Interview Porsche-Sportchef Laudenbach: Motorsport braucht Innovation

Interview: Porsche-Sportchef Thomas Laudenbach
„Leben wäre mit Verbrennern einfacher, aber…“

Veröffentlicht am 15.05.2025

Herr Laudenbach, Sie gelten als loyaler Verfechter der Theorie, dass Motorsport ein Techniklabor bieten muss. Warum?

Laudenbach: Man sollte zuerst eine wichtige Unterscheidung treffen: Für tausende Menschen ist der Rennsport ein Hobby – wovor ich größten Respekt habe –, wir als Hersteller verfolgen einen anderen Ansatz. Das Stichwort bei uns lautet Relevanz. Was auf der Rennstrecke passiert, muss sich auf der Straße fortsetzen. Hierbei geht es unter anderem um die Philosophie des Techniklabors. Der Sport erlaubt, im Rahmen der Randbedingungen Dinge zu probieren und mutige Wege zu gehen. Wenn ich merke, dass es in eine falsche Richtung läuft, kann ich eine andere suchen. In der Serienentwicklung ist das deutlich schwerer. Deswegen müssen wir die Relevanz behalten.

Die Formel 1 diskutiert über ein V10-Comeback, andere Serien haben ihre Hybride bereits über Bord geworfen. Hat sich die Relevanz weg von Antrieben hin zu Themen wie E-Fuels – auch eine wichtige Säule für Porsche – verschoben oder pausiert sie gerade?

Laudenbach: Wir diskutieren sehr, sehr oft über Hybride und die Elektrifizierung des Motorsports. Unser Leben wäre um etliches einfacher und günstiger, wenn wir im Verbrenner-Status-quo verharrten. Denn der funktioniert ja. Die nächsten Jahre klappt das sicher auch, aber ich glaube fest daran, dass wir so langfristig die Relevanz verlieren. Es ist fair zu sagen: Die Elektrifizierung kommt. Selbst bei der kleinen Verlangsamung aktuell. Keine Anzeichen sprechen allerdings dafür, dass der Prozess vorzeitig endet. Wird sie die alleinige Technologie sein? Ich weiß es nicht. Aber sie wird relevant sein. Wir müssen uns im Motorsport um diesen Zukunftsstrang kümmern und einen Beitrag bieten.

Formel E 2024/2025 - Porsche - Pit-Boost
Porsche

Deswegen gilt es bei Porsche quasi als Gesetz, in der Formel E vertreten zu sein. Wie der Ausstieg von McLaren beweist, tut sie sich allerdings immer noch schwer, den anfänglichen Hype in eine stabile Basis zu überführen. Das muss Porsche und Sie angesichts der großen Investitionen beunruhigen?

Laudenbach: Bei der Formel E kann man über viele Themen diskutieren. Aber es ist die einzige vollelektrische Rennserie auf einem gewissen Niveau samt einem tollen Wettbewerb. Ob man sie mag oder nicht, das darf jeder für sich entscheiden. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass Unternehmen mit einer klaren Elektrifizierungs-Roadmap diesen Trend bei den Motorsport-Ablegern ignorieren. Auf welchen Wegen das Engagement im Einzelnen umgesetzt wird, ist herausfordernd. Da geht es um sportliche Reglements und Kostenpläne.

Vergleicht man zum Beispiel das aktuelle LMDh-Konzept mit den LMP1-Vorgängern, scheint sich das Pendel eher in Richtung simpler und günstiger Alternativen verschoben zu haben. Ketzerisch gefragt: Hauptsache, der Anschein von Technik, in diesem Fall durch einheitliche Hybride, schwingt mit?

Laudenbach: Das würde nach einem Alibi-System klingen. Durch die vorgeschriebenen Einheitsbauteile tun wir bei der LMDh in Relation wenig bei der Hardware. Anders sieht es bei der Software aus. Dort erarbeiten wir sehr viel, das sich in die Serie übertragen lässt. Dasselbe gilt übrigens bei der Formel E. Dort bauen wir zwar obendrauf u.a. E-Motoren, aber die Software bleibt die größte Differenzierung.

Porsche GT4 e-Performance - Elektro-Versuchsauto
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Hätten Sie gerne mehr Freiraum?

Laudenbach: Als Ingenieur würde ich lieber nicht auf Einheitsteile setzen. Jedoch muss der Motorsport darauf achten, dass er einen gewissen Kostenrahmen nicht sprengt. Das Verhältnis aus Ausgaben und Kosten muss gesund bleiben. Bei uns erfüllt der Sport drei Funktionen: Innovation, Markenstärkung durch Erfolg sowie der finanzielle Beitrag des Kundensports. Zwischen diesen Eckpunkten siedeln wir unsere Projekte an. Hinsichtlich der reinen Werksengagements spielt natürlich die Technik eine Hauptrolle, dazu kommt die Markenbildung.

Ein kurzer Seitenblick in den GT- bzw. Kundensport: Die Hybridisierung läuft in der Serie an, auf der Strecke ist davon nichts zu sehen?

Laudenbach: Die Autos im GT-Sport müssen immer eine Straßenabstammung behalten. Das ist die Identität des Kundenbereichs. Eine größere elektrische Unterstützung könnte auch irgendwann beim Porsche 911 Einzug halten. Dann flösse es in den Rennsport.

Ist die Szene dementsprechend im politischen und wirtschaftlichen Wirrwarr gefangen?

Laudenbach: Ich hoffe, dass wir bei der technischen Entwicklung wieder an Fahrt aufnehmen – aber möchte die aktuelle Situation nicht kritisieren. Die anderen Wettbewerber hätten sicher ebenso Lust auf mehr Innovation. Mechanismen wie die Balance of Performance, für die ich auch keinen besseren Ersatz habe, würde wohl niemand vermissen. Aber diese Spannungsfelder bleiben vorerst gegeben.

Porsche - E-Fuel - Porsche Supercup
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Wie könnte man daraus ausbrechen?

Laudenbach: Der Idealzustand wäre, dass freiere Reglements mehr Innovation zulassen. Parallel erlaubt ein durchdachter Weg, die Kosten zu kontrollieren. Die für die Vereinigung aus LMH und LMDh notwendige BoP könnte in dieser Vorstellung entfallen. Bei der Formel E finden sich gute Ansätze: Obwohl ich mich am Anfang mit Einheitsbauteilen und Cost Cap schwergetan habe, gefällt mir, dass man sich in gesetzten Felder differenzieren kann – ohne dass eine Dominanz droht. Das, was wir bearbeiten können, ist dafür wirklich extrem.

Sprechen wir angesichts des massiven Booms auf der Langstrecke dennoch über ein Luxusproblem?

Laudenbach: Wir hatten noch nie so viele Hersteller in der WEC. Das ist zweifelsohne cool! Die Nachteile eines Konzepts findet man aber immer erst, wenn man es probiert. Explodierende Kosten bedeuteten bei der technisch aufregenden LMP1 Feierabend. Da war der Schritt in die andere Richtung fast logisch. Nun stellen wir fest, dass mehr Innovation auch schön wäre. Dank dieser guten Ausgangslage haben wir genau jetzt die Zeit, um einen cleveren Zukunftsweg zu finden.