Die Positionen waren eigentlich bezogen. Sébastien Loeb führte nach dem vorletzten Service am Sonntagmittag mit rund zwei Minuten vor Teamkollege Mikko Hirvonen das Feld an, als er einen Kilometer nach dem Start der Prüfung Aghii Theodori das Rumpeln vernahm, das von einem Reifenschaden kündet. 18 Kilometer auf der Felge waren dem Tabellenführer zu riskant, und so stoppte er zum Wechsel. In 1:40 Minuten gelang der Rädertausch, was die Konkurrenz mit ehrfürchtigem Staunen zur Kenntnis nahm. "Wir üben das eigentlich nur einmal im Jahr, aber wir sind gut eingespielt", meinte Loeb mit Hinweis auf Copilot Daniel Elena im Ziel in Loutraki, wo er sich nicht nur zum vierten Mal in dieser Saison 25 Punkte für den Sieg einstrich, sondern auch die drei Extra-Zähler auf der Powerstage einkassierte. Den Doppelsieg machte Mikko Hirvonen komplett, der an diesem Wochenende nie einen richtigen Rhythmus kam und pflichtbewusst sicher ins Ziel fuhr.
Latvala kostet Reifenwechsel den Sieg
Abgesehen von der Schrecksekunde am letzten Nachmittag ließ sich Loeb bestens von den Angriffsversuchen der Konkurrenz unterhalten. Zunächst heizte ihm Jari-Matti Latvala im Ford Fiesta ein. Der Finne trat nach seinem Schlüsselbeinbruch im April mit einer zehn Zentimeter langen Titanplatte in der Schulter an, beklagte aber keinerlei Schmerzen am Steuer. Nach einem kleinen Ausrutscher verlor Latvala die Führung, robbte sich aber bis auf zwei Sekunden wieder an Loeb heran. Doch an einem Kurvenausgang zur Rallye-Halbzeit ließ er seinen Ford ein wenig zu weit nach außen tragen, der rechte Hinterreifen war sofort platt und hing nach einigen Kilometern in Fetzen, die wiederum die Bremse beschädigten. Der Finne musste wechseln, verlor über drei Minuten und damit die Rallye.
Mit einem bis in die Haarspitzen motivierten Petter Solberg hatte Ford ein zweites Eisen im Feuer. Solberg, der schon die Qualifikation am Donnerstag für sich entschieden hatte. Lag vor dem abschließenden Sonntag nur 10,2 Sekunden hinter Loeb und kündigte vollmundig an, er werde sich den Elsässer schon schnappen.
Doch noch vor dem Ende der ersten Prüfung am Sonntag war Solberg ausgeschieden. Nach einem Fahrfehler fehlte ein Rad am Fiesta. Bester Ford-Fahrer war am Ende doch noch Latvala als Drittplatzierter. Die Position des besten Nicht-Werksfahrers holte sich einmal mehr der Norweger Mads Östberg mit seinem Ford, weil der zeitweilig schnellere Marken-Kollege Evgenj Novikov am Samstag von einer defekten Wasserpumpe gebremst wurde.
Ein überhitzer Motor stoppte den Andreas Mikkelsen im Skoda Fabia des VW-Werksteams. Ein abgerissenes Rad am Sonntag beendete die Fahrt des Nachwuchs-Mannes endgültig, und so holte wieder einmal Sébastien Ogier die Kohlen aus dem Feuer. Der Vorjahres-Gesamtsieger lief nach problemloser Fahrt mit dem unterlegenen Super-2000-Skoda auf Rang sieben ein und erntete auf den Prüfungen die Ovationen der Fans und im Ziel die Glückwünsche des neuen Sportchefs Jost Capito.
Nebenan bei Ford übte man sich derweil wieder einmal in positivem Denken. "Unser Auto ist überall siegfähig", sagt Teamchef Malcolm Wilson trotzig. "Wir müssen jetzt dranbleiben." Die nächste Rallye ist Ende Juni in Neuseeland. Immerhin liegen dort keine Steine am Straßenrand, die Reifen aufschlitzen.