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IndyCar fährt erstmals mit Hybrid-Motoren
Besser als der Formel-1-Antrieb?

Mitten in der Saison wagt die IndyCar ihre größte Technik-Revolution seit über einem Jahrzehnt. Der Hybrid-Zusatz auf Superkondensatoren-Basis feiert beim Lauf in Mid-Ohio (7.7.) seine Renn-Premiere und lässt die Systemleistung auf über 800 PS hochschnellen. Wir erklären, wie der Antrieb funktioniert.

Vorstellung IndyCar-Hybridsystem
Foto: IndyCar (via YouTube)

Lange erschien es wie eine unendliche Geschichte. Schon im August 2019 kündigte die IndyCar die Einführung eines Einheitshybridsystems an, dessen Debüt zunächst für die Saison 2022 anvisiert wurde. Bereits damals hinkte die altehrwürdige US-Meisterschaft einigen Konkurrenten deutlich hinterher. Die Elektrisierung der Formel 1 begann schon im Jahr 2009, in den Zehner-Jahren erlebte Le Mans eine Technologie-Schlacht mit Hybriden. Immerhin wäre man den US-Rivalen der IMSA-Sportwagenserie mit dem Zeitplan voraus gewesen.

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Doch gleich aus mehreren Gründen geriet das Prestigeprojekt in Verzug. Erst zwang die Pandemie die Serie in den Überlebensmodus, dann konnte der Zulieferer sein Versprechen nicht einhalten. Schließlich spannten sich die beiden Motorenlieferanten Chevrolet und Honda zusammen, um das System endlich fertigzustellen. Doch auch das reichte nicht aus. Erst wurde der Startpunkt vom Saisonauftakt 2023 auf den des Folgejahres 2024 verschoben. Mittelmäßige Testergebnisse führten schließlich zum skurrilen Ergebnis einer Einführung mitten im Sommer. Einschließlich Mid-Ohio stehen noch neun Rennen auf dem Programm – knapp über die Hälfte.

Die IndyCar-Offiziellen gaben zu, dass das Timing nicht perfekt, aber besser als ein erzwungener, potenziell von Defekten geplagter Einstieg sei. Der langjährige Manager Mark Miles erklärte gegenüber auto motor und sport: "Das System ist gut und wertvoll für die Serie. 2025 und 2026 werden wir die Leistung hochschrauben. 2027 könnte ein neues Chassis an den Start gehen, an welches potenziell ein neuer Motor geknüpft sein wird." Die aktuelle technische Basis der Einheitsautos stammt aus dem Jahr 2012. Aero-Pakete und der Aeroscreen frischten die Optik über das letzte Jahrzehnt mehrmals auf. Die 2,2-Liter-V6-Antriebe wurden aber nur in ihren Details überarbeitet. Größere Vorbereitungen für einen 2,4l-V6 sind mittlerweile komplett gestoppt.

Indy 500 2023 - Kyle Kirkwood - Andretti Autosport
IndyCar

Die 108. Ausgabe des Indy 500 im Mai soll die auf lange Zeit letzte ohne Hybrid gewesen sein. Für die speziellen Umstände des Klassikers ohne echte Bremszonen gibt es einen passenden Plan.

Warum Superkondensatoren?

Bei der Philosophie des Hybrid-Antriebs wich die IndyCar deutlich von den batterieelektrischen Gegenstücken der Konkurrenz ab. Die Wahl von Superkondensatoren als Energiespeicher beruhte auf doppeltem Pragmatismus – technisch und sportlich. Sie sind deutlich leichter als Lithium-Batterien. Und können – im Vergleich – unkomplizierter in das bestehende Chassis- und Antriebskonstrukt eingepflegt werden. Außerdem bieten sie Geschwindigkeitsvorteile beim Auf- und Entladen, was besonders bei den Oval-Rennen wichtig wird. Die Fahrer werden über eine zusätzliche Wippe am Lenkrad rekuperieren, welche die altbekannte Rückgewinnung auf der Bremse unterstützt.

Darren Sansum, Managing Director der IndyCar-Motorabteilung, betonte die Perspektive der Niedervolt-Spannung: "Wir sind sehr zurückhaltend und sehr bedacht hinsichtlich der Sicherheit in unserem Paddock, da dort viele Autos stehen." Weil man den Fans weiterhin Zugang gewähren und die Politik der "offenen Garagen" behalten möchte, sei die Entscheidung klar ausgefallen. "Mit Hochvolt-Spannungen sind unglaublich viele Prozesse und Sicherheitsauflagen verbunden. Deswegen wollten wir das 48-Volt-System." Andere Hybrid-Meisterschaften müssen seit der Einführung deutlich restriktiver mit Zuschauern und Protokollen umgehen.

Zur Kostenkontrolle führte Sansum aus: "Die Hybridsteuerung findet in der ECU unseres aktuellen Partners McLaren statt. Grundsätzlich hat Honda die Hybrid-Software geschrieben. Zusammen mit den Entwicklungspartnern GM, Ilmor und uns wurden für sie nötige Eigenschaften festgelegt. McLaren gibt den gesamtheitlichen Code heraus." Das im Kupplungsgehäuse verbaute Paket wird zentral gestellt. Honda kümmerte sich um die 20 Superkondensatoren, den Gleichspannungswandler, die Kühlung und die Verkabelung. Chevys Motorenlieferant Ilmor Engineering verband die vom Zulieferer Empel stammende MGU mit den Honda-Komponenten.

Vorstellung IndyCar-Hybridsystem
IndyCar (via YouTube)

Das Hybrid-Paket sitzt hinter dem Motor im Kupplungsgehäuse (hier abgebildet). Oben sind die 20 Superkondensatoren, unten ist die MGU. Durch die Nähe zum Motor und den Bremsen wird der Zusatz ordentlich Hitze und Vibrationen ausgesetzt.

Wie sieht die Umsetzung im Rennen aus?

Nach etlichen Tests auf unterschiedlichen Streckentypen – vom legendären Indianapolis Motor Speedway bis hin zur Achterbahn von Road America – steht am Wochenende das erste Rennen mit der anfangs 45 Kilowatt starken Zusatz-Power in Mid-Ohio an. Der rustikale Traditionsrundkurs wird zwei der grundlegenden Schwächen des Hybrids direkt ausloten: Durch den begrenzten Platz herrschen neben hohen Temperaturen auch reichlich Vibrationen im Heck. Die schwierigsten Hürden diesbezüglich waren im Winter jedoch ausgeräumt. Stattdessen ging es zuletzt um Details. Sansum blickte zurück: "Den größten Durchbruch hatten wir bei der MGU-Software. Da konnten wir nun einen fortgeschrittenen Zustand erreichen, der sich noch weiterentwickelt."

Wie in der Formel 1 gibt es ein Energieabgabe-Limit pro Runde. In der IndyCar muss neben der reinen Länge auch der Typ der Strecke dabei einberechnet werden. Denn selbst im Kreis der Ovale gibt es größere charakterliche Unterschiede. Den Teilnehmern werden überall Optionen der automatischen Rückgewinnung über Bremse oder Gaspedal-Stellung sowie manuell über Lenkrad-Wippen bzw. -Knöpfe freigestellt. Auf den Rund- und Stadtkursen bleibt der parallele Turbo-Boost "Push-to-Pass" erhalten. Kombiniert geben beide flexibel abrufbaren Hilfsmittel eine Systemleistung von über 800 PS her. Zuletzt erreichten IndyCar-Renner vergleichbare Spitzenwerte vor 20 Jahren.

Abgerundet wird die Technik-Revolution von einem indirekten, aber elementaren Vorteil. Die Autos können zukünftig über den Hybrid-Zusatz nach Abflügen neu gestartet werden. Bislang bedeutete ein abgestorbener Motor nahezu zwangsläufig eine Neutralisierung der Action bzw. einen Abbruch der Trainings, weil aus Gewichtsgründen keine Anlasser verbaut sind. Die Frage lautet, ob es stattdessen mehr Defekte mit der neuen Technik gibt, die Gelbphasen provozieren. "Es wäre vermessen zu sagen, dass unser System kugelsicher ist. Aber ich habe ein hohes Vertrauen und das Timing stimmt", beruhigte Hondas US-Sportboss David Salters.

IndyCar-Hybridtest in Milwaukee
Indycar

Bei einem umfassenden Hybrid-Test auf dem Traditionsoval in Milwaukee Anfang Juni probierte die IndyCar zahlreiche Szenarien durch. Dazu gehörten auch Neutralisierungen. Vor wenigen Tagen konnten die Teams auf dem Oval von Iowa eigenständig den E-Boost verfeinern.

Was sagen die Piloten und Teams?

Der frühere Formel-1-Fahrer Marcus Ericsson, der aktuell für Andretti antritt, berichtete nach den letzten teamspezifischen Tests: "Piloten, die mit mehr Köpfchen fahren, werden die großen Gewinner sein. Der Hybrid erlaubt diverse Einstellungen bei der Aufnahme und Abgabe. Das kombiniert mit den anderen Systemen, der Reifenabnutzung und dem Kampfgetümmel wird brutal. Wer nur noch in das Auto springen und alle Hindernisse überfahren will, wird ein Problem mit diesem Update bekommen."

In der Außendarstellung teils unterschätzt wird hierbei die sich wandelnde Rolle der Setups. Hersteller und Teams können sich ganz spezifische Strategien für die Anfangsphase (z.B. besseres Herausbeschleunigen vs. Spritsparen) überlegen, die sich laut der Experten allerdings über die Zeit angleichen werden. Bis dahin könnte es einige Überraschungen geben. Serien-Urgestein Graham Rahal ergänzte dies um eine persönliche Note: "Durch die höhere Belastung der Hinterräder – welche die härteren Mischungen des Partners Firestone nur bedingt ausgleichen – könnten sich die Fahrstile von uns verändern. Es gibt so viele Variablen, die ich beachten muss!"

Für die Teams wurde aus der Variable des Hybrids eine fixe Kostenstelle. Der finanzielle Mehraufwand ist wenig überraschend hoch: Zusammen mit den Vorabmaßnahmen (z.B. leichtere Bauteile als Reaktion auf wachsendes Gewicht und neues Personal) müssen Teams je nach Größe mehr als eine Million US-Dollar bezahlen. Die Top-Truppen mit mindestens drei Rennern und entsprechenden Ersatzautos liegen so schnell bei mehreren Millionen. Trotzdem ist die Akzeptanz für die Revolution hoch. Die 80 Runden in Ohio (ab 19:30 Uhr auf Sky) sollen der Welt beweisen, dass es die Odyssee der letzten fünf Jahre wert war.

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