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Josef Newgarden gewinnt Indy 500
Erst Horrorcrash, dann US-Märchen

Die 107. Ausgabe des Indy 500 gehört zu den dramatischsten der illustren Geschichte. Ein brutaler Unfall kurz vor Ende, bei dem ein abgeschlagenes Rad nur knapp die Fans verfehlte, stellte den Rennverlauf komplett auf den Kopf. Der Penske-Pilot Josef Newgarden sorgte daraufhin im mehrfach unterbrochenen Schlussspurt für eine amerikanische Heldengeschichte.

Indy 500 2023 - Josef Newgarden - Team Penske
Foto: Motorsport Images

In der 185. von insgesamt 200 Runden legte sich eine unheimliche Stille über den Indianapolis Motor Speedway. Mehr als 300.000 Zuschauer verfolgten schockiert die Folgen eines Unfalls, dessen Ausgang kaum hätte glücklicher sein können. McLaren-Pilot Felix Rosenqvist, der zuvor mehrmals das Rennen anführen konnte, hatte in der Dirty Air von Josef Newgarden sein Auto verloren und so eine verhängnisvolle Kette an Ereignissen ausgelöst.

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Nach gleich mehreren Mauerkontakten kreiselte der IndyCar-McLaren wild über die Strecke und touchierte dabei das linke Hinterrad von Kyle Kirkwood (Andretti Autosport), das durch die Wucht abbrach. Während das hoch aufsteigende Rad samt Anbauten den riesigen Fangzaun überflog, schlug Kirkwood mit großer Geschwindigkeit in die SAFER Barrier der zweiten Kurve ein. Der rosafarbene Dallara-Honda rutschte anschließend noch eine längere Strecke auf dem Kopf weiter.

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Genau die Lücke erwischt

Wie durch ein Wunder verpasste das runde Projektil sowohl die volle Tribüne als auch eine VIP-Suite und landete auf einem Parkplatz. Erleichtert konnten die Offiziellen kurz darauf verkünden, dass statt Menschen nur ein geparktes Auto getroffen wurde. Der weiße Chevrolet wurde vorne links ordentlich lädiert. Abseits davon sei ein Fan am Sonntag von Trümmern leicht verletzt worden. Er wurde im Medical Center der Strecke behandelt und zügig wieder entlassen.

Kyle Kirkwood konnte nach dem Aufrichten selbstständig aussteigen und berichtete erst über leichte Knieprobleme. Im Anschluss an einen Check verfolgte das Talent aus Florida das restliche Rennen in der Boxengasse und beruhigte nach dem Schockmoment samt Funkenflug: "Mir geht es gut, aber ich bin natürlich enttäuscht. Ich dachte, wir hätten heute gewinnen können."

Indy 500 2023 - Felix Rosenqvist - McLaren
IndyCar
Felix Rosenqvists Indy-Spezial-Folierung erinnerte an den Monaco-GP-Sieg von Alain Prost im Jahr 1984.

Etliche Favoriten stolpern

Der ebenfalls unverletzte Felix Rosenqvist war einer von mehreren Fahrern mit Führungsrunden, denen das Rennen übel mitspielte. Besonders skurril war ein Zwischenfall mit dem Pole-Setter Álex Palou (Chip Ganassi Racing) und seinem Verfolger Rinus VeeKay (Ed Carpenter Racing). Die beiden Youngster, die sich im ersten Rennviertel die Führungsrunden aufgeteilt hatten, kollidierten in der 95. Runde am Ende der Boxengasse.

VeeKay, der eigentlich Rinus van Kalmthout heißt, verlor beim Burnout aus seiner Pit-Fläche heraus die Kontrolle und schob den vor ihm herausbeschleunigenden Palou in die Mauer. Wegen der geringeren Geschwindigkeit sollten beide jedoch weiterfahren können. Durch die Strafe für VeeKay und die Reparatur bei Palou waren die Siegchancen trotzdem dahin. Dank des Chaos zum Schluss konnte Palou immerhin in Form des vierten Rangs wertvolle Punkte einsammeln und die Tabellenführung behalten.

Indy 500 2023 - Álex Palou - Chip Ganassi Racing
IndyCar
Der Pole-Setter Álex Palou führte anfangs über etliche Runden das Feld an.

McLaren vs. Platzhirsche

Mit dem Beginn des zweiten Renndrittels hatten sich die McLaren-Fahrer Rosenqvist und Patricio "Pato" O'Ward an der Spitze festgesetzt und wechselten sich anschließend dort ab. So konnten sie nicht nur Sprit sparen, sondern auch die in diesem Jahr sensibleren Reifen schonen. Dahinter sollte sich Santino Ferrucci einreihen. Der 24-Jährige aus Connecticut gilt in Amerika auch wegen seines legendären Teambesitzers A. J. Foyt als Fanfavorit. In Europa erinnert man sich eher an seine diversen Formel-2-Skandale – darunter der von der FIA abgeschmetterte Wunsch einer Donald-Trump-Folierung.

Als nächste Verfolger etablierten sich derweil zwei große Namen. Zum einen hatte sich der Vorjahressieger Marcus Ericsson (Chip Ganassi Racing) mit einer smarten Strategie an die Spitze herangerobbt, zum anderen war Josef Newgarden vom 17. Startrang nach vorne geeilt.

Den ersten großen Wendepunkt brachte der Abflug von Romain Grosjean (Andretti Autosport) im 150. Umlauf. Wie 2022 scheiterte der Franzose damit vorzeitig beim Saisonhöhepunkt der IndyCar. Die von ihm ausgelöste, zweite Neutralisierung splittete das Feld in zwei Strategie-Gruppen auf. Die eine verzichtete wegen ihres Services um die 15 Runden zuvor auf einen Zusatzbesuch, die andere nahm diesen trotzdem wahr. Unter anderem musste sich so O'Ward hinten einordnen, doch die unerwartete Stopp-Chance glich ein vorheriges Tankdefizit aus.

Indy 500 2023 - Patricio "Pato" O'Ward - McLaren
Motorsport Images
Dank einer mutigen Boxenstopp-Strategie und etwas Timing-Glück blieb Pato O'Ward im Kampf um den Sieg.

O'Ward verliert die Nerven

Dementsprechend wurde mit Spannung erwartet, wie sich das Feld nach den finalen Stopps zusammensetzen wird. Für O'Ward erwies sich der Strategie-Schachzug als smart: Er ging mit 17 ausstehenden Runden und frischeren Reifen bereinigt in Führung. Doch nur einen Augenblick später verlor Rosenqvist im Duell mit Newgarden seinen Marlboro-Design-esken McLaren.

Im Anschluss an die Aufräumarbeiten und die ominöse Radsuche brauchte O'Ward zwei Anläufe, um das Feld mit korrektem Speed in den Rennbetrieb zurückzuführen. Ericsson reagierte bei der Freigabe des zweiten Versuchs schnell und kassierte O'Ward noch vor der Start-Ziel-Linie ein. In der IndyCar signalisiert die grüne Flagge, dass Überholen erlaubt ist. Newgarden antizipierte allerdings noch schneller und ging acht Runden vor Ende außen herum in die Führung.

Während der Penske-Pilot in der zweiten Kurve und auf der Gegengerade einen kleinen Vorsprung aufbaute, erschien O'Ward im Duell mit Ericsson zunehmend verzweifelter. In der dritten Kurve zog er dann mit Schwung auf die Innenbahn, die der Schwede zwar nachdrücklich, aber nicht unfair schloss. Für den mexikanischen McLaren-Star ging so oder so der Platz aus. Sein Highspeed-Dreher endete samt der Siegträume in der Mauer.

Indy 500 2023 - Santino Ferrucci - A. J. Foyt Enterprises - Josef Newgarden - Team Penske - Marcus Ericsson - Chip Ganassi Racing
IndyCar
Das Trio Ferrucci, Newgarden und Ericsson bot reichlich Action. Die zahlenmäßige Überlegenheit von Chevrolet-Antrieben passt zum Rennverlauf.

Drei rote Flaggen als neuer Rekord

Auch hier entschied sich die Rennleitung für eine rote Flagge, da das Durcheinander zusätzliche Auffahrunfälle provoziert hatte. Alle Fahrer blieben unverletzt. Vier volle Runden standen noch an, als die IndyCar den Thriller wieder freigeben konnte. Doch das Feld schaffte es nicht mal geschlossen bis zur Start-Ziel-Linie: Ein reichlich absurder Auffahrunfall sorgte für einen neuen Rekord von drei Rotflaggen-Unterbrechungen.

Schnell war absehbar, dass nur noch eine Runde unter Grün machbar sein wird. Die Rennleitung analysierte die Reihenfolge beim Ausrufen der Neutralisierung demnach sehr genau. Klar war, dass Ericsson in Führung lag. Newgarden und Ferrucci waren allerdings fast auf Augenhöhe. Die Videoaufnahmen lieferten die passenden Argumente für Newgarden – eine essenzielle Entscheidung für den Schlussspurt.

Ericsson führte das stark dezimierte Feld mit seinem altbekannten Hin- und Herziehen in den letzten Umlauf. Newgarden ließ sich aber nicht abschütteln und nahm in der dritten Kurve sein Schicksal in die Hand. Mit genau demselben Manöver wie Ericsson zuvor verteidigte er die Last-Minute-Führung bis ins Ziel. Der kurz vorher noch komplett leise Speedway brach in lauten Jubel aus.

Indy 500 2023 - Josef Newgarden - Team Penske
IndyCar
Josef Newgarden führte insgesamt fünf Runden an. Nur zwei Sieger hatten weniger: Joe Dawson lag 1912 zwei Umläufe in Führung, Dan Wheldon 2011 nur einen.

Newgarden erlöst, Ericsson erbost

Im zwölften Anlauf konnte sich der zweimalige Champion endlich zum Indy-500-Sieger krönen. Der Racer aus Tennessee erklärte: "Ich wollte unbedingt gewinnen und war gewillt, mein Auto zu riskieren. Das Indy 500 hat mir unfassbaren Druck auf die Schultern gelegt, der nun abfällt. Meine Titel und den Sieg kann ich auch deswegen nicht vergleichen, es sind einfach unterschiedliche Dinge."

Der frühere Formel-1-Fahrer Marcus Ericsson fühlte sich hingegen ungerecht behandelt: "Ich finde die Entscheidung der Rennleitung falsch. Es ist unsicher, ohne mehrere Aufwärmrunden zurück in den Rennbetrieb zu gehen." Trotzdem sei Newgarden ein verdienter Sieger. "Durch das neue Aero-Paket ist man als Führender in dieser Situation chancenlos. Ich habe alles richtig gemacht, bin aber enttäuscht."

Für das Team von Roger Penske ist es der 19. Sieg auf dem 2,5-Meilen-Oval. Zudem ist es der erste Erfolg, seitdem sein Firmen-Imperium die Strecke und die Serie erworben hat. Und es ist der erste Chevy-Triumph seit 2019. Bereits am kommenden Wochenende geht die Saison auf einem neuen Stadtkurs im Herzen von Detroit weiter.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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