Dakar 2014 Blog Tag 4: Waypoint 17 sorgt für die Vorentscheidung

Dakar 2014 Blog Tag 4
Waypoint 17 sorgt für Vorentscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2014

Als Carlos Sainz mit seinem Buggy ins Biwak im Hippodrom von Tucuman kam, war beinahe physisch zu spüren, dass im Cockpit des SMG-Chevy ziemlich dicke Luft herrschte. Sainz zeigte seinen Trauerflor-Blick. Beifahrer Timo Gottschalk kraxelte schnellstmöglich als dem Red Bull-Buggy und ging erst mal ein paar Meter weg.

"Wie soll man sich fühlen, wenn man den Sieg verschenkt hat", stöhnte Gottschalk und klopfte sich den Staub aus dem Overall.  Navigations-Irrtümer sowie ein defekter Sensor am V8-Corvette-Motor waren Schuld daran, dass Sainz/Gottschalk von Platz eins auf Rang acht zurückfielen. Aus einer Zwei-Minuten-Führung war ein Rückstand von zwei Stunden geworden.

Wegpunkt schwer zu finden

Großer Profiteur des Tages war der Spanier Nani Roma mit seinem französischen Copiloten Michel Périn. Die Mini-Crew schaffte das, was fast allen anderen misslang: Sie fanden den verflixten Waypoint 17 und gingen in Führung. Anders als früher, als ein Streckenposten an den Durchfahrtkontrollen die Bordkarten stempelte, sind die heutigen Waypoints eigentlich virtuelle Wegpunkte.

Die GPS-Koordinaten sind geheim. Die Crews müssen bei der Dakar strikt nach den Angaben im Roadbook fahren. Erst wenn man sich ein einem Kreis mit 800 Metern Radius zum entsprechenden Waypoint befindet, schaltet sich das von Dakar-Veranstalter Navigationssystem automatisch ein und eine Kartenskizze zeigt den Copiloten an, wo sich der Punkt genau befindet. Denn müssen sich die Crews in einen Kreis mit 200 Meter Radius dem Waypoint nähern. Ist dies geschafft, meldet die Navi, dass diese Aufgabe erfolgreich abgehakt wurde. Wer den Wegpunkt verpasst, bekommt eine Stunde Strafzeit aufgebrummt.

Der erwähnte Waypoint 17 hatte es in sich. "Vom letzten Wegpunkt aus waren es dorthin 18 Kilometer", sagte Michel Périn. "Der vorgegebene Kompasskurs war 57 Grad, die Spuren der vor uns gestarteten Motorräder aber folgten Kurs 45. Diese Abweichung von 12 Grad mag banal erscheinen, sie hat aber auf eine Distanz von 18 Kilometern ganz erhebliche Auswirkungen. "Das summiert sich auf 3,5 Kilometer", sagte Timo Gottschalk.

Dakar-Veteran Périn hatte den richtigen Riecher. Er gab seinem Fahrer das Kommando: "Im Flussbett rechts, und dann im nächsten kleinen Wadi gleich wieder rechts." So fanden Roma/Périn den Punkt 17 praktisch ohne Umstände, andere suchten sich dumm und dusselig, um dann entnervt und unverrichteter Dinge weiter zu brausen.

Neben Sainz fassten unter anderem auch die Wüstenveteranen Nasser Al Attiyah und Robby Gordon jeweils ein Stündchen Strafzeit aus. Die beiden Mini-Crews Orlando Terranova und Stéphane Peterhansel fanden den ominösen Punkt nach einigem Hin und Her ebenso wie auch Toyota-Mannschaft Giniel de Villiers/Dirk von Zitzewitz.

Roma im Mini übernimmt die Führung

Der maßlos enttäuschte Timo Gottschalk ärgerte sich: "Meiner Meinung nach ist auch das "Opening Car" vor Punkt 17 falsch gefahren und das hat uns in die Irre geführt. Wir waren das erste Auto auf der Strecke und hatten es deswegen doppelt schwer."Als wären die Navi-Probleme nicht genug, machte auch die Technik des Buggy Mucken. Eine halbe Stunde dauerte es, bis der gelernte Ingenieur Gottschalk das Problem mit dem defekten Motorsensor behoben hatte.

Der neue Spitzenreiter Nani Roma hatte volles Verständnis für den gebeutelten Gegner. "Am Ende des Tages haben wir uns selbst noch ein bisschen verfranst. Als ehemaliger Motorradfahrer weiß ich aber, wie schwer es ist, den richtigen Weg zu finden." Roma empfiehlt, in Krisensituationen die Nerven und das Temperament zu zügeln: "Es hat doch keinen Sinn, den Co-Piloten anzuschnauzen. Dann macht man ihn dich bloß noch nervöser."

Stéphane Peterhansel kommentierte den turbulenten Tag mit einem versonnenen Lächeln. Nach einem herzhaften Biss ins Steak sagte er: "Heute war der schwierigste Tag, seit die Dakar in Südamerika fährt. In Afrika sind doch oft nur 30 Prozent der Starter ins Ziel gekommen. In den letzten  Jahren in Südamerika lag die Ankunftsquote bei 60 oder 65 Prozent." Mini-Chef  Sven Quandt registrierte erfreut die Dreifachführung und fügte hinzu: "Der Veranstalter hat im Vorfeld versprochen, dass die Rallye 2014 extrem hart wird. Sieht ganz so aus, als hätte er Wort gehalten."