DTM-Shanghai 2010: Engel in der Mauer - Tomczyk Schnellster

DTM Shanghai 2010
Engel in der Mauer - Tomczyk Schnellster

Zuletzt aktualisiert am 26.11.2010

Spät aber doch: Ein paar Mal wurde der Beginn des Rollouts nach hinten geschoben, weil an der Strecke von Pudong noch einige Kleinigkeiten gerichtet werden mussten. Reifenstapel wurden noch zurecht gerückt und eine Werbetafel ordentlich verzurrt.

Um 13.25 Uhr Ortszeit war es dann so weit: Zum ersten Mal drehte ein DTM-Auto, das Renn-Taxi von Audi, seine Runden auf dem neuen Stadtkurs von Shanghai. Manuel Reuter wurde diese Ehre zuteil. Und zwar nicht etwa deswegen, weil er 1996 die International Touring Car Championship mit seinem Opel Calibra V6 gewonnen hatte, sondern weil der Ex-Champion fürs Fernsehen eine Runde onboard kommentierte, so wie vor jedem anderen DTM-Rennen auch.

Engel mit hartem Einschlag in die Mauer

Beim Rollout und auch fast eine Stunde lang im Freien Training ging alles gut. Konzentriert und diszipliniert spulten die FahrerInnen ihr Freitagsprogramm ab. Doch dann kam es, wie es auf solchen brutal engen Strecken wie dem Kurs von Pudong beinahe zwangsläufig kommen muss: Um kurz nach vier knallte es, und zwar ordentlich. Maro Engels Mercedes zerschellte am Fahrbahnteiler der Boxeneinfahrt. Bange Momente, bis sich der Rauch legte. Im Motorraum züngelte ein kleines Feuer. Dann kraxelte Engel aus dem Wrack, gottlob unverletzt.

Die Unfallursache war einfach: Engel touchierte leicht die rechtsseitige Betonbarriere. Von dort wurde der weiße Mercedes ruckartig nach links expediert. "120 km/h hat man an dieser Stelle bestimmt schon drauf", wusste TV-Co-Kommentator Reuter. "Die Linkskurve davor fährt man mit 80 km/h." Von dieser 90-Grad-Ecke sind es noch 70 Meter bis zur Unfallstelle.

Kritik der DTM-Piloten

Eine halbe Stunde danach rauchten bei den DTM-Bossen die Köpfe. Man beratschlagte, wie man die Boxeneinfahrt entschärfen kann. "Wir Fahrer haben vor dem Training Verbesserungsvorschläge gemacht", grantelte der zweimalige Meister Mattias Ekström. "Doch die Sturköpfe haben nicht auf uns gehört." Ralf Schumacher pflichtete bei: "Unter Rennbedingungen ist das schon etwas, was man überdenken muss." Nach Meinung der Akteure wäre es sicherer, den Fahrbahnteiler noch 20 oder 30 Meter nach vorne zu verlegen.

Die große Mutprobe der Strecke ist die 180-Grad-Biegung vor dem Haupteingang des mächtigen "Shanghai Science and Technology Museum" auf der Dingxiang Road. In diese 180 Grad-Biegung stechen die Fahrer blind hinein: Der Kurvenausgang ist nur zu erahnen. Die wellige Fahrbahn lässt die Autos Funken schlagen. Das ist wirklich großes Kino. "Ich hab nicht auf den Tacho geschaut", grinste Audi-Fahrer Mattias Ekström. "Aber am Kurvenausgang schalten wir in den Fünften." Kurz danach steht die Lichtschranke der Höchstgeschwindigkeitsmessung. Der Tagesbestwert steht bei 240 km/h, erzielt von Mercedes-Mann David Coulthard.

Martin Tomczyk Schnellster im Test

Der Pechvogel der Saison, Martin Tomczyk, ziert mit seiner Bestzeit die Nordseite der Zeitenliste. Die drei Mercedes-Meisterschaftsaspiranten Paul di Resta, Gary Paffett und Bruno Spengler belegen die Plätze zwei, drei und sechs, getrennt nur von 0,111 Sekunden. Dazwischen liegt Engel als starker Fünfter. Doch wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird er das Rennen nur als Zuschauer erleben, wegen seines stark ramponierten Sportgeräts.

Die beiden chinesischen Lokalhelden CongFu Cheng und Darryl O´Young tragen vorerst die Rote Laterne. Im Falle von Premat-Ersatz O’Young ist dies nicht verwunderlich. "Er konnte vorher keinen Meter testen", sagt Ernst Moser, der Teamchef des Phoenix-Teams. Insofern sind die 1,6 Sekunden Rückstand von O’Young alles andere als beschämend. Denn ausgerechnet in Pudong ein 450 PS starkes DTM-Auto kennen lernen zu müssen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben, die der Motorsport zu bieten hat. Wer dies schafft hat gewissermaßen eine Art DTM-Abitur geschafft.