Nach nur vier Rennstunden war selbst Blinden klar, dass die Balance of Performance (BOP) in der Hypercar-Topklasse ausgerechnet beim Saisonhighlight in Le Mans krachend gescheitert war. Obwohl sich nur einer von drei Ferrari 499P in den Top 10 qualifiziert hatte, stürmten die zwei roten und der eine gelbe Ferrari durchs Feld, als würden sie in einer anderen Rennklasse fahren. In der Folge machten sie sich auch noch mit Siebenmeilenstiefeln aus dem Staub und hinterließen bei Gegnern wie Zuschauern ein Gefühl der Ohnmacht.
Die WEC hatte uns für Le Mans eine epische Schlacht versprochen, eine ausgetüftelte BOP sollte für die spezielle Charakteristik der Piste allen acht Marken eine faire Chance geben. Stattdessen passierte genau das, was wir schon in den ersten drei Saisonrennen der WEC geboten bekommen haben: rote Dominanz. Ferrari hat jetzt vier WM-Läufe in Folge gewonnen, dazu dreimal hintereinander in Le Mans. Die BOP soll eigentlich Dominanz unterbinden, stattdessen produziert sie Überlegenheit. Die Gegner fragen sich offen, ob sie nur als Feldfüller für die Roten fungieren.
Verschwörung mit wahrem Kern
Am Ende vereitelte eine seltsame Schwächephase der roten Werkswagen einen Dreifachsieg, womit Porsche zu einem ehrbaren Resultat kam. Im Fahrerlager gab es Debatten darüber, was das plötzliche Performance-Loch bei Ferrari ausgelöst hatte. Vielleicht, so geht die Legende, hat der ACO im Rennen erkannt, dass ein Ferrari-Dreifachsieg bei einigen Herstellern direkte Konsequenzen auslösen könnte.
Nicht nur die französischen Marken Alpine und Peugeot verschafften sich Luft über die Einstufungen, auch die deutschen Marken Porsche und BMW sowie der US-Konzern GM deponierten ihren Unmut. Vielleicht hat die interne Kritik ein Umdenken ausgelöst. Ein roter Dreifachsieg hätte zum Sargnagel für einige Hypercar-Programme werden können.

Am Ende lief Porsche nur knapp hinter dem gelben Gewinner-499P ein. Auch wenn es mehr Glück als Pace war, nimmt der zweitgrößte Pokal Druck vom Kessel der Rekord-Gesamtsieger.
Nur neue Technik bietet Ausweg
Le Mans darf nicht ohne Folgen bleiben, und Worte reichen nicht mehr aus. Erstens muss es einen harten BOP-Cut geben, die US-amerikanische IMSA hat ja erst kürzlich ebenfalls reagiert. Bei ihr dominierten statt Ferrari die deutschen Marken BMW und Porsche. Dazu sei ergänzt, dass die Roten kein Nordamerika-Projekt haben.
Zweitens müssen die Hersteller mit Nachdruck an einem Nachfolge-Reglement arbeiten, das die duale Klassenstruktur der Hypercars auflöst und damit eine BOP unnötig macht. Drittens muss man sich darauf einigen, wie man in der Übergangsphase bis zu einem neuen Regelansatz mit dem Thema BOP umgeht. Und viertens sollte man darüber nachdenken, wie man jene Marken, die Performance verschleiern, um sie im Rennen auszupacken, zu Leibe rückt. Sportstrafen wären hier eine Möglichkeit.
Es ist wichtig zu verstehen, dass alle Beteiligten im selben Boot sitzen: Promoter, Hersteller, Fahrer, Fans, Medien. Wenn die Boomphase im Langstreckensport noch ein wenig halten soll, muss schnell ein Weg gefunden werden, wie man die BOP-Probleme erst eindämmt, um sie dann mittelfristig zu eliminieren. Die Uhr tickt – wie immer im Motorsport.