Legendäre Rennstrecken - Bridgehampton Circuit: Infos & Fotos

Legendäre Rennstrecken - Bridgehampton Circuit
Amerikas vergessene Mutprobe

Veröffentlicht am 23.05.2020

Das erste Aha-Erlebnis lieferten Fotos. In Bridgehampton sah es aus wie in Zandvoort. Überall Dünensand, im Hintergrund das Meer. Dazu gab es noch eine Waldpassage, die eher an Brands Hatch erinnerte. Bridgehampton war mir ein Begriff, weil es Teil des Can-Am Programms war. Der 4,587 Kilometer lange Kurs gehörte zu den "Original 6" der legendären Sportwagen-Serie.

Meine zweite Begegnung mit Bridgehampton hatte ich Anfang der 90er Jahre im Flugzeug. Die Einflugschneise zum JFK-Airport in New York führte exakt über den Kurs auf Long Island. Es gab ihn damals noch im Originalzustand.

Vor ein paar Jahren bin ich mit dem Auto mal hingefahren. Da hatte sich schon ein Golfclub auf dem Gelände breit gemacht und alles abgerissen oder renaturiert bis auf die Zielgerade und die erste Kurve. Ich wurde von unfreundlichen Nutzern der Anlage abgewiesen. Unser Motorsport-Kollege Gregor Messer hat sich erfolgreicher durchgeschlagen. Er war sogar im Clubhaus.

Reste einer Rennstrecke

Seine Fotos zeigen, was noch übrig geblieben ist. Ein paar rostige Leitplanken, ein brüchiges Stück Straße, der Startturm, Unterstände für Streckenposten, die Chevron-Brücke am Ende der fast 1.000 Meter langen die Zielgeraden. Sie war das Wahrzeichen der Strecke und der Auftakt einer furchterregenden Kurve mit zwei Scheitelpunkten.

Exakt unter der Brücke senkt sich die Straße nach unten und geht dann in zwei ultraschnelle Rechtskurven über, die weiter bergab führen. Die 700 PS starken Can-Am Autos flogen mit 290 km/h auf die erste Schlüsselstelle des Kurses zu. Bridgehampton-Spezialist Hap Sharp urteilte über die Passage: "Nach der Kuppe verschwindet die Straße im Nirgendwo." Viele verglichen die Stelle mit Paddock Hill Bend in Brands Hatch.

Bridgehampton Circuit
ams / Messer

Nach der Mutprobe gleich zu Beginn der Runde geht es bergauf in eine mittelschnelle Rechtskurve, der sich eine Gerade und eine enge Rechtskurve anschließt. Wie bei vielen Kurven auf dieser Strecke sieht man am Eingang den Ausgang nicht. An diesen Stellen lässt sich die ursprüngliche Streckenführung nur noch erahnen. Mehr als eine Schneise im Wald ist nicht zu sehen.

Hier beginnt ein Streckenabschnitt mit schnellen Richtungswechseln und häufig wechselnden Höhenunterschieden. Der Unterschied zwischen dem höchsten und tiefsten Punkt beträgt immerhin 41 Meter. Die Kurven hören auf die Namen "Solosante", "Echo Valley" und "The Downhill". Die Passage endet in einer Haarnadel die eingangs bergauf, ausgangs bergab führt. Nach einer Senke mit einem Linksknick führt eine lang gezogene Rechtskurve zurück auf die Zielgerade.

Berg- und Talbahn auf Long Island

Fahrfehler endeten im Dünensand oder im Gebüsch. Leitplanken gab es nur an wenigen Stellen. Unter den Fahrern galt "The Bridge" als eine der gefährlichsten und anspruchsvollsten Strecken in den USA. Mario Andretti fuhr hier 1965 sein erstes Rundstreckenrennen. Er erinnert sich: "Viele Kurven waren blind, hingen nach außen oder änderten den Radius. Man konnte sich auf der Runde nie richtig ausruhen."

Die ersten Autorennen in Bridgehampton fanden schon Anfang der 50er Jahre auf öffentlichen Straßen statt. Nach mehreren tödlichen Unfällen auf Straßenkursen zwang ein Gesetz die Veranstalter dazu, Rennen ausschließlich auf permanenten Strecken abzuhalten. Eine Gruppe von Enthusiasten kaufte am äußersten Zipfel von Long Island für 55.000 Dollar ein Stück Land und legte eine Berg- und Talbahn in die hügelige Landschaft.

Bridgehampton Circuit
ams / Messer

Die Rennen waren sofort ein Erfolg. 1962 bekam Bridgehampton einen Lauf zur Sportwagen-WM. Von 1966 bis 1969 gastierte die Can-Am Serie auf dem Kurs, zwei Autostunden von New York City entfernt. Bis zu 27.000 Zuschauer pilgerten zu den Rennen der stärksten Rennautos der Welt, was für eine Strecke mit nur einer kleinen Tribüne gegenüber den Boxen ziemlich viel war.

Auch 1970 stand "The Bridge" im Kalender. Das Rennen wurde dann aber nach Road Atlanta verlegt, weil ein Unwetter die Anlage beschädigt hatte. Die Streckenbetreiber litten unter akuter Geldnot. Sie konnten weder den geforderten Sicherheitsmaßnahmen nachkommen, noch die bescheidene Infrastruktur aufbessern. Und sie zahlten das schlechteste Preisgeld der dollarschweren Sportwagen-Serie.

Die letzte große Veranstaltung war ein IMSA-Rennen 1971. Danach fanden nur noch kleinere Rennen oder Kurse von Rennfahrerschulen statt. Beschwerden von Anwohnern über Lärmbelästigung beschränkten die Zahl der Veranstaltungen. 1999 wurde die Strecke ganz geschlossen. Das Land wurde für mehrere Millionen Dollar an Robert Rubin, den ehemaligen Wirtschaftsminister von Bill Clinton verkauft.

Streckendaten:

  • Lage: 160 km, östlich von New York City
  • Länge: 4,587 km (1957-1999)
  • Breite: 9,1 m
  • Rechtskurven: 5
  • Linkskurven: 4
  • Schnellster Teil: Main Straight
  • Langsamster Teil: The Hairpin
  • Rekord: 1.26,64 min = 190,928 km/h (McLaren M8B-Chevrolet, 1969)