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Interview mit Simona de Silvestro
„Indy hat meine Karriere geprägt“

Nach sechs Jahren Pause tritt Simona de Silvestro wieder bei den legendären 500 Meilen von Indianapolis an. Im Interview spricht die Schweizerin über den Reiz der amerikanischen IndyCar-Serie, ihre Chancen beim wichtigsten Rennen der USA und über die richtige Förderung von Frauen im Motorsport.

Simona de Silverstro - IndyCar
Foto: IndyCar

Sie sind früh in Ihrer Karriere nach Amerika gewechselt, wo Sie sich über die Formel BMW USA und die Atlantic Championship bis in die IndyCar hochgekämpft haben. Fühlt es sich wie eine Rückkehr nach Hause an?

De Silvestro: Ein bisschen schon, denn Indianapolis und die IndyCar-Serie haben meine Karriere geprägt. Ich hatte das Glück, vier Saisons in dieser Meisterschaft zu fahren. Die Rennen sind mega eng und spannend, dazu ist das Indy 500 etwas ganz Spezielles. Das kann man in Europa nur mit Monaco oder Le Mans vergleichen. Ich bin sehr glücklich, nach Indy zurückzukommen.

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Was zeichnet die amerikanische Rennszene aus?

De Silvestro: In Amerika versteht man sich mehr als Gemeinschaft, während in Europa manchmal etwas Lagerdenken herrscht. Im IndyCar-Paddock kennt man sich untereinander, da spricht jeder mit jedem.

Simona de Silverstro - IndyCar
IndyCar
Die Fahrzeuge der IndyCar haben den Spitznamen "Kampfjet auf Rädern". Simona de Silvestro pilotiert den Dallara-Chevy von Paretta Autosport.

Wie stark haben sich die Autos seit Ihrem letzten Indy 500 verändert?

De Silvestro: Bei meinem letzten Rennen 2015 war das Reglement noch offener und Chevrolet und Honda durften ihre eigenen Aero-Kits entwickeln. Damals hatte ich leider das Pech, dass mein Honda-Aero-Kit nicht so schnell wie das von Chevy gewesen ist. Das war echt schade, weil ich für Andretti Autosport fuhr, die beim Indy 500 immer gute Autos haben. Neben der jetzt für alle gleichen Aerodynamik ist der Aeroscreen, also die Windschutzschreibe mit Halo-Basis, der größte Unterschied. Das Fahren ist aber noch recht ähnlich, und wenn man sich einmal an das Aquarium über dem eigenen Kopf gewöhnt hat, fühlt man sich sicher im Auto. Das war ein großer Schritt vorwärts für die IndyCar.

In den nächsten Tagen sind bis zu 30 Grad für Indianapolis vorhergesagt. Erwarten Sie wegen des Aeroscreens extreme Temperaturen im Auto?

De Silvestro: Nach dem Stadtkursrennen in St. Petersburg haben die Kollegen über Probleme mit der Wärme gesprochen. Aber für so etwas trainieren wir als Fahrer ja und bereiten uns auf heiße Bedingungen vor. Von daher mache ich mir also keine Sorgen, auch weil es auf einem Oval nicht so extrem wie auf Stadtkursen ist.

Mussten Sie Ihre Vorbereitung für Indy ändern?

De Silvestro: Da ich in den letzten fünf Jahren meist in geschlossenen Autos mit Servo-Lenkung gefahren bin, musste ich mein Training tatsächlich etwas anpassen. Wegen der fehlenden Lenkunterstützung in der IndyCar habe ich zum Beispiel mehr Krafttraining als sonst gemacht.

Ihr Gaststart ist Teil eines besonderen Projekts. Was steckt hinter dem Namen Paretta Autosport?

De Silvestro: Dabei handelt es sich um ein ganz neues Team mit neuer Philosophie. Die Initiatorin ist Beth Paretta, die Motorsportprogramme von Dodge geleitet hat. Ihr großer Traum ist es, ein Team auf die Beine zu stellen, das Frauen Möglichkeiten im Rennsport gibt. Das ist etwas, das auch beim Blick auf meine Karriere in dieser Form immer gefehlt hat. Also etwas, das zur richtigen Zeit und am richtigen Ort das passende Umfeld bietet. Beth hat das alles gut zusammengebracht und mit Roger Penske den nötigen starken Unterstützer gefunden. Besonders cool ist zum Beispiel, dass auch die Pitcrew mit Frauen besetzt sein wird. Sie trainieren schon seit Januar jeden Tag und sind mittlerweile genauso schnell wie die Jungs. Für alle im Team ist das eine große Chance.

Simona de Silverstro - IndyCar
IndyCar
Paretta Autosport will Frauen innerhalb und außerhalb des Cockpits fördern.

Das Team von Roger Penske wird in Indy als technischer Partner auftreten. Wie weit geht die Kooperation?

De Silvestro: Wir werden ein Teil des Team Penske sein, da das Projekt sonst nicht funktionieren würde. Die ins Projekt involvierten Mechanikerinnen lernen von ihren Penske-Teamkollegen und trainieren direkt vor Ort. Ich bin auch bei den Nachbesprechungen mit den anderen Penske-Piloten dabei, die ich schon seit vielen Jahren kenne. Wir als Team lernen also von den besten und es herrscht großer Respekt untereinander.

Beruhigt Sie das hinsichtlich der Ausscheidungsqualifikation für die 33 Startplätze am Sonntag (23.5)?

De Silvestro: Der Bump Day steht natürlich im Raum und es kann immer etwas passieren. Wir haben ja alle gesehen, dass es selbst Fernando Alonso nicht ins Rennen geschafft hat. Aber das Auto, die bisherige Vorbereitung und die Verbindung zum Team Penske stimmen mich zuversichtlich. Ich weiß, dass es meine beste Chance bisher ist. Ich spüre aber mehr Vorfreude als Druck, weil ich alle Werkzeuge für ein gutes Rennen habe. Das fühlt sich mega an und ich bin dankbar für die Möglichkeit, mit den richtigen Leuten bei Team Penske und Paretta Autosport zusammenzuarbeiten.

Beim Indy 500 sind mit Janet Guthrie, Danica Patrick oder zuletzt auch Pippa Mann schon einige weibliche Vorbilder am Start gewesen. Ist die Szene in der Hinsicht also weiter oder mussten die Kolleginnen damals hart für diese Chancen kämpfen?

De Silvestro: Ich denke, dass es die starken Charaktere dieser Fahrerinnen gewesen sind, die sich am Ende gegen die Widerstände durchgesetzt haben. Denn Amerika ist diesbezüglich zwar schon offener und bietet mehr Chancen, aber auch hier hat es seine Zeit gebraucht. Als ich von 2010 bis 2013 Vollzeit in der IndyCar gefahren bin und sogar aufs Podium kam, hat kein großes Team bei mir angeklopft. Genau deswegen ist Paretta Autosport nun so ein wichtiger Schritt und auch eine Genugtuung für Fahrer-Kolleginnen wie Katherine Legge, die seit Jahren für Frauen im Rennsport kämpfen.

Für mich war es wichtig, dass das Projekt neben dieser Botschaft seriös aufgestellt ist. Heutzutage funktioniert es im Motorsport einfach nicht mehr, wenn man etwas alleine probiert. Man muss Leute um sich herum haben, die daran glauben und bereit sind zu helfen. Das ist mit Roger Penske hier ganz klar der Fall. Für ihn war von Anfang an klar: Wenn wir es machen, dann machen wir es richtig. Dass Beth Paretta und Roger Penske dabei sofort an mich gedacht haben, macht mich sehr stolz.

Was sind Ihre weiteren Pläne für die Saison 2021?

De Silvestro: Als Porsche-Werksfahrerin trete ich in diesem Jahr mit Klaus Bachler für Herberth Motorsport im ADAC GT Masters an. Außerdem bin ich Ersatzfahrerin für das Formel-E-Projekt von Porsche.

Simona de Silverstro - Formel E - Porsche
Porsche
Als Ersatzfahrerin kennt Simona de Silvestro die aktuelle Formel-E-Generation. Im Vergleich zu den ersten Fahrzeugen steuert sie sich nun wie ein echter Rennwagen.

Sie kennen noch die erste Generation der Formel E. Wie groß ist der Unterschied?

De Silvestro: Im Rennsport ist es normal, dass sich die Dinge immer weiterentwickeln. Doch das, was in der Formel E in den letzten Jahren passiert ist, war schon krass. Während sich die erste Generation noch wenig durchdacht angefühlt hat, lassen sich die aktuellen Autos dank besserer Bremsen und Motoren jetzt wie richtige Rennwagen fahren.

Hat die Formel E mittlerweile ihren Platz im weltweiten Motorsport gefunden?

De Silvestro: Wenn ich 15 Jahre zurückdenke, hatte ich Elektro-Rennautos nicht einmal ansatzweise auf dem Schirm. Nun gibt es mit der Formel E sogar eine eigene Weltmeisterschaft, die wahnsinnig gute Rennen abliefert und Leute begeistern kann. Das zeigt, dass sich sehr viel getan hat. Für uns Rennfahrer entstehen so viele neue Möglichkeiten und wir können dabei helfen, die Autos der Zukunft zu entwickeln. Die Formel E hat also einen guten Platz gefunden und wird weiter ihren Weg gehen.

Ihr Kalender klingt aktuell wie der Traum vieler Rennfahrer. Neben den genannten Projekten haben Sie ja auch die Permit auf der Nordschleife gemacht. Sind Sie auf dem Höhepunkt Ihrer Karriere?

De Silvestro: Es ist mega cool, in so vielen tollen Serien mit großartigen Rennen fahren zu können. Als Fahrer träumt man natürlich von der Teilnahme an solchen Veranstaltungen. Und dank neuer Projekte wie LMDh-Prototypen bei den Sportwagen wird es bald noch mehr spannende Möglichkeiten geben.

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