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Im DTM-Audi auf dem Norisring
Selbstversuch im 460 PS starken Tourenwagen

Der Norisring ist die härteste Belastungsprobe im DTM-Kalender. Hier werden Mensch und Material bis zum äußersten Limit gefordert. Selbstversuch im Cockpit des Audi RS 5 bei 35 Grad Außentemperatur.

DTM-Audi auf dem Norisring
Foto: Hans-Dieter Seufert

Für Couch-Potatoes ist immer alles so furchtbar einfach. Versemmelt ein Fußballer eine Großchance, quietscht das Fan-Volk: „Den hätte doch noch meine Oma versenkt!“ Ähnliche Reaktionen sind auch bei Autorennen zu beobachten. Egal ob Formel 1 oder DTM: Selbst kleine Fahrfehler werden gerne hämisch kommentiert: „So ein Penner.“ Oder: „Gib doch endlich mal Gas!“

Geschichte aus dem Cockpit des Audi RS 5 ein Plädoyer für die Profis

Tatsächlich gaukeln die oftmals recht unspektakulären Onboard-Aufnahmen dem Publikum vor, dass Rennautofahren so ungefähr das Einfachste auf der Welt sei. Egal ob Formel 1, Le Mans oder DTM: Hier kann scheinbar jeder mitmischen, der schon mal zehn Minuten auf der Playstation durchstand, ohne dabei drei virtuelle Totalschäden zu fabrizieren.

Doch die raue Wirklichkeit sieht anders aus. Denn das Fernsehen spiegelt vieles eben nicht wider: die Enge des Sitzes, die Querbeschleunigung in den Kurven, die unglaubliche Hitze im Cockpit, den zermürbenden Lärm, die groben Stöße des Fahrwerks, die hohen Pedalkräfte beim Bremsen, den Stress beim Start. Insofern ist diese Geschichte aus dem Cockpit des Audi RS 5 auch ein Plädoyer für die Profis.

Das Kronjuwel der DTM ist der Norisring, rund um die von den Nazis gebaute Steintribüne. Die Straßen um das allmählich zerbröselnde Monument des Irrsinns und des Größenwahns sind jetzt Parkplätze. Einmal im Jahr kommt hier Leben in die Bude. Der Parkplatz wird zu einer Rennstrecke mit scheinbar lächerlich simplem Design: zwei Spitzkehren, eine mittelschnelle S-Kurve. Doch nirgendwo kommen mehr Zuschauer zur DTM als in Nürnberg, und nirgendwo ist die Stimmung besser.

Mattias Ekström als Fahrlehrer

Der nur 2,3 Kilometer lange Kurs hat aber seine Tücken: Hier gibt’s keine Kiesbetten, hier wird bis zur Mauer gedriftet. Bloß die früher so gefürchteten Bodenwellen sind immer mehr weggebügelt worden: „Wer jetzt noch über Bodenwellen klagt, weiß nicht, was Bodenwellen sind“, sagt Mattias Ekström.

An Norisring-Wochenende im Juni fungierte der zweifache DTM-Champion auch als Fahrlehrer für den auto motor und sport-Mann im Cockpit des DTM-Audi-RS-5. Es ist durchaus als Vertrauensbeweis von Rennleiter Wolfgang Ullrich zu werten, dass Audi Sport ausgerechnet auf dem auslaufzonenarmen Norisring einen seiner fast eine Million Euro teuren Prototypen für einen Testritt herausrückt. Und zwar das Renntaxi, das sich von den aktuellen Einsatzautos im Wesentlichen nur durch ein modifiziertes Monocoque unterscheidet. Wegen des zweiten Sitzes schrumpft der Tankinhalt von 120 auf 28 Liter. Zudem fehlt die Überholhilfe DRS, der auf Knopfdruck nach hinten klappende Heckflügel, der den Piloten 8 km/h mehr Vmax beschert.

Schon am frühen Morgen bei der Sitz- und Gurtprobe frage ich mich angesichts der molligen Außentemperatur von 30 Grad: Wäre es nicht besser gewesen, den kostbaren Audi im kühlen Herbst zu fahren, vielleicht auf dem Nürburgring? Aber das würde ein anderes Problem aufwerfen, zu geringe Reifentemperatur. Mir kommt in den Sinn, was der dreifache Le-Mans-Sieger Marco Werner beim Frühstück sagte: „Kalte Slicks – auch für Rennprofis der Horror.“

Für rundliche Couch-Potatoes ist ein DTM-Auto kein geeignetes Habitat. Denn korpulenten Personen gewährt der gut hüfthohe Prototyp (1,15 Meter von den Hankook-Slicks bis zum Dach) keinen Einlass. Dazu ist die Türluke viel zu klein und der Seitenschweller viel zu breit. Ich parke meine Kehrseite im Sitz ein. Es zwickt erheblich. Die Mechaniker versichern mir: „Dem Hans Stuck hat der Sitz aber gepasst, und der ist genauso lang wie du.“ Ich antworte: „Nach den ersten Bodenwellen wird es mich schon reindübeln ins Monocoque.“ Die Mechaniker grinsen.

DTM-Audi auf dem Norisring
Hans-Dieter Seufert
Extrem direkte Lenkung: 90-Grad-Lenkeinschlag genügen in der Spitzkehre auf dem Norisring.

Keine Angst vor dem Gaspedal

In der für DTM-Autos typischen embryonalen Sitzposition warte ich auf Mentor Ekström. Im Taxizelt hat’s inzwischen 45 Grad. Alle schwitzen nach Kräften. Ekström kommt gut gelaunt hereinspaziert. Da kann er noch nicht ahnen, dass er bei diesem Norisring-Wochenende wegen zweier selbst verschuldeter Auffahrunfälle ohne Meisterschaftspunkte bleiben wird.

„Bremse treten, und zwar mit dem linken Bein mit genau 40 Kilo Druck“, ordnet Ekström an. „Das siehst du hier im Display.“ So wird die Bremsbalance justiert. „Und jetzt am Knopf hier rechts zwei Klicks nach links drehen.“ In einem anderen Feld auf der Digitalanzeige erscheint die Angabe „52 Prozent“, zugunsten der Vorderräder. „Passt“, befindet Ekström. Die weiteren Ratschläge des Champions: „Erstens: keine Angst vor dem Gaspedal haben! Zweitens: Kupplung beim Anfahren lange schleifen lassen! Drittens: Fahrt genießen!“

Der hat Nerven, denke ich. Nach einer halben Stunde im stehenden Auto fühle ich mich wie ein medium rare gebratenes Steak. Mein Respekt vor den Leistungen der Fahrer steigt: Eine Stunde am Limit zu kämpfen bei diesen Temperaturen – Hut ab! „Unmenschlich“ sei es hier manchmal, hatte Marco Wittmann gesagt. Ich finde: Der Champion von 2014 hat nicht übertrieben.

V8 klingt ein bisschen enttäuschend

Endlich das Signal: Motor starten. Der V8 klingt ein bisschen enttäuschend. Laut und kraftvoll, aber kein V8-Bollern. Das liegt an der 180-Grad-Kurbelwelle. Bringt Leistung, kostet Sound, das weiß jeder Techniker. Leichtes Antippen des Gaspedals: Der V8 dreht blitzartig hoch. Klar, die Schwungmasse ist bei einem Rennmotor praktisch nicht existent. Das macht das Anfahren nicht leichter. „N“-Knopf drücken, an der Schaltwippe rechts zupfen: Scheppernd rastet der erste Gang ein. Jetzt noch Feingefühl an der Kupplung beweisen, und die rasende Sauna rollt an. Netterweise verfügen DTM-Renner über ein Fahreranblas-System. Die glühend heißen Auspuffrohre, die direkt unter den Seitenschwellern wohnen, wirken aber kontraproduktiv für ein bekömmliches Betriebsklima, quasi als Ellenbogenheizung.

In den Schultern sollte ein DTM-Fahrer ziemlich beweglich sein: Anders als an einem normalen Lenkrad kann man beim DTM-Lenkhorn nicht vorgreifen. Doch gekreuzte Arme gibt’s höchstens bei abrupten Ausweichmanövern zu sehen. Selbst in der Grundig-Spitzkehre, mit 55 km/h die langsamste Kurve des Jahres, genügen 90 Grad Lenkeinschlag. Dank Servo sind die Lenkkräfte sehr gering. Anders die Bremse: Wer kraftvoll verzögern will, muss 80 Kilo stemmen. ABS ist vom Reglement verboten. Blaue Lampen warnen den Fahrer, wenn ein Vorderrad blockiert. Ekströms Rat: „Dann musst du die Bremse schnell und gefühlvoll lösen.“

Doch bevor ich alles in der Praxis erproben kann, macht der RS 5 schlapp. Null Vortrieb. Die Kohlefaser-Kardanwelle, ein Einheitsbauteil, ist gebrochen. „Vielleicht lag es an der Hitze“, meinen die Mechaniker. „Das hatten wir vor ein paar Jahren schon mal, in Valencia.“ Tags darauf gibt’s im Renntaxi ein Praktikum beim Profi: Daniel Abt fährt, ich sitze rechts. Das Beschleunigen liegt auf dem Niveau von handelsüblichen Supersportwagen, aber beim Bremsen geht’s enorm zur Sache. Von 250 km/h auf 55 km/h innerhalb von 150 Metern. Die Fliehkraft zerrt am Helm und den Nackenmuskeln. Und zwar so kräftig, wie es sich Couch-Potatoes wohl nicht mal in ihren kühnsten Träumen ausmalen würden.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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