Es war eine Machtdemonstration. Nach nur vier Stunden besetzten die beiden Ferrari-Werksrenner mit den Nummern 50 und 51 sowie der private AF-Corse-Schwesterwagen mit der #83 erstmal das komplette virtuelle Podium. Die Porsche-Truppe, welche direkt zu Beginn die Führung von den Cadillac-Pole-Settern übernommen hatte, musste sich spätestens ab da als beste Verfolgerin hinten einordnen.
Zwar würfelten mehrere unglückliche Strafen für das Ferrari-Trio die Spitzengruppe über die kurze Nacht hinweg einige Male durch, aber als der Morgen über den Circuit de la Sarthe hereinbrach, war klar: Ferrari kann sich nur selbst schlagen.
Auch im Porsche-Lager musste man einige Probleme hinnehmen. Nur die Nummer 6 mit Matt Campbell, Kévin Estre und Laurens Vanthoor kam – abgesehen von einem schnell abgeschüttelten Reifenschaden – gut durch das Rennen. Sie war im Endspurt die einzige echte Herausforderin der roten Übermacht.

Beim Start lagen noch die Cadillac des Jota-Teams vorne. Über die Distanz hielten diverse Probleme die US-Bollerwagen zurück.
Interner Zwist mit Happy End
Wer Ferraris Sieg-Hattrick vollenden sollte, blieb lange unklar. Wie im Vorjahr konnte der nominell private Vertreter rund um Robert Kubica, Phil Hanson und Yifei Ye nicht nur die Werkskollegen ärgern, er lag lange vor ihnen. Auch als die letzte Stunde anbrach, leuchtete es Gelb an der Spitze.
Schlussfahrer Kubica kämpfte vorher hart um diese Chance. Unter anderem erbat er sich öffentlich hörbar am Funk, dass man das Werksduo attackieren darf. Nach etwas Hin und Her schienen sich die Verantwortlichen glücklicherweise pro Dreikampf entschieden zu haben. Obendrein hatte der polnische Ex-Formel-1-Fahrer das Glück auf seiner Seite.
Ein Mix aus besagten Strafen der Roten, einem günstigen Safety-Car zur Rennmitte, guten Stopp-Timings und einem Schnitzer von Alessandro Pier Guidi in der #51 schoben ihn auf den ersten Platz. Pier Guidi hatte sich in der Boxeneinfahrt gedreht, nachdem er eine Runde zuvor wegen einer Full-Course-Yellow-Phase nur einen Notstopp absolviert hatte. Mit der verlorenen Zeit im Hinterkopf ging er womöglich in der diffizilen Abfahrt ein zu hohes Risiko ein. Sein 499P hüpfte auf dem Randstein und landete im Kiesbett. Glücklicherweise fand er jedoch den Weg zurück auf den Asphalt.
Bestes LMDh-Ergebnis für Porsche
Kubica verwandelte gekonnt den rennsportlichen Elfmeter. Für ihn, Phil Hanson und Yifei Ye ist es der mit Abstand größte Karriereerfolg. Auf dem zweiten Rang lief schlussendlich Porsches Nummer 6 ein. Ähnlich wie der private Ferrari profitierte sie von den Fehlern der Scuderia und von der einzigen SC-Intervention. Über die gesamten 24 Stunden hinweg präsentierte sich das Rennen extrem sauber. Dadurch konnte es den Hoffnungen auf Action und zahlreiche Überholmanöver nicht wirklich gerecht werden.
Die beiden Werks-Ferrari fanden sich derweil im Duell um den letzten Podiumsplatz wieder. Dieses entschieden die 2023er-Sieger Antonio Giovinazzi, James Calado und Alessandro Pier Guidi zu ihren Gunsten. Ihre Kollegen Antonio Fuoco, Nicklas Nielsen und Miguel Molina lagen nur 1,179 Sekunden dahinter.
Die Top 5 komplettierte der #12-Cadillac (Alex Lynn, Norman Nato und Will Stevens). Obwohl sich die US-Amerikaner nach der Doppel-Pole natürlich deutlich mehr erhofft hatten, gilt es als Achtungserfolg. Die V8-Renner haderten über weite Teile der Ultra-Distanz, dazu kamen technische Probleme sowie Ausfälle. Die Nummer 12 wurde als letztes Auto in der Führungsrunde abgewinkt.

Obwohl viele auf einen Ferrari-Sieg getippt hätten, war der private AF-Corse-499P eine Außenseiterwette. Auch Porsches zweiter Platz schien nach der zunächst starken Anfangsphase weit entfernt.
Frust beim riesigen Verfolgerfeld
Die anderen Marken enttäuschten durchweg. Toyota konnte nur kurz zur Spitze vordringen, von der erhofften Favoriten-Form war man schließlich jedoch weit entfernt. Fahrfehler und Schäden verlängerten zudem die Liste jüngster Le-Mans-Pleiten. Die Deutsch-Japaner ärgerten sich besonders über die Performance-Lücke zwischen beiden Autos.
Im Vergleich zu 2024 erreichte Alpine immerhin das Ziel. Der Weg dahin gestaltete sich aber sehr steinig. Während der Frühphase sammelten die Franzosen mehrere Strafen wegen Überschreitungen der Pitlane-Geschwindigkeit. Auch sonst erfüllte der verbesserte A424 nicht die gestiegenen Hoffnungen nach den Updates. Mick Schumachers #36 lief hinter dem Schwesterauto auf dem elften Platz ein.
BMW konnte länger um die besten zehn Positionen kämpfen. Immer wieder hielten Kleinigkeiten wie Verbremser die Bayern dennoch zurück. Ab dem Ende der Nacht steigerten sich die Probleme, bis in den letzten Stunden die Technik streikte. Bei der Nummer 20 streikte der Motor, bei der Nummer 15 machte die Hybridkühlung Sorgen. Das Duo konnte das Rennen trotzdem beenden.
Ärger bei Peugeot, Ausdauer bei Aston
Schon weit vor dem Start war die Laune im Peugeot-Lager auf dem Tiefpunkt. Die diesjährige BOP-Einstufung verfehlte deutlich das Ziel, wodurch die Löwenmarke chancenlos blieb. Eine verzweifelte Spritspar-Strategie schob die Nummer 94 mehrmals in einen vorderen Bereich. Das stellte sich allerdings nicht als nachhaltig heraus. Der Neu-CEO Alain Favey erklärte bereits vor dem Start bezüglich Ausstiegsgerüchten: "Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wir werden uns verbessern."
Dasselbe Motto findet man bei Aston Martin. Die V12-Renner spielten im Debütjahr keine Rolle, lieferten jedoch trotzdem einen Grund zur Freude: Beide kamen ohne gravierende Probleme ins Ziel. Vier Runden Rückstand für die #009 und sechs Runden für die #007 sollten das Hausaufgabenheft so oder so reichlich füllen.
Die LMP2-Kategorie fand im #43-Inter-Europol-Oreca einen dominanten Sieger. Das smart anhand der Fahrervorgaben aufgestellte Trio Tom Dillmann, Jakub Śmiechowski und Nick Yelloly dominierte über zahlreiche Runden. Trotzdem brachte die polnische Truppe den zweiten Feiergrund neben Kubica in Gefahr. Eine späte Pitlane-Speeding-Strafe sollte aber nichts mehr am Triumph ändern.

Manthey bleibt in der GT3-Ära ungeschlagen. Der Showdown gegen BMW, Valentino Rossi und WRT wurde vom Schicksal verhindert.
Manthey profitiert von Rossi-Pech
Wie schon 2024, beim Debüt der LMGT3-Kategorie, konnte Manthey die jahrzehntelange Erfahrung ausspielen. Profi Richard Lietz, Amateur Ryan Hardwick und Youngster Riccardo Pera zeigten früh eine gute Pace. Für die Führung brauchte es aber Drama. Mitten in der Nacht landete der Führende Kelvin van der Linde – Teamkollege von Valentino Rossi und Ahmad Al Harthy im #46-WRT-BMW – im Kies. Der Grund lag bei der Technik: Die Servolenkung wollte nicht mehr mitmachen. Wenig später fiel das Schwesterauto aus.
Manthey konnte so zur "Titelverteidigung" durchmarschieren. Die vom Speed her favorisierte Ferrari-Kundenabteilung platzierte den #21-AF-Corse-296 auf dem zweiten Platz, Dritte wurde die #81-TF-Sport-Corvette. Wie die anderen Divisionen war der Klassenkampf ruhiger als gewöhnlich. Sieger Lietz erklärte: "Das fühlte sich etwas mehr nach dem klassischen Le-Mans-Spirit an."
Abseits des Ferrari-Hattricks findet sich so eher wenig Historisches in der 93. Ausgabe. Vielleicht ändert es sich, wenn das Hypercar-Feld dank Hyundai 2026 noch weiter wächst. Auch dann werden über 320.000 Fans für eine riesige Party sorgen.