Am Donnerstag (9.1.2014) verzeichneten die Statistiker die Dakar-Todesopfer Numero 61, 62 und 63 seit der Gründung der Rallye im Jahr 1979. Kein Wunder, dass die Dakar für viele bunte Blätter und vor allem auch die Boulevard-Zeitung mit den ganz großen Buchstaben eine "Todes-Rallye" ist. Mit einer Mischung aus selbstgerechter Empörung und Gruseln schreibt etwa "Bild" gerne über die "todesmutigen Wüsten-Rase".
Doch ganz so einfach sind die Dinge nicht: Nur 23 der 63 Todesopfer waren Fahrer und Beifahrer. Beim Rest handelt es sich um Zuschauer und Menschen aus dem Begleittross. Mit Abstand die häufigste Todesursache: Unfälle im normalen Straßenverkehr. Die beiden argentinischen Journalisten, die am letzten Donnerstag ums Leben kamen, waren mit ihrem Auto in eine Schlucht gestürzt. So hart es sich für manchen anhören mag: Das kann passieren.
Genaue Todesursache von Palente noch unklar
Der Motorradfahrer Eric Palante wurde am Freitagmorgen gegen acht Uhr von der Crew des Besenwagens leblos aufgefunden. 143 Kilometer nach dem Start der fünften Etappe von Chilecito nach Tucuman. Ob der 50-jährige Belgier an den Folgen eines Sturzes starb, ob er verdurstete oder ob er beispielsweise an einem Herzinfarkt starb, konnte Dakar-Chef Etienne Lavigne nicht sagen.
Der Franzose murmelte, wie in solchen Fällen üblich, ein paar warme Worte des Mitgefühls, und ging dann für die Medien auf Tauchstation. Krisenmanagement à la ASO (Amaury Sport Organisation, ein französisches Verlagshaus). Armselig. Französischen Journalisten erzählte Lavigne noch: "Ich habe Palante mittags noch gesehen und ihm Wasser gegeben. Da ging es ihm gut."
Unverständlicherweise ist die Sicherheit der Motorradfahrer immer noch nicht gewährleistet, obwohl die ASO nach einem Todesfall im Jahr 2009 Besserung gelobt hatte. Pascal Terry war im ersten Südamerika-Jahr der Rallye in der argentinischen Pampa tot aufgefunden worden. Nach zwei Tagen.
Toter Motorradfahrer wird nicht vermisst
Niemand hatte den Franzosen zunächst im Biwak vermisst. Es stellte sich heraus, dass Terry an Erschöpfung starb. Möglicherweise hätte er gerettet werden können, wenn ihn die ASO nicht erst nach einem Tag angefangen hätte, ihn zu suchen.
Jetzt verlor wieder ein Motorrad-Pilot sein Leben, anscheinend unter vergleichbaren Umständen. Ebenso wie Pascal Terry war auch Eric Palante ein Amateur-Fahrer, einer jener Enthusiasten, die ohne Service-Crew unterwegs sind. Wer keine Mechaniker, keine Verwandten, keine Freunde im Biwak hat, die Alarm schlagen würden, wenn ihr Fahrer nicht wohlbehalten ins Camp kommt, ist umso mehr auf die Fürsorge des Veranstalters angewiesen.
Genau hier hakt es bei der Dakar-Rallye immer wieder. Die ASO hatte keine Ahnung, wo Palante steckt, sondern man war der irrigen Meinung, dass der fünffache Familienvater aus Lüttich die schicksalhafte fünfte Etappe bewältigt hätte.
Nur so ist es zu erklären, dass Palante am Freitag auf der Starterliste stand. Hier sind ausschließlich Fahrer verzeichnet, die die Vortagesetappe beendet haben. Palante wurde als 103. Starter aufgeführt, vorgesehene Startzeit 8:09.30 Uhr.
Da war Palante schon tot. Über die Todesursache wurde zunächst nichts bekannt. Aus langjähriger Dakar-Erfahrung weiß man aber, dass ein kapitaler Unfall eher unwahrscheinlich ist. Fatale Kopf- oder Wirbelverletzungen sind meist an Ort und Stelle leicht zu diagnostizieren, selbst von Laien. Zudem berichten Augenzeugen Palantes Motorrad mit der Nummer 122 nicht am Boden lag sondern stand.
Palente setzt keinen Hilferuf ab
Offenbar setzte Palante keinen Notruf über das Iritrack-System ab. Dieses Satelliten-Ortungssystem zeigt dem Standort der Teilnehmer, kann aber auch als Notalarm und Telefon genutzt werden. Wenn ein Teilnehmer länger als fünf Minuten steht, fragt die Zentrale normalerweise nach, was passiert ist. Der Fahrer kann dann den grünen Knopf drücken und Entwarnung zu geben oder mit dem roten Knopf Hilfe anfordern.
Zusätzlich haben alle Wettbewerbsfahrzeuge die so genannte "Balise de detresse" an Bord, eine Art elektronische Notrakete mit eigener Stromversorgung. Auch diese Balise wurde offenbar nicht gezündet.
Fakt ist: Am letzten Donnertag herrschten in der Gegend von Chilecito extrem heiße Temperaturen: Das Display im Mini Countryman des auto motor und sport-Teams zeigte bis zu 42 Grad. Dr. Matthias Trost, der Arzt des Mini-Teams, will sich zwar nicht an Spekulationen über die Todesursache beteiligen, sagt aber: "Bei dieser Hitze ist es sehr wohl möglich einen tödlichen Hitzschlag zu erleiden und in kurzer Zeit an Dehydrierung zu sterben."
Hat der Veranstalter versagt?
14.800 Euro bezahlen die Amateur-Motorradfahrer an Nenngeld. Damit erkaufen sie sich nicht nur das Recht, 9.000 Kilometer auf den Dakar-Etappen fahren zu dürfen und abends im Biwak etwas Anständiges zum Essen zu bekommen sondern auch ein hohes Maß an Sicherheit. So verspricht es die ASO. Doch im Fall Palante wurden die Teilnehmer wieder einmal eines Besseren belehrt. In diesem Fall herrschte bei der ASO offenbar der Schlendrian. Tragischerweise mit Todesfolge. Die argentinische Justiz hat eine Untersuchung anberaumt.
Es mag zynisch klingen: Aber in einem anderen Bereich, der Tempoüberwachung, arbeitet die ASO weitaus effektiver. Auf öffentlichen Straßen liegt das generelle Speedlimit für den gesamten Dakar-Tross - egal ob Teilnehmer, Service oder Presse - bei 110 km/, obwohl in Argentinien und Chile auf vielen Schnellstraßen sogar 120 km/h erlaubt sind. Schon kleine Temposünden werden mit drakonischen Geldstrafen geahndet. 20 km/h über dem Limit kosten zum Beispiel 300 Euro. Zu bezahlen beim Veranstalter. Und nicht etwa bei der örtlichen Exekutive. Wiederholungstäter zahlen mehr.
Mit beispielloser Arroganz maßt sich der Veranstalter an, das Verhalten im Straßenverkehr besser kontrollieren zu können als zehntausende Polizisten, die die Rallyestrecke säumen. In einem anderen Bereich, der zwingend die Kernkompetenz des Veranstalters sein muss, versagte die ASO hingegen.