Reisen bildet. Wer glaubt, die Deutschen seien unbestrittene Weltmeister in Sachen Mülltrennung und umweltgerechter Entsorgung, war noch nie bei der Dakar-Rallye. Ausgerechnet bei dieser immer noch sehr französisch geprägten Veranstaltung gelten höchste Standards in puncto Recycling und Reinlichkeit. Essensreste wandern zum Beispiel in den Biomüll und auch die gelbe Abfalltonne ist eine Selbstverständlichkeit. Über die Einhaltung dieser Biwak-Regularien wachen zwei eigens dafür abgestellte Mitarbeiter. Wer irrtümlich versucht, eine Bananenschale im grünen Sack für anorganischen Abfall zu entsorgen, muss mit einer schroffen Rüge rechnen.
Viel schlimmer aber trifft es Rallyefahrer, die es wagen, einen platten Reifen einfach mitten in der Wüste zu "vergessen". Auf diese Art der unbürokratischen Entsorgung stehen nämlich drakonische Sanktionen. "Da hagelt es saftige Strafen", sagt Marco Pastorino, der Teammanager des X-Raid-Mini-Teams. "Und im ungünstigsten Fall kann sogar die Disqualifikation drohen. Denn die Homologation der Prototypen beinhaltet zwei Ersatzräder. Wer mit weniger als zwei Ersatzrädern ins Ziel kommt, hat jedenfalls ein ernstes Problem." Dies heißt für die Fahrer: Ein platter Reifen muss unter allen Umständen wieder eingeladen werden, selbst wenn auch die Felge rettungslos zerdeppert ist.
Roma bemerkt Plattfuß erst spät
Für Nani Roma, der einen der favorisierten Mini Countryman-Prototypen fährt, hatte diese Regel schon auf der zweiten Wertungsprüfung der Rallye sehr unangenehme Konsequenzen, nämlich einen Zeitverlust von fast einer halben Stunde. Der Spanier hatte einen Platten. "Es hat wohl ziemlich lange bis gemerkt habe, dass der Reifen hinten links keine Luft mehr hatte", berichtete Roma. "Das lag daran, dass wir nicht mehr wie früher das Drucküberwachungs-System verwenden dürfen."
Aber dann ging Romas Pechsträhne erst richtig los. "Zunächst mal hat es schon eine halbe Ewigkeit gedauert, bis wir den zerfetzten Reifen in der Halterung halbwegs fest verzurrt hatten" sagte Roma. "Das war alles andere als einfach, weil sich Reifen praktisch nicht mehr vorhanden war. Und wenn man mehr oder weniger nur die Felge verstaut, ist die Halterung natürlich viel zu groß."
Peterhansel enteilt an der Spitze
Zunächst aber machten sich Roma und Beifahrer Michel Perin wieder auf den Weg. Nur um 60 Kilometer später wieder eine üble Überraschung zu erleben. "Im Heck des Autos hat es plötzlich fürchterlich gepoltert. Also mussten wir wieder anhalten und den Reifen erneut mit Ratschen festschallen. Aber was willst du machen? Wenn sich das Ding da hinten selbstständig macht, schlägt es alles kurz und klein." Bis alles ordnungsgemäß befestigt war, hatte sich eine Verspätung von mehr als 25 Minuten auf die Bestzeit des Teamkollegen Stéphane Peterhansel aufgestaut.
Teamchef Sven Quandt freute sich zwar über die Führung für den Franzosen. Gleichermaßen aber ärgerte sich über diese eigentlich unnötige Verspätung seines spanischen Fahrers: "In gewisser Weise ist eine Regeländerung dafür verantwortlich. Denn neuerdings ist es verboten, in den allradgetriebenen Prototypen ein Luftdruck-Überwachungssystem zu verwenden. Und so merken die Fahrer im Gelände manchmal erst dann dass sie einen Platten haben, wenn vom Reifen nur noch Fetzen übrig sind. Und daraus wiederum ergeben sich dann solche Probleme, wie sie Nani heute hatte."
Die besten Bilder von den ersten Dakar-Kilometern gibt es in der Galerie.