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Aston Martin V8 Vantage GTE im Tracktest
So fährt der Renn-Aston aus der WEC

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Der Aston Martin V8 Vantage GTE schmeckt so erfrischend wie ein frisch gezapftes Pils. Tracktest des amtierenden GT-Weltmeisters aus der WEC. Mit sport auto-Supertester Christian Gebhardt am Steuer.

Aston Martin V8 Vantage GTE - Tracktest - Portimão - Rennwagen - LMGTE Pro
Foto: Aston Martin

Die Rennkupplung beißt zu, das V8-Gewitter zieht auf. Just in diesem Moment treffen aus journalistischer Sicht zwei Glücksfälle aufeinander. Glücksfall Nummer eins: Wir von sport auto haben eine exklusive Fahrt im Aston Martin V8 Vantage GTE, dem amtierenden Meisterschaftsauto der LMGTE-Pro-Klasse aus der World Endurance Championship, kurz WEC, ergattert. Glücksfall Nummer zwei: die Rennstrecke von Portimão ohne „geführtes Fahren“ erleben.

Unsere Highlights

Im Aston Martin V8 Vantage GTE in Portimão

Wenn mich eine Sache richtig nervt, ist das „geführtes Fahren“. Sie verstehen nur Bahnhof? Also eine schnelle Erklärung. Da reist man für eine Fahrzeugpräsentation bis nach Portugal, bekommt einen sensationellen Boliden auf einer leckeren Rennstrecke präsentiert, und wenn es ans Fahren geht, eiert da meist ein Vorausfahrzeug vor einem her. Und – jetzt kommt das Nervigste – der Instruktor ist meist darauf getrimmt, die Journalistenmeute einzubremsen. Dreimal ist mir das auf der Rennstrecke von Portimão bei einer Pressefahrvorstellung schon passiert.

Aston Martin V8 Vantage GTE - Tracktest - Portimão - Rennwagen - LMGTE Pro
Aston Martin
Der Kurs in Portugal gehört zu den Lieblingsstrecken von sport auto-Supertester Christian Gebhardt.

„Geführtes Fahren“ bedeutet unsäglich früh gesetzte Bremspunkte. Nicht selten werden die heißesten Kurvenvarianten mit Pylonen entschärft oder gleich ganz gesperrt. Ach ja, auf Überholen steht fast die Todesstrafe. Den Vogel schießt immer Audi bei Rennstreckenpräsentationen ab. Anders als bei den späteren Serienfahrzeugen lässt sich das ESP bei der Vorstellung auf dem Rennkurs nicht deaktivieren – was in etwa so anregend ist wie gehäkelte Socken im Bett. Ich solle doch froh sein, dass ich überhaupt in Portimão so tolle Autos fahren darf, werden mir jetzt einige entgegnen, doch andersherum will ich euch ja erzählen, wie sich die jeweilige Neuerscheinung ungefähr im Grenzbereich fährt. Ganz ehrlich: Nicht bei allen Rennstreckenpräsentationen ist das möglich.

Heute ist alles anders, sogar Überholen ist erlaubt. Aston Martin hat zum Test ins Autódromo Internacional do Algarve bei Portimão geladen. Neben dem GTE-Werksrenner tummeln sich 20 unterschiedliche Rennwagen von Aston-Martin-Kundenteams auf dem Rennstrecken-Highlight in Portugal, das für mich zu den drei aufregendsten Rennkursen zählt: 1. Nordschleife, 2. Spa-Francorchamps, 3. Portimão. Die Berg-und-Tal-Topografie der 4,692 Kilometer langen Strecke fühlt sich wie ein gelungener Pistencocktail aus Ardennen und Eifel an.

Lenkrad erinnert an die Formel 1

Ausfahrt Boxengasse, der rote Knopf rechts oben auf dem Lenkrad mit der Aufschrift „Pit“ hat seinen großen Auftritt. Auf Daumendruck löst der Pit-Limiter die elektronischen Zügel. Aus gemäßigten 60 km/h Boxentempo unter Volllast wird schlagartig Angriffslust. Aus tiefem Grummeln wird augenblicklich heiser-metallisches V8-Hämmern. Ebenso schlagartig, wie der Renner von Boxen- auf Renntempo wechselt, ändert er die Tonlage.

Mit einem kreisrunden Serienvolant hat das GTE-Lenkrad nichts mehr zu tun. Das Kohlefasermaterial und die flache, rechteckige Form erinnern eher an die Formel 1. Zwölf Knöpfe, fünf Drehregler und zwei Schaltwippen regieren den amtierenden GT-Weltmeister.

„Das Chassis der Nummer 95 ist das wohl berühmteste Aston-Martin-Racing-Chassis aller Zeiten. Es hat nicht nur die Pro-Klasse im Jahr 2016 gewonnen, sondern auch den Am-Titel 2013 und 2014“, erzählt John Gaw, Managing Director von Aston Martin Racing. Ein kleiner, aber bestimmter Hinweis, dass das mehrfache Meisterschaftschassis bitte auch nach dem heutigen Gastausflug in einem Stück bleiben sollte – selbst ohne „geführtes Fahren“.

Um die Streckenkenntnis in Portimão wieder aufzufrischen, hatten die Briten vorab übrigens zwei Serienfahrzeuge hingestellt: einen VW-Polo-Mietwagen mit 60 PS und einen Aston Martin V12 Vantage S mit 571 PS starkem Zwölfzylinder. Erkenntnisse aus den Aufwärmrunden: Motorische Demut und Übermut liegen manchmal dicht beisammen. Und: Portimão ist so eine anspruchsvolle Rennstrecke, dass sogar ein untermotorisierter Polo für Kribbeln sorgen kann, zumindest auf den Bergabpassagen. Ähnlich ergeht es einem auf der Nordschleife. Da zählt ja auch nicht immer die schiere Motorleistung, um im Grenzbereich Spaß zu haben.

Unterschiede zwischen GTE und GT3

Kurve 1 und Kurve 2 sind Geschichte, anbremsen auf die erste neuralgische Kurvenkombination von Kurve 3 und 4 – eine enge, langsame Rechtskurve mit anschließender lang gezogener Bergauflinks. Der Vantage GTE lenkt messerscharf ein, bevor er unter Last im engen Kurvenverlauf schnell mit dem Heck drückt und die Traktionskontrolle sanft regelnd einsetzt. Anschließend stürmt er leichtfüßig die erste Kuppe hoch.

„Der GT3 hat mehr Leistung als unser GTE-Auto, ist dann aber nicht ganz so agil in den Kurven. Hier in Portimão ist der GTE nur zwischen einer halben und einer Sekunde schneller als ein GT3. Es hängt auch stark von der Strecke ab. In Daytona zum Beispiel fliegen die GTE an den GT3-Autos vorbei. Es gibt aber Strecken, da können die GT3-Autos schneller sein, wie zum Beispiel in Valencia“, hatte Aston-Werksfahrer und GTE-Pro-Champion Marco Sørensen vorab einen Vergleich zwischen seinem GTE-Einsatzgerät und dem Aston Martin V12 Vantage GT3 gezogen.

Und wie unterscheiden sich die schärfsten Rennpferde aus dem Aston-Stall genau? Während die GT3-Version der Briten von einem Sechsliter-V12 befeuert wird, arbeitet im GTE-Renner der 4,7-Liter-V8. „Der V8 des GTE-Fahrzeuges wiegt nur 160 Kilo. Das V12-Triebwerk des GT3 ist etwa 50 Kilogramm schwerer“, beschreibt John Gaw später einen weiteren Unterschied. Mit seinen 1.183 Kilo ist der Vantage GTE insgesamt rund 150 Kilo leichter als der GT3-Rennwagen und rund 400 Kilo leichter als sein Straßenpendant von Aston Martin.

„Der GT3 trägt zwar einen schwereren Motor, dafür hat der V12 aber mehr Drehmoment von unten heraus als der V8 des GTE“, hatte GTE-Pilot Marco Sørensen vorab noch gesagt. Rund 600 PS Nennleistung beansprucht der GT3-Aston für sich, während das GTE-Meisterauto beim Saisonfinale in Bahrain 2016 mit der per BOP verordneten Restrictor-Größe von zweimal 29,2 mm auf rund 510 PS kam. Über mangelnde Leistung kann man sich also auch im GTE-Vantage nicht beklagen.

Wert des Aston Martin V8 Vantage GTE: 860.000 Euro

Einige Minuten später ändert sich die Meinung dann doch. Zwischen all den Rennwagen prügelt ein Besitzer mit seinem Aston Martin Vulcan um den Kurs. Der nur 24-mal gebaute Trackday-Sportler schnupft mit seinem 831 PS starken V12 das GTE-Auto zumindest auf der langen Geraden locker weg. Lassen wir dem Vulcan-Piloten seinen Spaß, dafür musste er ja auch 2,3 Millionen Euro hinblättern. Dagegen hatder GTE-Rennwagen einen fast humanen Gegenwert: „nur“ 860.000 Euro.

Zurück zu Kurve 4, weit auf die Curbs raustragen lassen. Zweimal grün, zweimal rot, viermal blau – blitzschnell flammen die Schaltlampen auf dem Dashboard auf und verdeutlichen, wie schnell der Achtzylinder bis zum idealen Schaltpunkt bei 7.500/min hochdreht. Spätestens bei 7.800 Touren setzt dann der Drehzahlbegrenzer ein.

Dritter, vierter, fünfter Gang – für den Wechsel der Fahrstufen des sequenziellen Sechsganggetriebes von Xtrac reicht ein entspanntes Fingerzucken. Anders als in den Straßenmodellen von Aston drehen die Schaltwippen des GTE-Rennwagens am Lenkrad mit und sind nicht fest hinter dem Lenkrad installiert. Hochschalten ist hier im Renntempo jederzeit locker möglich, ohne die Hände gen Kurvenausgang vom Lenkrad nehmen zu müssen. Bitte direkt in die Serienmodelle übernehmen.

Kein ABS im Renn-Aston

Mehr Kopfzerbrechen bereitete vorab die Bremsanlage. „Anders als im GT3 mit ABS fahren wir im GTE-Auto ohne ABS. Daher ist der GT3 für Gentleman-Driver einfacher zu fahren“, hatte John Gaw erzählt. Jetzt, beim Anbremsen in der abschüssigen Anbremszone auf die enge Haarnadel von Kurve 5, zeigt sich, dass die Befürchtungen völlig unbegründet sind. Der GTE verzögert auch auf den dortigen Bodenwellen gut dosierbar.

Die Brembo-Bremsanlage mit Pagid-Bremsbelägen lässt sich zwar gut dosieren, erfordert jedoch in Sachen Bremsdruck eher Bergsteigerwaden. Der Kraftaufwand beim Anbremsen ist hier im Vergleich zu einem GT3-Rennwagen klar höher. „Du musst schon extrem stark die Bremse treten, um die Reifen zum Blockieren zu bringen“, erklärt Werkspilot Marco Sørensen später. In Zahlen: Zwischen 70 und 80 bar Bremsdruck verrät später die Datenaufzeichnung. Fühlt sich fast nach Beinpresse im Fitnessstudio mit 100 Kilo Gewicht an.

Kurve 8, einlenken in die enge Bergauf-Rechts, um sich anschließend sofort wieder bergab in einen ultraschnellen Linksbogen zu stürzen. Grandios, diese Kurve mit Kompression, bei der man anschließend kurzzeitig nur den Himmel sieht, fühlt sich wie der portugiesische Mix aus Fuchsröhre und Eau Rouge an. Der per Sechspunktgurt festgeschnürte Körper wird hier plötzlich wie in der Achterbahn in den Carbon-Schalensitz gepresst.

25 Prozent mehr Abtrieb als GT3

Speziell auf diesem Streckenabschnitt merkt man das, was die Rennprofis immer schlicht als „Aero“ bezeichnen. „Die Aerodynamik des GTE- und des GT3-Fahrzeuges ist komplett unterschiedlich. Das GTE-Auto hat rund 25 Prozent mehr Abtrieb als ein GT3-Fahrzeug. Der Abtrieb des GTE wird außerdem anders und zwar hauptsächlich unter dem Fahrzeug generiert“, verrät der Managing Director von Aston Martin Racing später. Kein Wunder, bei dem ausladenden Heckdiffusor.

Aston Martin V8 Vantage GTE - Tracktest - Portimão - Rennwagen - LMGTE Pro
Aston Martin
Alle Hände voll zu tun: Das Wort "Multifunktionslenkrad" bekommt im Renn-Aston eine ganz andere Bedeutung.

Und dann kommt kurz vor Schluss der Runde das Schmankerl aller Kurven in Portimão – die lang gezogene Bergab-Rechts von Kurve 14 zurück auf Start-Ziel. „Mit unserem GT3-Auto geht die von oben voll“, hatte mir DTM-Rekordchampion Bernd Schneider mal bei einem geselligen Abendessen erzählt. Soll man das damals im Hirn Abgespeicherte jetzt gleich in die Tat umsetzen?

Mit dem GTE-Brenner von Aston Martin müsste die Königin aller Kurven in Portimão dann ebenfalls locker „voll“ gehen, oder? Keine Sorge, auch ohne „geführtes Fahren“ sollte man bei Tracktests nicht allen Querdynamikverlockungen erliegen. Die oberste Priorität bei einem Tracktest greift auch heute: Nach neun Runden steht der Aston Martin V8 Vantage GTE wieder in der Box – vergnügt knisternd, aber ohne den kleinsten Kratzer.

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Erscheinungsdatum 04.02.2022

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