Nordschleifen-Rennlizenz: Lizenz zum Weglaufen?

Nordschleifen-Rennlizenz
Lizenz zum Weglaufen?

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Veröffentlicht am 05.05.2016
VLN  - 2. Lauf - Nürburgring-Nordschleife - 30. April 2016
Foto: Stefan Baldauf

Zwei Herzen pochen beim Thema Nordschleifen-Permit in meiner Brust: Einerseits bin ich Motorsportjournalist und habe bei jedem Streitthema Fakten und Argumente abzuwägen. Andererseits bin ich selbst Hobby-Rennfahrer mit bescheidenen Fähigkeiten, dafür mit nahezu grenzenloser Begeisterung für die Nordschleife. Ich habe selbst ein gutes Dutzend 24h-Rennen als Pilot bestritten und bin somit in Sachen Nordschleife oftmals mehr Fan denn Journalist. Als verstandesgetriebener Journalist kann ich die Argumente nachvollziehen, warum eine gesonderte Lizenz für Rennen auf der Nordschleife benötigt wird: Die Code-60-Regelung ist anders (und für 2016 noch mal wieder anders) als im restlichen weltweiten Motorsport, eigentlich ist die ganze Strecke anders, und daher macht eine gewisse Schulung Sinn.

Mein Punkt ist ein anderer: Man hat hohe bürokratische Zugangshürden aufgebaut, um sicherzustellen, dass die Fahrer besser geschult und vorbereitet sind, doch immer weniger Piloten interessieren sich noch dafür! Viele Routiniers sagen: Ich drücke nach zehn 24h- Rennen nicht noch mal die Schulbank. Andere werden schon dadurch abgeschreckt, dass sie sich erst mal durch mehrseitige Anweisungen durchkämpfen müssen, nur um festzustellen, dass sie auch noch Nachweiskarten für bestrittene Rennen ausfüllen, eine zusätzliche Lizenz beantragen, eine E-Learning-Prüfung ablegen und notfalls noch einen Lehrgang belegen müssen. Dass das neben Zeit auch viel Geld und Nerven kostet, sei nicht weiter diskutiert.

Das Permit verprellt die Kunden

Das ist ungefähr so, als würde das Urlaubsziel Mallorca eine lange Latte von Einreisebestimmungen samt Visumpflicht einführen – die Leute würden dann vermutlich in Zukunft ein fach woanders hinfliegen. Jedoch ist Mallorca eine höchst populäre Destination, während die Anziehungskraft des Motorsports auch auf der Aktivenseite eher im Schwinden begriffen ist, um es mal vorsichtig zu formulieren. Der Motorsport muss für jeden Aktiven dankbar sein, den er hat. Die Aktiven sind die Kunden im Rennsport, und sie werden davonlaufen, wenn sie es nicht schon tun. Hier als Beispiel die Starterzahlen der letzten drei 24h-Rennen: 173, 165, 151. Das sind keine Ausreißer, das ist ein glasklarer Trend. Auch die VLN schrumpft deutlich und hat viele Teilnehmer an die Breitensportserien wie RCN und GLP verloren, wo man ebenfalls auf der Nordschleife fahren kann – aber ohne Permit und für einen Bruchteil der Kosten.

Das beste Beispiel lieferte der 24h-Event 2015: Dort konnten nur 151 Autos mit startwilligen Fahrern besetzt werden. Im Rahmenprogramm fuhr die RCN – mit über 210 Nennungen! Noch Fragen? Die Fahrer stimmen mit den Füßen ab, und ich behaupte: Dieses Problem wird sich 2016 verschärfen. Warum ich mit dem Thema jetzt um die Ecke komme? Weil mich viele ehemalige Mitstreiter gebeten haben, die Sache aufzugreifen. Ich kenne aus den 24h-Rennen gut zwei Dutzend Geschäftsleute, die alle nicht mehr fahren. So, wie die Jungs heute im Geschäftsleben durchgetaktet sind, haben sie weder Zeit noch Lust, erst Papiere zu wälzen, bevor sie wissen, was sie tun müssen. "Ich habe das DMSB-Papier nach zehn Zeilen zerknüllt und in den Mülleimer geworfen", erzählt ein Betroffener.

Urlaub statt Rennschleife

"In Zukunft fliege ich mit meiner Familie in den Urlaub, anstatt Rennen auf der Nordschleife zu fahren." Das ist kein Einzelfall, sondern leider wieder ein Trend. "Die Veranstalter interessieren sich bloß noch für die Werke, aber nicht mehr für die Privatiers" – das ist der nächste Satz, den man bei diesen Diskussionen sofort aufgetischt bekommt. Für mich steht die Zukunft des Rennsports auf der Nordschleife auf dem Spiel. Die Kunden laufen weg, trotz der besten Rennstrecke der Welt – ein sehr alarmierender Trend!