5 mühelos den Sieg in der WRC2-Kategorie erobert und damit auf der Ziellinie Landsmann Teemo Suninen den Titel in der zweiten WM-Liga abgeluchst.
In der Galerie haben wir die emotionalen Bilder vom VW-Abschied aus der Rallye-WM.