MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"9854692","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"9854692","configName":"ads.vgWort"}

Lamborghini Huracán GT3 im Tracktest
Regenschlacht mit Lambos GT3-Waffe

Inhalt von

Jetzt werden sie im Bekanntenkreis wieder schreien: „Dein Job ist wie Urlaub!“ Okay, dann war dieser Arbeitstag ein verdammt verregneter Urlaubstag. Warum aber auch Regentage grandios sein können, verrät der Tracktest im Lamborghini Huracán GT3.

Lamborghini Huracán GT3, Frontansicht
Foto: Lamborghini

Rückblick auf den schönsten Regentag des Jahres, 27. März 2015, bei sturmflutähnlichen Wetterverhältnissen auf dem Adria International Raceway, 75 Kilometer vor den Toren Venedigs. Warum jetzt, trotz des unaufhörlichen Landregens, im Herzen die Sonne aufgeht? Willkommen zum Tracktest des Lamborghini Huracán GT3.

Lamborghini Huracán GT3 erstmals in Eigenregie entwickelt

„Ich bin unser GT3-Auto schon vor einiger Zeit in Vallelunga als einer der Ersten gefahren. Das ist ja das Schöne an meiner Position“, sagt Lamborghini-Entwicklungschef Maurizio Reggiani mit dem Lächeln eines Grundschülers, der gerade von seiner Ehrenurkunde bei den Bundesjugendspielen erzählt.

Unsere Highlights

Dass sie mächtig stolz sind auf den Lamborghini Huracán GT3, schwingt auch schon jetzt beim Pasta-Essen vor dem Tracktest mit. Hach, an Italien muss man nicht einfach nur die emotionalen Sportwagen lieben. „Der Gallardo GT3 wurde ja bekanntermaßen von Reiter entwickelt. Das aktuelle GT3-Projekt haben wir erstmals selbst entwickelt. Sowohl GT3 als auch die Trofeo-Markenpokalvariante entstehen auf der Produktionslinie der Serienautos. So stellen wir ein hohes Maß an Qualität sicher“, erzählt der Entwicklungsboss weiter.

Bereits beim Beginn der Entwicklung des Serienmodells war klar, dass auf Basis des Huracán später Rennfahrzeuge entstehen sollen. Heute wird emsig an den Motorsportboliden gearbeitet. 75 Trofeo-Renner wurden zu den Saisonstarts der verschiedenen Lamborghini-Markenpokalserien fertig. Außerdem sind 15 GT3-Fahrzeuge bereits vorbestellt, die im September ausgeliefert werden sollen. „2016 wollen wir mit dem Huracán GT3 beim 24-Stunden-Rennen von Daytona starten“, erklärt Reggiani. Bis es so weit ist, wird Lamborghini mit dem Team Grasser Racing und zwei Huracán GT3 in den Blancpain-Rennserien werksseitig vertreten sein.

Sturmflut auf dem Adria Raceway

Jetzt aber Schluss mit Pasta, Prosciutto und Parmigiano – endlich raus in den Regen von Adria. Auf der Start-Ziel-Gerade der 2002 erbauten Retortenrennstrecke haben sich derweil seenähnliche Pfützen gebildet, die eher an Fischzucht als an Motorsport denken lassen. Die 14 zumeist verwinkelten Kurven der 2,7 Kilometer langen Piste sehen nicht anders aus. Fabio Babini, Rennprofi und Testfahrer der Lambo-Motorsportabteilung Squadra Corse, macht als Erster den Freischwimmer. Dabei zieht der Muskel-Huracán, dessen Karosserie aus Faserverbundwerkstoffen (CFK, GFK, Kevlar) besteht und dessen Aerodynamik mit Dallara entwickelt wurde, eine einfamilienhaushohe Gischtwolke hinter sich her.

Das sind dann die Momente, bei denen sich schon beim Zuschauen an der Boxenmauer kurz der Kopf mahnend einschaltet. Selten waren die Chancen, unrühmlich in die Lamborghini-Motorsporthistorie einzugehen, größer als heute. Die GT3-Sucht ist natürlich auch bei diesem Sauwetter größer. Schnell akrobatisch reinfädeln in das leer 1.230 Kilo schwere Renngerät. Das Hybridchassis aus Aluminium und Carbon basiert auf dem Straßenmodell, wurde aber unter anderem durch eine eingeschweißte Sicherheitszelle deutlich versteift. Der wie eine zweite Haut passende Carbon-Schalensitz ähnelt verdächtig dem Audi-R8-LMS-Rennsitz PS 1, nur der Schriftzug „Audi Sport customer racing“ fehlt verständlicherweise.

Technologietransfer mit Audi auch bei der GT3-Variante

Dass aber, wie bei der Huracán-Serienversion, ein Technologietransfer mit Audi besteht, daraus machen sie auch in der Lamborghini- Motorsportabteilung keinen Hehl. „Audi Sport customer racing hat eine lange Erfahrung im GT3-Bereich, und davon profitieren wir natürlich bei der Entwicklung des Huracán GT3“, erklärt Giorgio Sanna, Head of Motorsport von Lamborghini.

Vor allem die Antriebseinheit mit dem sequenziellen Sechsganggetriebe des deutschen Zulieferers Hör sowie der Aktuator von Megaline und nicht zuletzt der Zehnzylinder sind identisch mit dem Audi-Powertrain. „Die Hardware ist die gleiche. Wir mussten jedoch die ECU anpassen und Traktionskontrolle, ABS und Motormapping auf unser Chassis und die andere Aerodynamik abstimmen“, beschreibt Sanna die kleinen, aber feinen Unterschiede.

Sechspunktgurt verschnüren und währenddessen einen Überblick verschaffen. Zehn Knöpfe und drei Drehregler für ABS, Traktionskontrolle sowie Motormapping bevölkern das Lenkrad. Mehr als das Lenkrad dürfen wir im Cockpit nicht fotografieren. Dort, wo sonst bei der Serienversion zwei Lüftungsdüsen auf dem Armaturenbrett sitzen, klafft noch eine tiefschwarze rechteckige Öffnung. Stört uns nicht, doch da sind die Italiener eitel. Man schlendert ja auch nicht ohne Haargel durch die Fussgängerzone.

V10 meldet sich dunkel grummelnd zu Wort

Zündung an, Bremse durchtreten und den Startknopf auf dem Lenkrad drücken. Kurzes Anlasserjaulen, dann meldet sich der V10 dunkel grummelnd zu Wort. Im Vergleich zu den späteren Kundenfahrzeugen trägt der Entwicklungsbolide noch ein Kupplungspedal im Fußraum. Ähnlich wie beispielsweise bei einem Formel-1-Monoposto oder beim neuen Audi R8 LMS GT3 wird der Lamborghini Huracán GT3 später seine Kupplung elektrohydraulisch über Aktuator und Lenkradpaddel ansteuern. Das aktuelle elektronische Kupplungspedal erinnert mit seiner Position eher an eine Feststellbremse und bietet mit leichtgängiger Rückmeldung keinen richtigen Druckpunkt.

Dann folgt eines der Lieblingsgeräusche des Autors: Mit metallischem Klacken wirft das sequenzielle Sechsganggetriebe auf Zug der rechten Lenkradschaltwippe den ersten Gang ein. Ein spezielles Klacken, das immer so schön nachhallt. Anschließend die Pseudo-Entwicklungskupplung kommen lassen, leicht ruckend bebt der Renner vom Fleck. Ouvertüre zu weiteren Lieblingsgeräuschen, die bei der Testarbeit von Straßensportwagen nur selten bis gar nicht zu hören sind: mahlen, sirren, rappeln – schon bei Tempo 60 brennt der Kampfstier ein feines Mechanikkonzert ab.

Lamborghini Huracán GT3 einfach fahrbar durch Elektronik

Nach dem Anfahren hat das Kupplungspedal Pause, und es regieren nur noch Gas und Bremse. Ohne Air Restrictor leistet der weitgehend unverändert aus der Serienversion übernommene 5,2-Liter-V10 rund 620 PS. Nach drei Warm-up-Runden im gewiss nicht trägen Serien-Allradler trumpft jetzt der Rennhecktriebler schon auf der Einführungsrunde als Präzisionswaffe auf. Ihm gelingt dabei ein grandioser Spagat zwischen messerscharfer und spielerisch-einfacher Fahrbarkeit. Mehr muss man eigentlich über Ansprechverhalten, Durchzug, Einlenkverhalten oder die Dosierbarkeit der Stahlbremsanlage nicht sagen.

Saugmotorgebrüll bis 8.500/min, klack, zweiter Gang, Saugmotorgebrüll bis 8.500/ min, klack, dritter Gang, Saugmotorgebrüll bis 8.500/min, klack, vierter Gang. Viermal grün, viermal gelb, zweimal rot – im Digitaldisplay hinter dem Lenkrad flammen unter Volllast hektisch die Schaltlampen auf. Interessanter sind aber zwei blaue Lämpchen, die abwechselnd rechts und links aufleuchten: Zeichen, dass eigentlich Schlupf anliegen würde und das Renn-ABS und die Traktionskontrolle auf Hochtouren arbeiten.

Keine ruppigen Regeleingriffe sind dabei zu spüren, nur ein hintergründiges Brummen vermeldet, dass die Bosch-Elektronik aktiv ist. Werkspilot Babini: „Bei Trockenheit fahren wir die TC im Qualifying auf Stufe 1 oder 2 und im Rennen auf Position 3 oder 4.“ Aktuell steht der zehnfach justierbare Drehregler auf Stufe 8.

Wenn der Einarmwischer sich nicht gerade einen Wolf wedeln würde, um die Fluten von der Scheibe zu schaufeln, hätte man fast vergessen, dass Petrus seine Badewanne gerade auf der Rennstrecke in Adria ausleert. Im Amiland würden die Nascar-Buben bei solchen Weltuntergangsbedingungen bedröppelt in der Box hocken, Ross und Reiter hetzen hier und heute fast unbeeindruckt über die Ideallinie. Andere Hecktriebler (und zwar ohne Traktionskontrolle und ABS) hätten bei solchen Bedingungen mehr Lenkradarbeit und höchste Sensibilität im Gasfuß erfordert.

Einmal am TC-Drehregler gedreht, und der GT3 wechselt dann doch sein Gesicht – aus dem Meister der Verharmlosung kann dann doch wieder einer werden, der bei Volllast zackig mit dem Heck drückt. „Unser oberstes Entwicklungsziel war, dass der Wagen nicht nur für Profis, sondern auch für schnelle Amateure und Gentleman Driver einfach zu beherrschen ist“, hatte Motorsport-Chef Sanna vorab vermeldet. Eindrucksvoller als im Regen von Adria hätte der Lamborghini Huracán GT3 dies nicht bestätigen können.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten