Porsche schafft Le Mans-Hattrick: Emotionale Achterbahnfahrt

Porsche schafft Le Mans-Hattrick
Emotionale Achterbahnfahrt

Veröffentlicht am 19.06.2017

Es waren Minuten des Respekts. Minuten, die das berühmte 24h-Rennen von Le Mans charakterisieren, das nun schon 85 Ausgaben alt ist. Porsche-LMP1-Leiter Fritz Enzinger brachte die Verlierer mit in die Team-Hospitality. Die Verantwortlichen der Le Mans-Projekte von Porsche und Toyota umarmten sich. Sie tranken zusammen ein Bier oder ein Glas Rotwein. Sie standen Arm in Arm zusammen und lächelten für Fotos. Porsche tröstete. Toyota gratulierte. Die Zeugen applaudierten.

Toyota übt Selbstkritik

Le Mans meint es gut mit Porsche und schlecht mit Toyota. Der Sportwagenhersteller aus Zuffenhausen räumte zum 19. Mal den großen Pokal ab. Keiner hat mehr Titel an der Sarthe eingefahren. Die Nummer 2 beim Traditionsrennen über 24 Stunden ist Audi mit 13 Titeln. Toyota hingegen versuchte sich zum 19. Mal am Langstreckenmonster. Und reiste zum 19. Mal als Verlierer ab.

Porsche 919 Hybrid - Startnummer #2 - 24h-Rennen Le Mans 2017 - Sonntag - 18.6.2017
Porsche

Die Japaner übten Selbstkritik. „Wir haben noch keinen Trick gefunden, Le Mans zu überlisten“, meinte Toyota-Motorsport-Teamdirektor Rob Leupen. Toyota-Präsident Akio Toyoda legte die Zurückhaltung ab: „Ich habe unseren Fahrern gesagt, sie können Vollgas geben. Sie sollten das Rennen genießen. Weil sie uns und dem Auto vertrauen können. Ich kann mich nur bei ihnen entschuldigen. Unsere Technik hält sechs Stunden durch, aber keine 24.“ Gemeint ist: Wir können die sechs Stunden langen Rennen der WEC gewinnen. Aber eben nicht Le Mans.

Le Mans schlägt zu

Porsche trat in Unterzahl an. Zwei gegen drei Autos. Das ist in Le Mans wie in einem Fußballspiel über 90 Minuten mit 10 gegen 11 Mann. Nach dem Motto: Ein Auto ereilt ein Defekt, das andere verunfallt womöglich, aber das dritte kommt durch. Bei Toyota erwischte es alle drei. Auch die 919 Hybrid LMP1-Raketen wurden von Defekten heimgesucht. Deshalb sprach Enzinger im Nachgang von einem noch aufreibenderen Rennen als 2016. Damals war Toyota 3 Minuten vor Schluss ausgerollt und hatte Porsche den Sieg überreicht.

„2016 hatten wir uns mit dem zweiten Platz schon abgefunden. Der Sieg kam völlig unerwartet“, sagt der Österreicher. „Dieses Jahr war es noch emotionaler. Erst der Defekt, der dich eigentlich aus dem Rennen um den Gesamtsieg reißt. Später das andere Auto mit 11 Runden in Führung. Dann der Motorschaden. Und am Ende gewinnt unser Auto, das eigentlich schon verloren hatte.“

Porsche 919 Hybrid - Startnummer #2 - 24h-Rennen Le Mans 2017 - Qualifying
Porsche

Dieses 24h-Rennen von Le Mans verlief für Porsche in großen Wellenbewegungen. Mit Hochs und Tiefs. Mit Ups and Downs, wie der Engländer sagt. Nach dreieinhalb Stunden oder 59 Minuten versagte am Porsche 919 Hybrid mit der Startnummer 2 der Elektromotor an der Vorderachse. „Wir sind vier 30-Stunden-Tests gefahren. Vier Mal 6.500 Kilometer. Nie kam dieser Defekt vor. Du hast das Gefühl, alles für Le Mans adressiert zu haben. Plötzlich passiert doch wieder was“, erzählt Enzinger.

Porsche tauscht nur Elektromotor

Porsche vermutete den Umrichter als Übeltäter. Und lag damit wohl goldrichtig. Die Mechaniker tauschten in einer Stunde die E-Maschine an der Vorderachse aus. „Unsere fünf Systemingenieure haben die Daten abgeklopft. Es entstand ein Diskurs aus dem nach 5 Minuten die Entscheidung hervorging, nur den E-Motor zu tauschen. 10 Minuten mehr und es hätte nicht mehr für den späteren Sieg gereicht“, meint Porsches LMP1-Leiter.

Toyota ereilte eine ähnliche Panne. Die Japaner entschieden sich dazu, neben dem Vorderachs-Kers auch noch die Batterie, die Aufhängungen und Bremsen zu tauschen. Weil alle Komponenten zu einem Kreislauf gehören. Die Reparatur kostete über 2 Stunden. Und sorgte schlussendlich dafür, dass der 8er Toyota im Gegensatz zum 2er Porsche nicht mehr an allen LMP2-Autos vorbeikam.

Porsche 919 Hybrid (Startnummer 2) beim 24h-Rennen Le Mans 2017
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Der 919 Hybrid mit der Startnummer 2 war eigentlich trotzdem aus dem Rennen. „Unsere Prognose sagte den vierten oder fünften Platz voraus.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten noch das Schwesterauto und die beiden Toyota mit der 7 und 9 die vordersten Positionen belegt.

Nachdem beide Toyotas eliminiert waren, sah das Trio André Lotterer, Neel Jani und Nick Tandy wie der sichere Sieger aus. Die Verfolger aus dem LMP2-Feld waren keine echten Verfolger. Sondern Autos, die um zehn bis 15 Sekunden pro Runde verloren. Drei Stunden und 50 Minuten vor Schluss schien Porsche der dritte 24-Stunden-Sieg in Serie aber zu entgleiten. Lotterer stoppte auf der Strecke. „Ein klassischer Motorschaden“, gestand Enzinger, obwohl kein Rauch zu sehen war. Es hätte also auch nichts gebracht, wenn der Duisburger im 919 Hybrid rein mit dem Elektromotor an die Box zurück gehumpelt wäre. Der Wechsel des V4-Turbos hätte Minimum zwei Stunden verschlungen.

Comeback des 2er Porsches

Aber Porsche hatte ja noch Earl Bamber, Brendon Hartley und Timo Bernhard im Rennen. Und das Trio schnupfte gut eine Stunde vor Zieldurchfahrt den letzten LMP2-Dino auf. Eine Aufholjagd, wie sie nur Le Mans schreiben kann. Trotzdem zitterte man in der Porsche-Garage weiter. „Ich habe die letzten 30 Minuten gelitten wie ein Hund. Eigentlich ist eine halbe Stunde ja keine lange Zeit. Aber wir wussten ja alle, was im Vorjahr passiert war“, berichtete Enzinger.

Beinahe wären die LMP1-Technokraten von den LMP2-Oldschool-Rennwagen mit Vierliter-V8 und Einheitselektronik geschlagen worden. Das wäre einem Sieg des alten Nokia 3310 gegenüber dem iPhone 7 gleichgekommen. „Das hätte uns alle sehr schlecht aussehen lassen und wäre nicht gut für die Serie gewesen.“ Wie erklärt sich Enzinger die vielen Pannen bei Porsche und Toyota? Einfache Antwort: „Wir haben uns beide ans Limit getrieben.“ Kommt Porsche 2018 wieder? „Wir stehen bis dahin in der Pflicht.“ Bedeutet: Der Vertrag sagt ja. Und der Vorstand?