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Mercedes 190 E 2.3-16 und DTM C-Coupé
Zwei DTM-Renner vom gleichen Stern

Exklusiver Tracktest: auto motor und sport fuhr den Mercedes 190 E 2.3-16 von 1988 und das aktuelle C-Coupé auf dem Norisring - passend zum 25-jährigen DTM-Jubiläum der Stuttgarter.

Mercedes 190 E 2.3-16, Mercedes AMG C-Coupé, Frontansicht
Foto: Wolfgang Wilhelm

Als Mercedes 1988 in der DTM loslegte, konnte man auch als Amateur noch ganz vorne mitmischen. Roland Asch kaufte seinen Mercedes 190 E 2.3 heimlich für rund 80.000 Mark. "Meine Frau wusste nichts davon", verrät der Schwabe. Bereut hat er es nicht: "Es war mein tollstes Motorsport-Jahr." Nach einigen guten Platzierungen reichte es vor 25 Jahren zur Vize-Meisterschaft.

Der Rennfahrer Asch reiste mit Ford Granada, Rennauto, Hänger und Zelt durch die Saison. Am Nürburgring fragte Mercedes-Chef Werner Niefer: "Herr Asch, wo ist Ihr Lastwagen?" Da zeigte Asch auf seinen Hänger. Und Niefer bestellte seinen Rennfahrer am Montag nach Reutlingen: "Dort holen Sie sich einen ordentlichen Lastwagen von uns ab."

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300 PS und viele Serienteile im DTM 190 E

Die Renner von einst waren Tourenwagen mit Serienkarosserien und aufgemotzten Motoren. Der 2,3-Liter-Vierzylinder leistete immerhin schon 300 PS. Die Sicherheitsausrüstung beschränkte sich seinerzeit auf den Überrollkäfig und Sechspunkt-Gurte. Das Cockpit war ausgeräumt, aber es erinnerte noch vieles an die Serie. Beispielsweise das Armaturenbrett. Nur die Innereien wie Drehzahlmesser, Sicherungen und Schalter waren auf den Renneinsatz abgestimmt. Auch die mit Karostoff bespannten Türverkleidungen entstammen der Serie. Sogar Fensterkurbeln gab es damals noch.

Trotz des Sicherheitskäfigs lässt sich der Merceds 190 einfach besteigen. Man sitzt aufrecht hinter dem Volant und hat eine gute Übersicht - wie in der Serie eben. Allein die winzigen Außenspiegel irritieren. Aber nach hinten wollen sich Rennfahrer ohnehin nicht orientieren.

Rechts am Armaturenbrett sitzt der Zugschalter für die Zündung, daneben der Starterknopf. Der Vierzylinder meldet sich artig zum Dienst. Asch: "Der hat unten herum keine Kraft, der braucht Drehzahl." Unter 6.000 Touren geht wirklich nichts. Und bei 8.500 Umdrehungen ist Schluss. Der erste Gang des Fünfganggetriebes liegt hinten - und man muss hier sauber schalten. Asch: "Wir hatten noch ein Schaltgestänge aus der Serie. Das funktioniert etwas hakelig."

Das Getriebe ist am Norisring in Nürnberg kein wirkliches Problem. Schon beim Anbremsen der Grundig-Kehre, die mit 50 km/h genommen wird, braucht man bei den innenbelüfteten Stahlscheiben brachiale Kraft im Bremsfuß. Und beim Einlenken wird klar, dass die DTM-Fahrer von einst ganze Kerle waren. Die Lenkung hat keine Servounterstützung. Das ist harte Arbeit.

Der betagte Mercedes will um die Biegung gezwungen werden. Noch eines wird schnell klar. Mit der aktuellen, extrem langen Übersetzung hätte man 1988 am Norisring, als Asch Zweiter wurde, keinen Blumentopf gewonnen. Der Vierzylinder fällt ins Drehzahlloch. Wie gesagt, unter 6.000 Touren ist nicht viel los. Asch: "Damals wurde aber im Gegensatz zu heute fliegend gestartet."

Im Mercedes 190 E, schmal und hochbeinig, hat der Pilot auch mit heftigen Karosseriebewegungen zu kämpfen. Ein Fossil aus der Urzeit? Nein, schon damals wurde mit allen Tricks gearbeitet. Beispielsweise auf der Avus. Da senkte Asch seinen 190er auf den langen Geraden hydraulisch um drei Zentimeter ab. Vor den Spitzkehren musste der Pilot das Auto mit einem Hebel allerdings wieder nach oben pumpen. "Sonst hätte ich die Räder in den kleinen Radhäusern nicht weit genug einschlagen können."

Vom Whiskey-Schrauber zum Hightech-Renner

Mit einem Mercedes in der DTM zu fahren war 1988 etwas für Idealisten. Asch hatte eine kleine Truppe von Hobby-Schraubern, die halfen: Sie nannten sich HWRT-Team, was für "Hohenloher Whiskey Racing Team" stand. Asch war 1988 bereits offizieller Mercedes-Testpilot. Als die Einsätze ernster und erfolgreicher wurden, fragte Mercedes an, ob man nicht das "Whiskey" aus dem Namen streichen könnte.

2013 ist alles anders. Die Autos werden längst zentral bei HWA im schwäbischen Affalterbach entwickelt, aufgebaut und von Teams eingesetzt. Alles ist bis ins Detail geregelt. Das Reglement ist mittlerweile auf absolute Kosten-Effizienz getrimmt: Im Vergleich zu 1988 ist das Budget aber immer noch recht happig.

Die absolute Hightech-Phase aber erlebte die DTM 1996. Da gab es zum Beispiel variable Stabi-Einstellungen und variable Aerodynamik (Stichwort: Kühler-Jalousie), und dies alles exakt automatisch auf die Streckenführung abgestimmt. Zudem baute man extrem leichte Autos.

Die restlichen Kilos zum zulässigen Gesamtgewicht waren der große Trick: Man verschob den bis zu 80 Kilogramm schweren Bleiballast binnen einer halben Sekunde um bis zu 40 Zentimeter in Längsrichtung. So hatte man ihn beim Kurvenfahren - ganz vorne - und beim Beschleunigen - ganz hinten - immer an der optimalen Stelle. Eine aufwendige und teure Lösung, die aber nicht immer funktionierte: "Ich habe ab und zu etwas anderes erlebt, als die programmiert haben", plaudert DTM-Champion Bernd Schneider heute aus dem Nähkästchen. "Manchmal haben die auch einfach Stecker vertauscht."

Die technischen Auswüchse von 1996 sind längst Historie. Beim aktuellen Reglement hat man das Budget fest im Blick. 160.000 Euro kosten die Gleichteile - wie beispielsweise das Kohlefaser-Monocoque oder das Getriebe. Rund 200.000 Euro werden für den Achtzylinder verrechnet. Insgesamt dürfte der Materialwert eines DTM-Autos heute bei 600.000 bis 700.000 Euro liegen. Man reist natürlich nicht mehr mit Hänger und Zelt, sondern mit einer Lastwagen-Armada. Statt Zelten stehen heute zweistöckige Glaspaläste für die Bewirtung von VIP-Gästen bereit.

Im DTM C-Coupé sitzt man tief und weit hinten

Und die Autos? Sie haben in allen Belangen dramatisch zugelegt - bei der Sicherheit, der Performance, beim Speed. Die Fahrertür des aktuellen Mercedes DTM C-Coupé ist so leicht, dass sie beim Öffnen fast aus den Angeln fällt. Der superbreite Schweller erfordert einiges an Gelenkigkeit: Rechter Fuß im breiten Ausfallschritt im Cockpit platziert, dann den Oberkörper eingeklappt, rein ins Innere und den linken Fuß nachgezogen. Der Pilot im aktuellen DTM-Auto ist weit hinten platziert, sitzt praktisch an der Hinterachse – und sehr tief.

Im 190er hockte man quasi auf dem Auto, im Mercedes C-Coupé sitzt man mitten drin. Was die Sache nicht einfacher macht. Denn die Sicht nach vorn ist eher bescheiden. Daran muss man sich erst mal gewöhnen. Aber zunächst wird das Lenkrad aufgesteckt, die Zündungsschalter auf der Mittelkonsole scharf gestellt, der Starterknopf am Lenkrad gedrückt - und der Achtzylinder im Bug legt infernalisch los. Kupplungspedal durchtreten, den grünen Neutralknopf am Lenkrad drücken und das rechte Schaltpaddel ziehen. Erscheint jetzt die Eins im Display, kann der Achtzylinder hochgezogen werden, und die Partie geht los.

Unterschied der DTM-Renner ist dramatisch

Die Kupplung braucht man nur zum Anfahren. Danach werden die Gänge nur noch über die Schaltwippen geregelt. Der Achtzylinder sprintet mit brachialer Gewalt erst in den grünen, dann in den gelben und dann blitzschnell in den roten Leuchtdioden-Bereich. Der rote Bereich fängt bei 8.500 Touren an – wie beim 190er von 1988. Aber der aktuelle Motor ist durch Airrestriktoren eingebremst. Außerdem darf man für eine Saison für zwei Autos auch nur drei Motoren benutzen, sonst setzt es eine Strafe.

Gleiche Drehzahl, aber der Unterschied zwischen 300 und 500 PS ist dramatisch. Und noch weit heftiger ist der Vergleich in der Anbremszone. Zur Grundig-Spitzkehre verzögert man von Tempo 245 auf 50. Sind die Carbon-Bremsen im aktuellen DTM-Auto auf Temperatur, dann packen die so brachial zu, dass man im Sitz nach vorn rutscht – weil der Sitz nicht richtig passt und die Gurte etwas zu lasch sitzen. Aber schlimmer noch ist die Erkenntnis: Man hat wieder mal viel zu früh gebremst - könnte eigentlich noch mal runterschalten und durchbeschleunigen. Am Norisring geht es darum, spät zu bremsen, früh zu beschleunigen und möglichst dicht an Mauern oder Leitplanken ranzudriften.

Die Bodenwellen in den Anbremszonen machen es nicht einfacher. Der Vorderwagen wippt auf dem Nürnberger Stadtparcours ständig auf und ab. Am Norisring fährt man die weichste Abstimmung des Jahres. Das war zu Zeiten von Roland Asch so, und das ist heute noch so. In den letzten 25 Jahren ist die DTM viel schneller und viel professioneller geworden. Aber es gibt eben auch Dinge, die sich nicht verändert haben

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