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24 Stunden von Le Mans 2024 – Rennergebnis
Ferrari gewinnt Strategie-Schlacht

24h Le Mans 2024

Die riesigen Erwartungen an die 92. Ausgabe des Klassikers waren gerechtfertigt. Fiese Regenschauer, mutige Strategien und harte Zweikämpfe schenkten den über 300.000 Fans ein bis zum Ende furioses Rennen. Ferrari setzte sich am Ende mit Glück durch, Toyota erlebte die nächste bittere Niederlage. Auch für Valentino Rossi und Mick Schumacher war Le Mans 2024 eine Enttäuschung.

Le Mans 2024 - #50 Ferrari 499P - Nicklas Nielsen - Antonio Fuoco - Miguel Molina
Foto: DPPI

Bereits in der Qualifikation gab es Spannung bis zum Ende. Die Pole-Position ging an den #6-Werks-Porsche (Kévin Estre/André Lotterer/Laurens Vanthoor). Dahinter reihte sich der #3-Werks-Cadillac (Sébastien Bourdais/Scott Dixon/Renger van der Zande) ein. Das in Rot gehaltene Ferrari-Duo – die Nummer 51 (James Calado/Antonio Giovinazzi/Alessandro Pier Guidi) sowie die Nummer 50 (Antonio Fuoco/Miguel Molina/ Nicklas Nielsen) – und der #35-Alpine (Ferdinand Habsburg/Paul-Loup Chatin/Charles Milesi) rundeten die Top 5 der Startaufstellung ab.

Unsere Highlights

Dahinter war das 23 Renner starke Feld der Hypercar-Topklasse bunt durchmischt. Nach enttäuschenden Qualifying-Ergebnissen standen die anderen Werks-Porsche und die beiden Toyota ungewohnt weit hinten im Grid. Ihr Ziel war dementsprechend, so früh wie möglich die Konkurrenz von Alpine, BMW, Lamborghini und Peugeot zu attackieren.

Die Startphase verlief dennoch größtenteils gesittet. Nicklas Nielsen brachte den #50-Ferrari nach wenigen Minuten in Führung. Auch das Schwester-Auto und der auf dem zwölften Platz gestartete private 499P (#83: Robert Kubica/Robert Shwartzman/Yifei Ye) zeigten eine starke Frühform. Das Resultat: eine rote Doppelführung zum Abschluss des Auftaktstints.

Le Mans 2024
DPPI

23 Prototypen traten in der Hypercar-Topklasse an. Der erwartete chaotische Start blieb aus.

Früher BMW-Ärger

Während die Tifosi eindrucksvoll die Mission "Titelverteidigung" aufnahmen, machte sich im BMW-Lager schnell Frust breit. Marco Wittmann verlor nach nicht mal 20 Minuten die Kontrolle über seine Nummer 15 (Raffaele Marciello/Dries Vanthoor/Marco Wittmann) und musste Ersatzteile an der Box abholen. Wenige Stunden später sollte es noch schlimmer werden.

In der Frühphase des Rennens blieb Ferrari in der Vormachtstellung. Kleinere operative Fehler des Werks-Duos hoben den gelben Privat-499P an die Spitze. Dass die Führung keinesfalls glücklich war, bewiesen die beiden Roberts, Shwartzman und Kubica, mit starken Zeiten. Zudem behielten sie im Hin und Her von Regenschauern die Übersicht.

Zum Abschluss der ersten vier Stunden lagen die #83 und die #50 vorne. Ihre besten Verfolger waren zwei Werks-Porsche: die Nummer 5 (Matt Campbell/Michael Christensen/Frédéric Makowiecki) und die von der IMSA-Crew betreute Nummer 4 (Mathieu Jaminet/Felipe Nasr/Nick Tandy). Ihr #6-Schwester-Auto hatte sich im Regenreifen-Poker verzockt und musste viele Plätze gutmachen. Die beiden Toyota waren hierbei ein passendes Vorbild. Sowohl die #7 (Nyck de Vries/Kamui Kobayashi/José María López) als auch die #8 (Sébastien Buemi/Brendon Hartley/Ryo Hirakawa) hatten sich schrittweise in der Top-10-Liste etablieren können.

Le Mans 2024 - BMW - Art Car
xpb

Das Comeback von BMW in Le Mans war nur auf dem Art Car farbenfroh.

Technischer K.o. für Alpine

Noch vor der richtigen Nacht war das Comeback von Alpine in der Topklasse abrupt vorbei. Beide Autos erlitten Motoren-Probleme. Der Turbo-Antrieb der #35 rauchte dramatisch auf der Strecke ab. Die Nummer 36 (Nicolas Lapierre/Mick Schumacher/Matthieu Vaxivière) wurde in der Box abgestellt. Schumachers Le-Mans-Debüt endete somit ernüchternd und wenig erkenntnisreich.

Ähnlich präsentierte sich die Gefühlslage bei BMW. Auf den Wittmann-Ausrutscher folgte erst ein Einschlag des BMW-Art-Car (#20: Robin Frijns/René Rast/Sheldon van der Linde) in der Ford-Schikane, der viel Reparatur-Aufwand nach sich zog. Weitaus schlimmer traf es die Nummer 15 bei noch über 17 Stunden. In der Anfahrt zur Mulsanne-Kurve zog ausgerechnet der führende Privat-Ferrari irritiert von GT3-Verkehr schräg vor Dries Vanthoor.

Der Belgier drehte sich nach dem Kontakt weg und schlug mit der Front hart in die Leitplanken ein. Im Medical Center wurde eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert. Der jüngere Vanthoor-Bruder beschwerte sich später nachdrücklich über Kubica: "Das war ein schlechter Tag für unseren Sport, wenn jemand sowas tut." Das Rennen wurde anschließend erstmals mit einem Safety Car neutralisiert.

Le Mans 2024 - Alpine - Mick Schumacher
xpb

Bei seinem Le-Mans-Debüt kam Mick Schumacher nicht viel zum Fahren. Das Drumherum begeisterte den ehemaligen Formel-1-Fahrer trotzdem.

Regen unterbricht die Action

Kubica kassierte für die Fehleinschätzung eine 30-Sekunden-Stop-and-Go-Strafe. Diese sollte den gelben 499P zwar nicht aus der Verlosung nehmen, aber ließ beide Toyota, den #50-Ferrari, den #6-Porsche und den #2-Werks-Caddy (Earl Bamber/Alex Lynn/Álex Palou) vor ihn springen. Zu Beginn des Sonntags etablierte sich damit Toyota erstmals als ein echter Anwärter auf den Sieg bei der 92. Ausgabe. Aber auch die #6 hatte sich über ihre, vorher noch glücklose, Taktik wieder gekonnt in die Top 3 gekämpft.

In der zweiten Hälfte der Nacht zog der bis dahin stärkste Regen über den Circuit de la Sarthe und provozierte eine mehrere Stunden lange SC-Phase. Die sonst so herausfordernde Jagd durch die Dunkelheit wurde zu einer feuchten Dauer-Parade. Passend zur Frühstückszeit wurden die Bedingungen schließlich besser und das Rennen wieder freigegeben. Die Restfeuchte brachte beim Übergang zu den Slicks reichlich Risiko mit sich.

Ein LMGT3-Aston-Martin fiel den trügerischen Umständen wohl zum Opfer und überschlug sich im Reifenstapel des schnellen vorderen Indy-Rechtsknicks. Erneut bekam das SC so zahlreiche Führungsrunden. 5,5 Stunden vor Schluss sollte die letzte SC-Unterbrechung enden. Ab da wurde den ausverkauften Tribünen intensives Racing geboten.

Le Mans 2024 - Ferrari 499P
Motorsport Images

Mit einer starken frühen Pace widerlegte Ferrari, dass letztes Jahr ein Geschenk der Balance of Performance gewesen ist.

Erhoffter Vierkampf wird Realität

Zehn Autos lagen zu diesem Zeitpunkt in der Führungsrunde und größtenteils auch im Clinch miteinander. Die vor dem Rennen getroffene Prognose eines Kampfs zwischen den vier erfahrensten Marken – Cadillac, Ferrari, Porsche und Toyota – trat mehr oder weniger endlich ein. Der Nummer-2-US-Renner verfolgte hierbei eine andere Strategie, wodurch es mehrere Sprünge an der Spitze gab.

Eines war aber klar: Die vorsichtigere Herangehensweise des Samstags war final vorbei. Als Erstes fiel der gelbe Ferrari vier Stunden vor Ende aus dem Anwärterkreis. Die #83 wurde mit qualmender Front in der Boxengasse gefilmt. Womöglich ging etwas im Bereich der Front-MGU in die Knie.

Mit steigenden Temperaturen konnten die Werks-Renner dafür die italienische Trikolore hochhalten. Vieles deutete auf die Wiederholung des 2023er-Fights gegen Toyota hin. Porsche verlor den Anschluss in der Mittelphase des letzten Viertels – auch der schnelle Soft-Reifen konnte die Lücken nicht verkleinern bzw. konstant halten. Drohender Regen war die letzte Hoffnung für die Weissacher.

Le Mans 2024 - Toyota GR010 Hybrid
xpb

Toyota musste sich zunächst nach vorne kämpfen. Doch dann kamen die Deutsch-Japaner in Schwung.

Offene Tür wirft #50 kurz zurück

Dieser sollte tatsächlich wieder zurückkommen. Zwei Stunden und 14 Minuten vor dem Ablauf des Countdowns zog ein mittelstarker Schauer aus dem Südwesten über die ersten Kurven. Diesmal entschieden sich alle siegfähigen Autos, für profilierte Reifen abzubiegen. Der #6-Werks-Porsche zögerte es allerdings etwas heraus. Für den #8-Toyota brachte der Niederschlag doppeltes Pech: Erst klemmte das rechte Vorderrad, dann wurde er vom #51-Ferrari in Mulsanne abgeräumt. Erst viele Runden später kriegte die #51 dafür fünf wenig schmerzhafte Extra-Sekunden bei einem regulären Stopp aufgebrummt.

Ein weiterer Game-changer kam 105 Minuten vor Ende. Die rechte Tür des führenden #50-Ferrari war nicht komplett geschlossen. Die Rennleitung erzwang einen Reparaturstopp, der den Führungskampf noch mehr als eh schon anwürzte. Anfangs der letzten Stunde hatte der #50-Ferrari trotzdem die Führung inne. Über 30 Sekunden dahinter mühte sich López im #7-Toyota bei der Verfolgungsjagd ab, der #51-Ferrari besetzte den letzten Podiumsplatz.

Auch wenn der #6-Porsche und der #2-Caddy mit den Rängen vier und fünf weiter vom Podium träumen durften, waren die Aussichten so trüb wie das Wetter. Der #8-Toyota sollte sie schnell splitten. Der Cadillac musste sich anschließend dem #5-Porsche geschlagen geben. Die entscheidenden Fragen des Schlussspurts blieben so: Wie passt Ferrari seine Strategie auf den vorzeitigen Stopp wegen der losen Tür an? Und was macht López im verfolgenden #7-Toyota?

Le Mans 2024 - Porsche 963
Porsche

Porsche konnte nur in den ersten Minuten allen sein Heck zeigen. Trotzdem war 2024 ein gewaltiger Fortschritt.

Splash-and-Dash – oder nicht?

Das große Finale begann mit einem weiteren Regenschwall. Das kühle Nass half dem führenden Ferrari zwar dabei, die Reichweite zu strecken, gleichzeitig konnte López mehr Zeit gutmachen dank Risiko. Letzteres ging gleich mal mit einem Dreher schief. Dennoch eilte der nach dem Fahrradunfall von Mike Conway eingewechselte Argentinier folgend an Nielsen heran.

Der dänische Youngster, der dank seiner Regenstints zu den Helden der 92. Edition gehört, behielt in den schwierigen Bedingungen die Kontrolle. Mit knapper Spritmenge, aber immerhin noch 14,221 Sekunden Vorsprung fuhr er das Ferrari-Comeback-Doppelpack ein. Es ist der elfte Gesamtsieg der Italiener, Audi liegt nur noch zwei Triumphe davor auf dem zweiten Rang der ewigen Bestenliste.

Toyota musste die nächste knappe Niederlage hinnehmen. Über die Balance of Performance (BOP) konnten sich die Deutsch-Japaner aber diesmal nicht wirklich beschweren. Der "Titelverteidiger" #51-Ferrari stolperte insgesamt gesehen über zu viele kleine Fehler wie zum Beispiel erhöhte Geschwindigkeit unter Gelb. Porsches Rolle als "Best of the Rest" war im Vergleich zu 2023 ein ordentlicher Schritt nach vorne. Cadillac und besonders Peugeot erlebten Rückschritte. Lamborghini setzte eine starke Haltbarkeit in ein solides Ergebnis samt Punkteplatz um.

Le Mans 2024 - United Autosports
xpb

In der LMP2-Klasse erlösten sich die Routiniers von United Autosports nach längerer Le-Mans-Durststrecke.

LMP2-Favoriten schnappen spät zu

Die kleine Prototypen-Klasse bot fast traditionell engen, unabsehbaren Sport. Den Sieg in der zweithöchsten Division, deren Technik-Paket nun erst 2028 ausgetauscht wird, holte sich das Szene-Topteam United Autosports, an dem McLaren-Sportchef Zak Brown beteiligt ist.

Die Piloten der Nummer 22 – Bijoy Garg, Oliver Jarvis und Nolan Siegel – etablierten sich allerdings erst spät ganz vorne. Die meiste Zeit befanden sie sich jedoch schon in Podiumssphären. In den schwierigen Bedingungen gab die Kombination aus Erfahrung und einem gut gemischten Profi-Amateur-Trio final den Ausschlag.

Le Mans 2024 - Porsche
Porsche

Tradition verpflichtet: Auch in der neuen LMGT3-Ära ist Porsche der Maßstab.

Rossi schnell raus, Manthey-Porsche siegt

Das Debütrennen der neuen LMGT3-Klasse stand ganz im Zeichen des neunmaligen Motorrad-Weltmeisters Valentino Rossi. Der Italiener war ebenfalls Rookie beim 24h-Klassiker und bestritt ihn für das BMW-Team WRT (#46: Ahmad Al Harthy/Maxime Martin/Valentino Rossi). Seine Führungskilometer im ersten Renndrittel ließen die eh schon ekstatischen Fans noch mehr feiern. Doch der Traum vom Sieg endete schnell und schmerzhaft.

Al Harthy schmiss die Nummer 46 im Bereich des Dunlop-Bogens raus und machte so das BMW-Drama zu Beginn komplett. Am Funk gab er sich am Boden zerstört. Das Schwester-Team (#31: Augusto Farfus/Sean Gelael/Darren Leung) kämpfte dafür lange um den Klassenerfolg mit. Die deutschen GT-Spezialisten von Manthey waren im Endspurt jedoch einfach zu stark. Die Nummer 91 (Richard Lietz/Morris Schuring/Yasser Shahin) setzte Porsches Erfolgsgeschichte in der Produktionswagenklasse fort.

Die WEC, deren Herzstück Le Mans ist, trägt ihr nächstes Rennen am 14. Juli in São Paulo aus. Der #50-Ferrari hat dank der höheren Punkte beim Klassiker nun auch beste Aussichten für die Weltmeisterschaft. Nicklas Nielsen, der zweitjüngste Sieger der Geschichte, resümierte: "Das war ehrlicherweise sehr anstrengend. Während der Tür-Situation sah ich alles davonschimmen. Das Doppelpack macht den letztjährigen Sieg noch wertvoller."

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AUTO MOTOR UND SPORT 14 / 2024

Erscheinungsdatum 20.06.2024

148 Seiten