Kommentar über den Kostendruck im VW-Konzern

Kommentar über den Kostendruck im VW-Konzern
Kampf ums Überleben der Motorsport-Programme?

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Veröffentlicht am 22.01.2016
Audi R18 e-tron quattro - WEC Austin 2015
Foto: xpb

Die Verunsicherung ist groß, innerhalb des VW-Konzerns ebenso wie im weltweiten Motorsport. Alle stellen sich die gleiche bange Frage: Was passiert mit den Motorsport-Programmen der VW-Konzernmarken? Der Abgas-Skandal, der im September in Amerika hochploppte und seither globale Dimensionen angenommen hat, wird den Konzern sehr viel Geld kosten, das steht fest. Die Härte der Konsequenzen hängt an einer Frage: Wie viel Geld kostet es, die Baustelle auszufegen? Das ist im Moment eher ein bewegliches Ziel: Die Summe aus Kosten für die Rückrufaktionen, Strafzahlungen und die Forderungen aus Zivilprozessen dürften sich allein auf viele Milliarden Euro belaufen.

Wie viel muss VW zahlen?

Aber sind es 10 oder 20 Milliarden? Oder doch eher 40 oder gar 50 Milliarden? Je höher die Zahlen steigen, umso härter werden die Einschnitte ausfallen. Doch endgültige Zahlen liegen noch nicht vor - so gibt es im Moment auch keine endgültigen Antworten. VW-Chef Matthias Müller mahnt zur Ruhe: "Motorsport ist bei den Marken des Volkswagen-Konzerns nach wie vor sehr wichtig, und das wird auch in Zukunft so bleiben."

Jene VW-Marken, die üppig viel Bakschisch im Motorsport verbrennen, verhalten sich im Moment möglichst still und unauffällig - man will ja keine bösen Geister wecken. Volkswagen Motorsport hat in vorauseilendem Gehorsam gleich mal die traditionelle Motorsport-Party gestrichen, Audi und Porsche haben ihre Gästelisten radikal gekürzt - symbolische Peanuts.

Die GT3-Programme der VW-Marken mit ihrem Mix aus Werkseinsätzen und teilweiser Refinanzierung durch den Kundensport stehen angeblich nicht unter Kuratel, so ist zu hören.

Rallye-Programm von VW unter dem größten Druck

Aber was passiert mit den wirklich großen Rennsportprogrammen? Hier ist der Aspekt der Relativität zu berücksichtigen: Ja, die Werksengagements kosten viel Geld, aber in Relation zum Finanzbedarf, der aus dem Abgas-Skandal insgesamt entsteht, käme selbst die konsequente Streichung aller Projekte bestenfalls einer homöopathischen Dosis gleich.

Schießen wir einfach mal so ins Blaue: Die Rallye-WM (Volkswagen) kostet vielleicht 50 Millionen Euro im Jahr, die DTM (Audi) wohl ungefähr das Gleiche. Bleiben noch die LMP1-Engagements von Porsche und Audi, für die ein dreistelliger Millionenbetrag anzusetzen ist, etwa im Bereich von 150 Millionen Euro pro Marke. Macht nach Adam Ries ein Ersparnispotenzial von 400 Millionen Euro pro Jahr. Wenn man jetzt noch alle Mitarbeiter, die in diesen Programmen arbeiten, an die Luft setzt, was rein rechtlich gar nicht ginge, kämen noch ein paar Millionen drauf.

Insofern macht es durchaus Sinn, dass VW-Chef Matthias Müller die Motorsportkollegen zu solidarischen Sparmaßnahmen angehalten hat, aber noch keine Kahlschläge inszeniert. Denn Müller weiß genau: Porsche und Audi sind die Cash-Kühe des Konzerns, hier stimmen Umsatz und Rendite. Ein Motorsport-Kahlschlag hätte kurzfristig nur zur Folge, dass die Wahrnehmung der Marken leidet - und damit deren Ergebnis. Genau das kann Müller im Moment nicht gebrauchen.

Rallye-WM und DTM sind Peanuts unter den Peanuts. In der LMP1-Klasse liefert der Abgas-Skandal die Chance, die eigentlich unlogische Entsendung zweier Konzernmarken nach Le Mans zu überdenken, zumal der Initiator Ferdinand Piëch das Zentrum des Spinnennetzes mittlerweile verlassen hat.

Fazit: Erst wenn der Baum lichterloh brennt und die Gefahr von massenhaften Kündigungen droht, wird der VW-Konzern jede einzelne Sesterze gnadenlos einsammeln - dann sicher auch im Motorsport. So hat es Peugeot 2012 auf Druck der Gewerkschaften (und der Politik) auch gemacht. Sollte es tatsächlich soweit kommen, dann würde das Verursacherprinzip Anwendung finden, will sagen: große Einschnitte auch beim Motorsport könnten bei jener Marke erfolgen, wo Kündigungen unausweichlich erscheinen - damit stünde das Rallye-WM-Programm von Volkswagen aktuell unter dem größten Druck.