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Mexiko im Offroad-Prototyp
Wie aus einer anderen Welt

Auf den Spuren des legendären Wüstenrennens Baja 1.000: In einem skurrilen Prototyp mit 400 PS erkundeten wir die wilden Pisten der mexikanischen Halbinsel Baja California. Ein wahrer Abenteuer-Trip in einem abenteuerlichen Vehikel.

Baja California, Prerunner , Wüstensand
Foto: Art Eugenio

Flirrende Mittagshitze hängt über der Straße, die schnurgerade durch die Wüste führt. Kein Mensch weit und breit. Und nicht mal die Geier und die Klapperschlangen lassen sich heute im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko blicken.

Am Horizont taucht ein provisorisches Blechdach auf. Sandfarben, so wie die Wüste ringsum. "Ein Checkpoint", sagt Armin Schwarz. "Keine Angst, die Soldaten interessieren sich nur für illegale Waffen und für Drogen." Ein junger Infanterist in sandfarbener Tarnuniform gibt unmissverständliche Zeichen: Stopp! Aussteigen! Die MP baumelt quer vor seiner Brust. Erst inspiziert er das Auto der Gringos. Lange braucht er nicht dafür, vielleicht eine Minute. Dann verzieht er das Gesicht zu einem etwas schüchternen Lächeln: "Vale! Alles in Ordnung. Einen schönen Tag noch."

Unsere Highlights

Prerunner mit V8-Saugmotor

Bestens. Wir kraxeln wieder in unser Vehikel und fragen uns, was wohl passiert wäre, wenn wir in Deutschland in eine Verkehrskontrolle geraten wären. Einhellige Meinung: "Bestimmt hätte man uns sofort verhaftet. Im günstigeren Falle hätten wir zu Fuß weitergehen müssen. Unser fahrbarer Untersatz wäre aber auf jeden Fall sofort beschlagnahmt worden. Es hat ja schließlich nicht mal ein Kennzeichen. Dafür röhrt der V8-Saugmotor wie ein Rudel liebestoller Hirsche.

Das Auto der fidelen Gringo-Partie gehört zur Gattung der Prerunner: Damit bezeichnet man in der US-amerikanischen Wüstenrennszene die Trainingsautos für die ebenso traditionsreichen wie berühmt-berüchtigten Wüstenrennen, zum Beispiel das Baja 500 oder das Baja 100, so benannt nach dem Schauplatz der Spektakel, der an Kalifornien angrenzenden mexikanischen Halbinsel Baja California. Anders als etwa bei der Dakar-Rallye, kann der Rennkurs für die Baja-Rennen trainiert werden. Fast alle der rund 500 Baja-Crews nutzen diese Möglichkeit auch sehr rege.

Optisch erinnern Prerunner an jene martialischen Gefährte, mit denen der vom australischen Nussknacker Mel Gibson verkörperte Kinoheld Mad Max mitsamt seinen Kombattanten in den achtziger Jahren über die Kinoleinwände knatterte. Automobilhistorisch Interessierte denken beim Anblick eines Prerunners bestimmt sofort an einen Rennwagen namens Heuschrecke, mit dem der Konstrukteur Hans Grade in den zwanziger Jahren Aufsehen erregt hatte.

Chassis gleicht einem Bootsrumpf

Form follows function. Im Fokus stehen bei einem Prerunner vor allem zwei Dinge: eine robuste Konstruktion und enorm viel Federweg. Das Chassis gleicht einem Bootsrumpf, aus dem tentakelgleich vier robuste Radaufhängungen wachsen. Der Motor, ein großvolumiger, rund 400 PS starker V8-Sauger, wohnt weit hinter der Hinterachse. Die hecklastige Gewichtsverteilung ist günstig für die Traktion.

Vier Personen finden im Desert-Dynamics-Prerunner bequem Platz. Rennsitze, ein massiver Überrollkäfig sowie extrabreite Fünfpunktgurte sind Standard. Um angenehme Klimatisierung braucht man sich selbst bei 35 Grad im Schatten keine Gedanken zu machen. Es gibt nämlich keine Scheiben. Dies bürgt für ein unvergleichliches Frischlufterlebnis. Zünftige Skibrillen dienen als Schutz gegen den tosenden Fahrtwind. Eine Gegensprechanlage wie im Militärhubschrauber sorgt für reibungslose Kommunikation und warme Ohren. Falls Unrat ins Auto fliegt - Gestrüpp zum Beispiel oder ein Büschel Kamelgras -, ist das kein Problem: Man wirft den Krempel postwendend einfach wieder raus und muss dazu nicht mal die Scheibe herunterkurbeln. Sehr praktisch.

Einen Helm aufzusetzen gilt im Prerunner als verfehlt und memmenhaft. Schließlich reist man ja durch die Wüste, und es wird nicht gerast. Wobei der Begriff "Reisetempo" durchaus interpretationsbedürftig ist. Die Digitalanzeige auf dem mittig platzierten riesigen Display der Navigation pendelt meistens zwischen 30 und 50 Meilen pro Stunde. Aber nicht auf dem asphaltierten Highway, sondern auch auf den übelsten Rumpelpisten, die Mexiko zu bieten hat.

Prerunner nimmt Schlaglöcher mit halbem Meter Tiefe kaum wahr

Abseits der wenigen Asphaltstraßen ist der Straßenbau auf der extrem dünn besiedelten mexikanischen Halbinsel eher simpel: Es reicht, wenn ein Planierraupen-Monster die gröbsten Hindernisse auf die Seite schiebt. Schlaglöcher mit einer Tiefe von weniger als 50 Zentimetern werden von alten Baja-Kämpen kaum wahrgenommen. Der Erwähnung wert sind höchstens fest im Boden verankerte Steine. "Da kannst dir schon mal a Radel abreißen", erklärt Rallye-Profi Armin Schwarz, der vom Beifahrersitz aus coacht - mit enorm viel Sachverstand und noch mehr Geduld übrigens.

Fast 500 Kilometer in oft gröbstem Gelände misst die Strecke, die Schwarz und sein Beifahrer Bryan Little für die zweitägige Tour ausgearbeitet haben. Von der Millionenstadt Ensenada geht es auf der Original-Rennstrecke der Baja 1.000 schnurstracks in die gebirgige Wüste. Highlights sind der Goat Trail im Valle Trinidad, eine verblockte Passage, die auch in einem Prerunner nur im Zeitlupentempo gefahren werden kann, oder das Diavolo Dry Lake Bed. Hier, auf der brettebenen Piste, klettert der Tacho auf 80 Meilen, rund 130 km/h. Die Staubfahne hinter dem Auto ist 100 Meter lang.

Am Abend steht noch eine besondere Gemeinheit an, der Aufstig zu Mike’s Sky Rancho, und zwar von der Hinterseite her. Trotz des gewaltigen Federwegs von 50 Zentimetern, also mehr als doppelt so viel wie bei einem normalen 4WD-Auto, holpert der Prerunner so derb, dass selbst hartgesottene Piloten die Kilometer bis zum nächtlichen Rastplatz zählen und sich fragen, ob Magen, Leber, Milz und Galle infolge der stundenlangen Schüttelei nicht inzwischen die Plätze getauscht haben.

Über Hindernisse statt drum herum

"Auf der Baja muss man die europäische Fahrweise ablegen", rät Schwarz. "Das heißt: In der Regel fährt man über Hindernisse einfach drüber statt drum herum." Sonst komme man ja gar nicht vorwärts. Außerdem: 200 Offroad-Kilometer an einem Tag, das ist nicht viel. "Mein Non-Stop-Turn beim Rennen ist viermal so lang."

Mike’s Sky Rancho ist seit mehr als 40 Jahren eine urige Baja-Institution - und die einzige Möglichkeit zum Übernachten in 100 Meilen Umkreis, mit Zimmern im Hostel-Stil, aber einer bestens bestückten Bar. Wände und Decke sind vollgepinnt mit Aufklebern und Visitenkarten. Zu den Souvenirs gehören auch einige BHs sowie drei, vier Spitzen-Slips und Sinnsprüche im Gästebuch wie der: "Hier starb ein Teil meiner Seele. Und der größte Teil meiner Leber."

1.300 Meter über dem Meer ist es morgens recht frisch. Der V8 blubbert sich warm. Motocrossjacken übergezogen, und weiter geht es. In der Sierra Santa Rosa windet sich die Piste um riesige Findlinge, monumentale Felsen, groß wie Einfamilienhäuser. Es sieht aus, als hätten Riesen eine Partie Boccia gespielt. Und dann tauchen gigantische Kakteen auf, mehr als zehn Meter hoch und angeblich Tausende von Jahren alt.

Aufpassen auf den extrem feinen Sand

Schwarz erklärt die wichtigsten Fachbegriffe der Baja-Rennen: "Silt, das ist extrem feiner Sand. Wenn man da durchmuss, darf man auf keinen Fall stehen bleiben. Da kommt man nie wieder raus", sagt er. "Und wenn die Silt-Wolke übers Auto geht, wird’s dunkel im Cockpit." Das zweite Schlüsselwort lautet: "Boobie Trap". Dabei handelt es sich um Baumstämme, die von sensationslüsternen Fans quer zur Fahrrichtung gelegt werden, fies getarnt durch aufgeschaufelten Sand. Wer hier mit Full Speed drübernagelt, wird schnell erfahren, was es mit dem sogenannten "G-out" auf sich hat: "Der Begriff leitete sich ab von G-Kraft", sagt Schwarz. "Bei einem G-out geht die Federung auf Block, und man wird unkontrolliert hochkatapultiert. Sehr gefährlich."

"Aber keine Angst", beruhigt Schwarz. "Wir trödeln heute ja bloß herum. Wo wir jetzt mit dem Prerunner mit vielleicht 100 Sachen fahren, habe ich beim Rennen mehr als 200 km/h drauf." Sein Rennauto, ein vom kalifornischen Team All German Motorsports (AGM) gebauter und eingesetzter Trophy-Truck, hat allerdings Federwege von einem Meter, und der NASCAR-V8 nimmt die Hinterräder mit knapp 800 PS in die Mangel.

Prerunner mit Rennauto-Genen

Wie schnell ist man wirklich in einem Prerunner, wenn ein Profi hinter dem Steuer sitzt und wenn’s pressiert? "Ein spitzenmäßiger Trophy-Truck schafft die Baja-Rennen normalerweise mit einem Schnitt von 58 bis 62 Meilen pro Stunde", erläutert Martin Christensen, der Chef von AGM.

"Class-1-Buggys, die ja von der Konstruktion her gar nicht so viel anders sind als meine beiden Prerunner, erreichen einen Schnitt von 54 bis 58 Meilen. Zum Vergleich: Die auf VW Käfer basierenden Class-11-Buggies kommen trotz gravierender Umbauten, vor allem am Fahrwerk, auf höchstens 20 Meilen."  Mit einem serienmäßigen Prerunner könne man 45 bis 50 Meilen pro Stunde schaffen, meint der Chef von All German Motorsports. "Zumindest dann, wenn ein Bursche drin sitzt, der es ernst meint und der wirklich am Limit fährt."

Baja California

Was Mallorca für Deutsche ist, das ist die Baja California für viele US-Bürger. Südlich der Grenze kann man vortrefflich ausschweifende Partys feiern. Für Offroader ist die 1.300 Kilometer lange mexikanische Halbinsel ein Tummelplatz der Extraklasse. An schwierigem Gelände herrscht kein Mangel, und mit der StVZO nehmen es die lokalen Behörden nicht so genau.

Wüste für Selbstfahrer

Wollen Sie diese wüste Tour selbst fahren? Oder trauen Sie sich sogar zu, als Fahrer oder Beifahrer an einem Wüstenrennen teilzunehmen? Das Team des dänischstämmigen Martin Christensen, All German Motorsports, kann solche Wünsche erfüllen. Die Preise starten bei rund 2.800 Euro (pro Person, ohne Flug nach San Diego) für eine viertägige geführte Tour durch den Norden der Baja California (davon zwei Tage und knapp 500 Kilometer im 400 PS starken Prerunner, abwechselnd als Fahrer und als Copilot).

Armin Schwarz setzt bei den Gästen drei Dinge voraus: "Erstens einen stabilen Magen, zweitens vernünftige allgemeine Fitness und drittens, das ist das Wichtigste: Die Leute müssen zuhören und befolgen, was der Instruktor sagt." Erfahrene Rallye-Cracks können bei AGM auch einen konkurrenzfähigen Class-1-Buggy mieten, der mit etwas Glück gut genug ist für eine Top-20-Platzierung. Wer die 1.000 Meilen der Baja 1000 fahren will, sollte bereit sein, rund 70.000 Euro zu investieren. Kontakt und weitere Infos unter: info@armin-schwarz.com

Technik: Extrem robust und stark

Prerunner sind reine Prototypen, die auf einem sehr stabilen Gitterrohrrahmen aufbauen. Als Hersteller haben sich Jimco und Desert Dynamics einen Namen gemacht. Echte "Beauties" sind diese Heckmotor-Autos eher nicht, dafür sind sie unschlagbar praktisch im Gelände: Obwohl sie nur über Heckantrieb verfügen, sind die knapp 1.800 Kilo schweren und mehr als fünf Meter langen Heavy-Duty-Autos im Gelände fast nicht zu stoppen. Reichlich Motorleistung - 350 PS gelten als Minimum - und riesige Räder mit einem Durchmesser von 85 Zentimetern garantieren gutes Vorwärtskommen. Der Neupreis liegt je nach Ausstattung zwischen 150.000 und 200.000 Dollar. Gute gebrauchte Prerunner gibt es ab etwa 65.000 Dollar.

Die aktuelle Ausgabe
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Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten