Wenn Formel 1-Piloten das 24h-Rennen von Le Mans fahren

Wenn F1-Piloten Le Mans fahren
„Erstes Le Mans mein schlimmstes Rennen“

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Veröffentlicht am 17.06.2017
Oreca 07 Gibson - Vaillante Rebellion - Startnummer #13 - 24h-Rennen Le Mans 2017 - Qualifying
Foto: xpb

Bei der 85. Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans stehen 17 ehemalige Formel 1-Piloten am Start. Echte Siegchancen haben nur die Toyota-Fahrer Sebastien Buemi, Anthony Davidson, Kazuki Nakajima, Kamui Kobayashi und Stéphane Sarrazin sowie ihr Porsche-Kollege André Lotterer. Für Nelsinho Piquet, Bruno Senna, Vitaly Petrov, Jean-Eric Vergne, Jan Lammers, Rubens Barrichello und Karun Chandhok geht es bestenfalls um den Sieg in der LMP2-Wertung.

Ein vierter Platz und ein Klassensieg

Nelson Piquet junior ist nach 2006 und 2016 das dritte Mal in Le Mans. Er kann sich noch gut an seinen ersten Einsatz in einem GT1-Auto von Aston Martin erinnern. „Es war das schlimmste Rennen meines Lebens. Bis dahin war ich nur Formel-Autos gefahren. Ich saß zum ersten Mal in einem Auto mit Dach, und der Aston war ein echtes Biest. Auch alles andere war neu für mich: die lange Strecke, das Fahren bei Nacht, der Verkehr. Es gab keinen Simulator, kaum Testfahrten. Meine erste Fahrt in dem Aston Martin war die Hölle. Schlimmer als meine ersten Formel 1-Kilometer.“

Piquet schloss sein erstes Le Mans-Abenteuer als Vierter ab. „Zum Glück hatte ich mit David Brabham und Antonio Garcia gute und erfahrene Teamkollegen.“ Sein zweiter Einsatz bei dem Langstrecken-Klassiker endete mit einem Klassensieg in der privaten LMP1-Wertung. Was nicht besonders schwierig war, weil es kaum Konkurrenz gab.

Auch in diesem Jahr fährt Piquet wieder für das Schweizer Rebellion-Team, allerdings eine Kategorie tiefer. Der Sohn des dreifachen Weltmeisters mag die LMP2-Autos. „Das sind richtig gute Rennautos. Sie haben gut Abtrieb, ausreichend Power. Man kann spät bremsen, in den Kurven attackieren. In Le Mans mehr als auf den anderen Strecken, weil wir nicht so von den Reifen eingeschränkt sind. In Silverstone und Spa fährst du in den Kurven wie auf rohen Eiern, damit du mit deinen vier Reifensätzen über die sechs Stunden kommst.“

Bis zu sechs Stints am Stück

Bei Rebellion fahren mit Nelsinho Piquet, Nicolas Prost und Bruno Senna drei Söhne früherer Weltmeister. Das Pikante dabei: Die Väter Nelson Piquet, Alain Prost und Ayrton Senna standen sich vor 30 Jahren feindschaftlich gegenüber. Sie hätten nie freiwillig in Le Mans für das gleiche Team angeheuert. „Wir verstehen uns gut“, legt Piquet den Zwist der Väter ad acta. Trotzdem sitzt die zweite Generation nicht auf dem gleichen Auto. Die Regeln verhindern das Traum-Trio. Einer der drei Fahrer darf kein Profi sein.

Piquet teilt sich seinen Oreca 07-Gibson mit dem Schweizer Mathias Beche und dem dänischen Privatfahrer David Heinemeier Hansson. Von dem Amateurfahrer hängt es ab, wo die Mannschaft am Ende landet. „Wir haben Glück. David ist wirklich schnell. Er verliert nur zwei Sekunden auf die Profis. Wenn du einem im Team hast, der vier Sekunden langsamer fährt, kannst du auf einem langen Stint bis zu zwei Minuten verlieren“, erzählt der Formel E-Meister von 2014/2015.

In der GP2 diktiert die Tankfüllung und der Spritverbrauch den Teams eine Stint-Länge von 35 Minuten auf. „Am Anfang fahren wir jeder drei Stints am Stück, später sechs. Das sind dann fast dreieinhalb Stunden am Stück“, erzählt Piquet, der zum ersten Mal in seiner kurzen Le Mans-Karriere den Start fahren darf. Ihm könnten die Abschnitte gar nicht lang genug dauern. „Im Training hängst du viel rum, aber das Rennen ist echt cool. Fahren, essen, schlafen. Die drei Dinge, die ich am liebsten mache.“

Das Teilen des Autos mit Kollegen macht dem früheren Renault-Werkspiloten kein Problem: „Ich bin anspruchslos, was das Setup angeht, kann mich an Untersteuern genauso anpassen wie an Übersteuern.“ Auch an das Fahrern in der Nacht hat sich der Brasilianer, der in Monaco wohnt, längst gewöhnt: „Es kommt dir nur so vor, als wärst du 200 km/h schneller als am Tag. Alles fliegt so schnell vorbei.“

Da wird dann auch das Überholen und Überrundetwerden zum Problem. Prinzipiell verfährt Piquet nach dem Prinzip, dass der Hintermann auf den Vordermann aufpassen muss. „Von den GT-Fahrern schaut auch keiner für dich in den Spiegel. Du musst dein Auto so positionieren, dass der Langsamere dir gar nicht mehr die Tür zuwerfen kann. Die LMP1-Piloten müssen das gleiche mit uns machen. Ich fahre in den Porsche-Kurven nicht von der Spur, wenn sie von hinten anfliegen. In der Nacht hast du Probleme im Rückspiegel die Distanzen abzuschätzen. Du weißt nie, ob er einen oder 100 Meter hinter dir ist.“