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Newgarden gewinnt 108. Indianapolis 500
Drama bis zur vorletzten Kurve

Reichlich Patriotismus, heftige Abflüge und am Ende die ganz großen Emotionen: Das 500-Meilen-Rennen von Indianapolis ist wahrscheinlich das größte Spektakel im gesamten Rennsport. Die 108. Ausgabe sah den Showdown zwischen dem Oval-König Josef Newgarden und dem McLaren-Shootingstar Patricio "Pato" O’Ward.

Indy 500 2024 - Josef Newgarden
Foto: IndyCar

Die Geschichte des diesjährigen Indy 500 begann bereits im März. Beim Saisonauftakt der IndyCar in St. Petersburg (Florida) dominierte der Penske-Pilot Josef Newgarden. Was für einen zweimaligen Meister durchaus standesgemäß daherkam, wurde etliche Wochen später zum größten Skandal der Serien-Neuzeit.

Durch Zufall entdeckten die Offiziellen der Meisterschaft über einen Monat später in Long Beach (Kalifornien), dass sein Team den Turbo-Boost "Push-to-Pass" irregulär genutzt hat. Vereinfacht gesagt, konnten die drei Fahrer das System außerhalb des vorgeschriebenen Rahmens einsetzen. Newgarden hatte damit einen wenige Sekunden langen Vorteil beim ersten Rennen. Er und sein Kollege Scott McLaughlin wurden disqualifiziert. Will Power wurden Punkte abgezogen.

Unsere Highlights
IndyCar - St. Petersburg 2024 - Josef Newgarden - Team Penske
IndyCar

Durch eine dominante Leistung gewann Josef Newgarden den Saisonauftakt in Florida. Später stellte sich heraus: Er benutzte illegale Hilfe.

Betrug oder Inkompetenz?

Da dem Milliardär Roger Penske nicht nur die Top-Truppe, sondern auch die gesamte Serie und der legendäre Indianapolis Motor Speedway gehören, rollte eine Welle der Entrüstung durch die Szene. Die anderen Team-Besitzer zeigten sich öffentlich erbost und sprachen von einem erschütterten Verhältnis. Penske selbst schwieg lange.

Durch Pressemitteilungen und Erklärungen versuchten seine Angestellten, den Vorwurf des Betrugs auszuräumen. Ihre Botschaft war klar: Fälschlicherweise befand sich in den Autos noch die Software aus den Hybrid-Tests. Im Juli debütiert der neue Zusatz auf Basis von Superkondensatoren. Allen voran im Bereich der Software darf viel ausprobiert werden.

Dass zwei der drei Fahrer aber in einer Situation den Knopf gedrückt haben, die vom Reglement deutlich ausgeklammert ist, wirft dennoch Fragen auf. Josef Newgarden rechtfertigte sich in einer emotionalen PK: "Ich habe eine davon unabhängige Regeländerung falsch interpretiert und hätte es besser wissen müssen. Das hat dem ganzen Team geschadet." Sein nächster Schritt? "Der Szene beweisen, dass man uns vertrauen kann."

Buhrufe in Indianapolis

Die schlechten Nachrichten hielten bis in den Mai an. Da der Druck von außen eher wuchs, als wieder abzunehmen, suspendierte Roger Penske unter anderem den Team-Präsidenten Tim Cindric für das Indy 500 und die vorherige Generalprobe auf dem Rundkurs von Indianapolis. Doppelt ärgerlich für Newgarden: Cindric ist nicht nur sein Förderer, sondern auch sein regulärer Renn-Stratege. Direkt vor der wichtigsten Veranstaltung des Jahres verlor Newgardens Mannschaft so quasi ihren Trainer.

Der Ersatz kam aus der Sportwagen-Szene. Jonathan Diuguid, Direktor von Porsche Penske Motorsport, half dem Schwesterteam aus. Vor der Zeit des Joint-Ventures mit dem deutschen Hersteller war er in der IndyCar aktiv. Trotzdem musste sich das neue Duo erstmal finden. Nach einem schwachen Rundkurs-Lauf holte das Team Penske dann die gesamte erste Startreihe für das 500-Meilen-Rennen. Traditionell besteht diese aus drei Autos. Newgarden war allerdings der langsamste im Trio. Der Neuseeländer Scott McLaughlin holte seine erste Pole-Position.

Schon der Status als "Titelverteidiger" hätte Josef Newgarden genügend Aufmerksamkeit in Indy gebracht. Doch der Skandal ließ ihn noch mehr in den Fokus rücken. Bei der Fahrer-Präsentation waren überraschend laute Buhrufe zu hören, die sich mit immer noch genügend Jubel duellierten. Die eh Hollywood-eske Aufmachung des Rennens mit Hymnen, Kampfjets und pathetischen Ansprachen nahm so einen weiteren Dreh an.

Indy 500 2024 - Zeremonie
IndyCar

Ein Unwetter zog eine vierstündige Wartezeit nach sich. Trotzdem ließen sich die US-Amerikaner ihre Traditionen anschließend nicht nehmen.

Sturm verzögert Party um vier Stunden

Bevor die über 300.000 Fans die Action auf der Strecke verfolgen konnten, mussten sie zunächst lange warten. Zur avisierten Start-Zeit zog ein heftiges Unwetter über das 1909 eröffnete Oval. Das Abtrocknen und Vorbereiten nahmen ganze vier Stunden in Anspruch. Doch das Warten sollte sich mehr als lohnen. Denn die 108. Ausgabe startete direkt dramatisch.

Tom Blomqvist (Meyer Shank Racing) widerfuhr ein schwerer Rookie-Fehler, als er zu tief auf den rutschigen Randstein der ersten Kurve zog und so in einen Dreher geriet. Marcus Ericsson (Andretti Global) lag direkt in Blomqvists Abflugschneise und kollidierte heftig. Der Ex-Formel-1-Fahrer stieg dabei in die Luft auf, ehe ihn die Safer-Barrier zurück auf die Strecke drückte.

Für Ericsson war es der passende Schlusspunkt eines miesen Monats. Nach einem Trainingsunfall musste er auf ein Back-up-Chassis wechseln, das er nie richtig auf sich anpassen konnte. Nur knapp übersprang er nach einem Timing-Schnitzer die Qualifikationshürde. Das Chaos des hinteren Feldes ließ außerdem Pietro Fittipaldi (RLL) heftig abfliegen.

Indy 500 2024 - Crash
IndyCar

Direkt in der ersten Runde krachte es mächtig. Die spezielle Einheits-Aerodynamik hält die Autos weitgehend auf dem Boden.

Honda-Debakel in der Frühphase

Im Anschluss an längere Aufräumarbeiten gab das Penske-Trio den Ton an. Scott McLaughlin holte sich hierbei seine ersten Führungsrunden beim Klassiker. Zwei weitere Unterbrechungen brachten das Feld wiederholt zusammen: Erst gab der Honda-Motor von Katherine Legge (Dale Coyne Racing) – der einzigen Frau im Feld – den Geist auf, danach rutschte Ganassi-Youngster Linus Lundqvist nach einem missglückten Four-wide-Manöver in die Bande der ersten Kurve. Die Hinterbänkler Conor Daly (DRR-Cusick) und Sting Ray Robb (A. J. Foyt Racing) nutzten eine alternative Strategie in den Gelbphasen, um sich an die Spitze zu bugsieren.

Während Scott McLaughlin nach deren Stopps die Führung zurückerhielt, fielen die anderen Penske-Boys zurück. Besonders Power haderte in der Frühphase. Bereinigt schloss McLaughlin das erste Rennviertel vor Santino Ferrucci (A. J. Foyt Racing), Alexander Rossi (McLaren), Colton Herta (Andretti Global) und Newgarden ab. Im 56. von 200 Umläufen ging das Debakel für Honda weiter. Rauchentwicklung bei Felix Rosenqvist provozierte die vierte Unterbrechung.

Die Szene erinnerte an die vorherige Situation von Legge. Zudem wurde Marcus Armstrong (Chip Ganassi Racing) durch Probleme seines Antriebs aus dem Rennen genommen. Im Gegensatz zu den anderen Honda-Leidtragenden konnte sich der Neuseeländer jedoch schnell genug an die Box retten, um der Rennleitung keinen zusätzlichen Kummer zu bereiten.

IndyCar 2024 - Atmosphäre
IndyCar

Im Zweikampf der Motoren-Hersteller sah Honda meist nur die Heckflügel der Chevy.

Pole-Setter in Problemen

Der frenetische Restart am Ende der 64. Runde stand prototypisch für eine intensive Herangehensweise im Feld. McLaughlin schnappte sich in der Anfahrt zur ersten Kurve innen das Off-Sequence-Duo Daly und Robb sowie Rossi, der ihn vorher bei den Stopps übersprungen hatte. Schnell erkannte der Neuseeländer, dass das freie Fahren zu viel Sprit kostete. Er ließ Robb wieder vorbei und hakte sich im Windschatten des Foyt-Fahrers ein. Trotz der guten Ausgangslage ging es im Funkverkehr der #3 emotional zu: McLaughlin meldete ein größeres Problem mit seiner Kupplung.

Sein nächstbester Verfolger zu diesem Zeitpunkt, Colton Herta, eliminierte sich in Runde 86 auf irritierende Weise. Zunächst verlor er das Heck in der ersten Kurve und fuhr sich im anschließenden Dreher samt Mauerkontakt den Frontflügel kaputt. Dann sprang er aus dem wohl noch fahrbereiten Dallara-Honda – nur um mit rund 17 Runden Rückstand das Rennen später wieder aufzunehmen.

Er ärgerte sich über die Situation: "Ich weiß nicht, wie ich erklären soll, wie ich mich deswegen fühle. Mein Team hätte Besseres verdient gehabt." Weiterer Rückstand und die finale Einstufung als verunfallt zeigten aber, dass das Rennen so oder so für Andrettis größte Hoffnung gelaufen war.

Indy 500 2024 - Scott McLaughlin - Team Penske
IndyCar

Der Neuseeländer Scott McLaughlin zeigte sich dank des Coachings von Simon Pagenaud stark verbessert. Technik-Probleme kosteten die Chance auf einen Sieg.

Taktikmut zahlt sich aus

Kurz vor der Halbzeit erhöhte sich die Anzahl der risikoreichen Strategien auf vier: Zu Daly und Robb stießen Christian Lundgaard (RLL) und Rinus VeeKay (Ed Carpenter Racing). Exakt beim Sprung in die letzten 100 Runden übernahm Newgarden die bereinigte Führung. Nur knapp dahinter lieferten sich Ferrucci und McLaughlin ein enges Verfolger-Duell. Tabellenführer Álex Palou (Chip Ganassi Racing) war parallel trotz Honda-Nachteil endlich in der Führungsgruppe angekommen, konnte den Speed der anderen aber nicht konsequent mitgehen.

Die sechste Unterbrechung des Tages löste Ryan Hunter-Reay (DRR-Cusick) aus, als er in Runde 107 mit Überschuss das Heck des auf der Gegengerade nach innen ziehenden Scott Dixon (Chip Ganassi Racing) berührte und danach über das Gras schlitterte. Im TV-Interview echauffierte sich "RHR" später über das Abwehrverhalten des Routiniers. Die Rennleitung sah jedoch keinen Grund, Scott Dixon für die brenzlige Situation zu bestrafen.

Die Top 5 des Restarts setzte sich aus Newgarden, McLaughlin, Ferrucci, Palou und Rossi zusammen. Indy-500-Debütant und NASCAR-Star Kyle Larson (McLaren) hielt sich nach anfänglichen Problemen auf einem starken sechsten Rang. Dass er durch den späten Start zumindest die volle Distanz des 600-Meilen-Rennens in Charlotte verpassen würde, ließ sich zu diesem Zeitpunkt dementsprechend noch leicht verkraften. Ein Abflug von Marco Andretti fing das Feld dann schnell wieder ein.

Indy 500 2024 - Kyle Larson - McLaren
IndyCar

NASCAR-Star Kyle Larson wollte ursprünglich das "Double" bestreiten: die 500 Meilen von Indianapolis und die 600 Meilen der NASCAR in Charlotte.

Scott Dixon und Patricio O’Ward mischen mit

Bei den ersten richtigen Boxenstopps unter Grün ab Runde 131 sah der Klassiker zwei wichtige Wendepunkte. Zum einen kassierte Larson eine Drive-through-Strafe wegen zu hohen Tempos am Boxeneingang und fiel damit aus der Verlosung. Zum anderen wählten Pato O’Ward und Scott Dixon eine Strategie, die durch eine Caution nach Abflug von Will Power in Runde 147 vergoldet wurde. Die fast schon abgeschlagenen Piloten führten das Feld beim Restart nicht nur zurück in die Renn-Action, sondern mussten wie alle anderen nur noch einmal zum Service.

Ab dem 156. Umlauf lief das Rennen dann ohne Unterbrechungen durch. Weder die zweite Unwetterfront noch das abnehmende Tageslicht stellten eine Bedrohung dar. O’Ward und Rossi bildeten direkt ein Tandem an der Front und wechselten sich dauerhaft ab. Dahinter positionierten sich Dixon, Newgarden, Palou und McLaughlin in Lauerstellung.

Dem Pole-Sitter McLaughlin war das Rennen da mehr oder weniger entglitten. Neben langsamen Stopps wegen des Kupplungsthemas häuften sich weitere kleine Probleme an. Er resümierte später: "Es war mein bestes Rennen hier. Wir hatten den gesamten Tag Chancen, am Ende konnten wir nicht mehr mithalten."

Indy 500 2024 - Josef Newgarden - Team Penske - Pato O'Ward - McLaren
IndyCar

Duell der Giganten: Dauer-Sieganwärter Pato O’Ward zieht zu Beginn der letzten Runde an Josef Newgarden vorbei.

Newgardens Monster-Move

Nach den finalen Boxengassen-Besuchen präsentierte sich die Lage so: McLaren war mit zwei Fahrern quantitativ am besten aufgestellt, Newgarden hatte das schnellste Auto und Dixon die meiste Erfahrung. Für Palou und McLaughlin half nur noch das Hoffen auf einen Abstauber-Sieg. Die Führung sprang immer wieder zwischen Newgarden, Rossi und O’Ward hin und her. Das Trio probierte, die beste Ausgangslage für die entscheidenden letzten Runden zu finden. Als es dann ernst wurde, gingen Josef Newgarden und Pato O’Ward exakt an die Grenze und schenkten dem Speedway eines der besten Duelle seiner Geschichte.

Mit der Regeländerung im Hinterkopf, dass das extrem harte Verteidigen der letzten Jahre verboten wurde und nun die gestrichelte Linie der Boxengassen-Einfahrt strikt respektiert werden muss, übernahm O’Ward unter der geschwenkten weißen Flagge und dröhnendem Applaus die Führung. In der Anfahrt zur dritten Kurve zackte der Mexikaner mehrmals, um den Windschatten von Newgarden zu brechen. Der Penske-Pilot profitierte allerdings von etwas mehr Downforce an der Front und hielt mit.

In der Einfahrt zog Newgarden schließlich außen daneben und knackte seinen Kontrahenten auf unwiderstehliche Art und Weise. Ein Konter war ab da nicht mehr möglich. Wie im Vorjahr kletterte er unter dem Zaun hindurch zu den Fans auf der Start-Ziel-Gerade. Für einen Moment waren alle Kontroversen vergessen. Roger Penske gewann zum 20. Mal das Rennen, das ihn zum Motorsport-Enthusiasten gemacht hatte. Newgarden widerlegte nachdrücklich die Kritiker, die ihm letztes Jahr reines Glück durch die roten Flaggen vorgeworfen hatten.

Indy 500 2024 - Josef Newgarden - Team Penske
IndyCar

Nur sechs Fahrer konnten bisher zweimal hintereinander die Milch genießen. Sollte Josef Newgarden auch 2025 gewinnen, wäre er der erste Triple-Sieger.

O’Ward am Boden zerstört

Parallel zum Freudentaumel spielten sich an der Box von Pato O’Ward herzzerreißende Szenen ab. Der beliebteste Fahrer der 108. Ausgabe suchte Zuspruch bei seiner Crew, die selbst den Tränen nahe war. Der McLaren-Shootingstar wurde schon 2022 Zweiter. Letztes Jahr endete seine Offensive mit einem Abflug. Er erzählte: "Es gab mehrere Situationen in diesem Rennen, in denen ich dem Abflug eigentlich näher war als dem Durchfahren der Kurve. Ich habe alles für den Sieg gegeben. Ihn auf so eine Weise verpasst zu haben, tut noch mehr weh."

Eine Grippe-Erkrankung zuvor mit fünf Fiebernächten kostete dem Mexikaner massiv Kraft – physisch und psychisch. "Vielleicht hole ich in der Zukunft viele Siege nach, vielleicht gewinne ich hier auch nie. Eines bleibt klar: Ich schätze es sehr, Teil des Indy 500 zu sein." Newgarden verneigte sich vor O’Ward: "Durch ihn und seine Fairness wurde das große Racing heute möglich. Ich wünschte, ich könnte ihm Trost spenden, aber so funktioniert das im Sport nicht."

Newgarden und Diuguid freuten sich über ein fehlerfreies Rennen ohne potenzielle Dinge, denen sie hätten nachtrauern müssen. Newgarden berichtete: "Trotzdem fuhr sich das Auto in den letzten Runden schwierig. Das Vertrauen in der dritten Kurve war dennoch riesig." Nach der Disqualifikation in St. Petersburg startet für den 33-Jährigen dank des Indy-Erfolgs nun eine Aufholjagd. Der hohe Oval-Anteil im letzten Saisondrittel ist da genau nach seinem Geschmack. Auch wenn er sich gewohnt als der perfekte Penske-Mitarbeiter gab, hatte Newgarden am Ende noch eine unpolitische Botschaft: "Die Kritiker können jetzt erzählen, was sie wollen. Es ist mir egal! Mein Team hat es allen bewiesen."

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