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DTM-Historie
Drifts, Dreher und Spektakel

Die DTM feierte 2014 ihren 30. Geburtstag: Wir blicken zurück auf die Anfänge und die Glanzzeiten der Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM). Und wir haben die spektakulären Bilder aus der goldenen Ära.

DTM, 30 Jahre, Sporthistorie, Impression
Foto: Sabine Hofmann

Nur langsam entwickelte sich aus dem Championat mit dem ursprünglichen, recht bürokratischen Namen Deutsche Produktionswagen-Meisterschaft der Sehnsuchtsort für deutsche Motorsportfans – mit Starterfeldern von bis zu 46 Autos und allen großen Namen des Tourenwagen-Gewerbes.

Wir schreiben den 11. März 1984. In der belgischen Provinz Limburg herrscht regnerisches Wetter. Und gäbe es nicht ein Rennwochenende auf der Formel-1-Piste von Zolder (sprich: Solder), würde sich an diesem Tag wohl niemand in die eher triste Gegend des Königsreichs 70 Kilometer nordwestlich von Aachen verirren.

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Wie asthmatische Kater

Eher lustlos verfolgt auch der Reporter von auto motor und sport, Norbert Haug, das Treiben beim Stapellauf der neuen Rennserie. Der kritische Berichterstatter vermisst vor allem, dass er bei der „neuen deutschen Renn-Welle“ nicht ordentlich was auf die Ohren bekommt. Die Produktionswagen dürfen nicht lauter als 100 Phon sein, hatten die Regelmacher von der ONS in Frankfurt festgelegt.

„Töne, die auch ein asthmatischer Kater von sich geben würde“, vernimmt Haug stattdessen von den Renntourenwagen der Gruppe A, die wie der Ford Mustang von Manfred Trint noch vor Ort mit Stahlwolle heruntergepegelt werden müssen. Wie wir heute wissen, ging das Ganze gut aus, und Haug sollte als Mercedes-Motorsportchef ab 1990 einer der einflussreichen DTM-Gestalter werden.

Während Hobbyrennfahrer Norbert Haug bei der Premiere 1984 als Reporter Zaungast bleibt, sitzt ein anderer späterer DTM-Gestalter an diesem nassen März-Sonntag im Rennauto. Volker Strycek startet in einem rund 290 PS starken BMW 635 CSi, den er beim Bochumer BMW-Händler Michael Gubin selbst aufgebaut hat. „Wir sind damals alle sehr aufgeregt nach Zolder gefahren“, erinnert sich der damals 26 Jahre alte Kfz-Meister und fügt an: „Ein großes Starterfeld mit klangvollen Namen, und ich war mit dabei.“ Doch beim ersten Ausflug in der neuen Serie erlebt Strycek gleich alle Höhen und Tiefen: In der Startphase schickt ihn ein Mitstreiter in einen Dreher. Weit zurückgefallen, muss der ehemalige Renault-5-Pokal-Sieger aus dem Ruhrgebiet seine Kämpferqualitäten auspacken, um wenigstens noch einen Platz auf dem Treppchen zu ergattern.

Erster DTM-Titel geht an einen Privatfahrer

Strycek wird auf der Strecke nie der strahlende Held, der einen Meisterschaftslauf gewinnt. Der Privatfahrer mit einem selbst präparierten Auto spielt vielmehr die Traumrolle der Regelmacher: Mit abstrakter Konstanz hamstert er seine Punkte und wird ohne jede Werksunterstützung Premieren-Meister. Doch entgegen dem Ideal der „klassenlosen Gesellschaft“, die durch eine Gewichtszuweisung für jeden Fahrzeugtyp grundsätzlich jedem Auto Siegchancen geben soll, behalten die „Dicken“ wie der BMW mit dem 3,5-Liter-Sechszylinder die Oberhand. In den Folgejahren gehen die DTM-Titel an den Volvo 240 Turbo von Per Stureson sowie an den von Tom Walkinshaw Racing (TWR) entwickelten Rover Vitesse des Dänen Kurt Thiim.

Das Vorbild zum neuen Championat mit Gewichtsregelwerk stammt aber nicht etwa aus England, sondern aus dem Nachbarland Frankreich: Die dortige Tourenwagen-Meisterschaft mit über 30 Autos je Rennen gilt als erfolgreiches Beispiel für die deutsche Rennserie der Zukunft – die DTM. Mit meist nur einem Drittel der Starterzahl in Frankreich ist die Deutsche Rennsportmeisterschaft dagegen nur noch ein Schatten ihrer selbst: Einige Gruppe-C-Sportprototypen, meist Porsche 956, fahren mit ein paar alten Gruppe-6-und Gruppe-5-Boliden um die Wette.

Diese öden Rennen mit wenigen Zuschauern wecken die Sehnsucht nach einem neuen Konzept: „Ein enges Feld, hohe Leistungsdichte, viele Autos“, so fasst der Premieren-Meister Strycek die Anforderungen zusammen und resümiert: „Die neue Serie war auf Anhieb faszinierend und enorm spannend.“ Im Mai 1986 folgt der nächste wichtige Schritt: AMG-Chef Hans-Werner Aufrecht gründet den Verein Internationale Tourenwagen- Rennen, kurz ITR. Die Rennserie wird schon zu Saisonbeginn in Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft umgetauft: Das Kürzel DTM gewinnt bald Kultstatus.

Eintritt für die DTM-Bühne

In der ITR werden die Interessen der Teams und Fahrer, aber auch der Werke gebündelt. Engagiert sich ein Hersteller, kostet ihn das ITR-Entree 30.000 Mark. „Wer die Bühne betreten will, muss Eintritt zahlen“, formuliert ITR-Vize Burkhard Bovensiepen (Alpina) das Credo. Mit dem Verein soll die Serie professioneller und der Zuspruch der Zuschauer gesteigert werden.

Währenddessen wird in den Entwicklungsbüros die neue Tourenwagengeneration erdacht. In München zum Beispiel entsteht für einen Renner der zweiten Dreier-Generation ein heißer Vierzylinder-Motor mit 2,3 Litern Hubraum, der auf das Kürzel S14 hört. Aber die Revolution für den neuen Renntourenwagen aus München steckt im Bereich zwischen den vorderen und hinteren Federbeindomen: Mit 28 Metern Stahlrohr konstruieren BMW-Ingenieure einen Sicherheitskäfig, der erstmals nicht nur den Fahrer schützen, sondern zugleich die Karosserie in Form eines integrierten Gitterrohrrahmens wesentlich steifer machen soll als bei einer herkömmlichen Lösung.

BMW M3 und Ford mit Turbo-Sierra

Der im September 1985 auf der IAA in Frankfurt erstmals präsentierte BMW M3 hat als Gruppe-A-Renner eine dreieinhalbmal größere Biegesteifigkeit. Gleich in seiner ersten Einsatzsaison 1987 räumt der neue Tourenwagen-Star aus München alle wichtigen Championate ab: Welt- und Europameisterschaft, die DTM mit dem belgischen BMW-Junior Eric van de Poele sowie das französische Championat, das als Vorbild für die deutsche Serie galt.

Aber nicht der recht brav wirkende BMW mit dem rund 290 PS starken Saugmotor beunruhigt die DTM, sondern der Ford Sierra Cosworth RS500 mit dem einzigen Turboaggregat im Feld. Neben einem gewaltigen Drehmoment von 450 Newtonmetern entwickelt der Zweilitermotor mit Garrett-Turbine über 500 PS. Aber der Leistungs-Kapitalist aus Köln wird per Luftmengenbegrenzer mit einem Durchmesser von 38 Millimetern eingebremst – zusätzlich zum hohen Einstufungsgewicht von 1.200 Kilogramm (BMW M3: 1040 kg).

Dank Le-Mans-Sieger Klaus Ludwig sichert sich Ford 1988 die Meisterschaft, aber der Turbo wird weiter abgeschnürt: durch die Verringerung des Einlasses am Luftmengenbegrenzer auf 36 Millimeter. Ford-Rennleiter Pinske beschwert sich: „Dass wir wieder nach vorn kamen, lag daran, dass die Konkurrenz schlechter ist als von uns erwartet“, äußert er im großen DTM-Interview von auto motor und sport. Im Folgejahr verlieren die Kölner ihren Meister-Lenker Ludwig an AMG-Mercedes, den Titel an BMW und trotz Vizerang für Klaus Niedzwiedz letztlich die Lust an der DTM.

Faszinierende Autos mit bis zu 10.000/min

Das liegt nicht zuletzt an der schneller aufsteigenden Kostenspirale: Ein Sierra Cosworth RS kostet im DTM-Trimm zum Beispiel rund 280.000 Mark. Die Fortschritte in der Motorentechnik sind enorm: BMW entwickelt eine eigene Motorelektronik, die jeden der vier Zylinder einzeln ansteuert, und erlaubt seinen Fahrern für den 320 PS starken Motor bis zu 10.000 Umdrehungen – Werte wie bei den reinen Rennmotoren der Formel 2 wenige Jahre zuvor. „Die Belastungen in einem solchen Motor sind höher als in der Formel 1 – wenn man nur an die Kolbengeschwindigkeiten denkt!“, betont BMW-Motorenmann Wolfgang Hatz, heute Porsche-Vorstand für Forschung und Entwicklung, und fügt an: „Und trotzdem geht fast nie etwas kaputt.“

Der harte DTM-Wettbewerb mit immer spektakuläreren Autos freut nicht nur die Rennbesucher, die in zunehmender Zahl zu den Meisterschaftsläufen kommen, sondern ab 1989 auch die Fans an den Fernsehern: Der Verbundsender 3sat mit dem ZDF als deutschem Partner überträgt alle Rennen live. Dieses Novum für eine Rennserie hierzulande ist der Beliebtheits-Turbo für die DTM. Der Ausstieg von Ford ist nach dem Einstieg von Audi mit den Publikumslieblingen Hans-Joachim Stuck und Walter Röhrl (in der zweiten Saisonhälfte) vergessen.

Stuck und Röhrl sorgen für Publikumsansturm

Dafür haben die Ingolstädter eine neue Zerreißprobe im Gepäck: den Allradantrieb. Seit den Erfolgen mit den Rallye-Quattro gehört der Antrieb aller vier Räder zum Markenzeichen der sportlichen Audi. ITR-Chef Aufrecht verlangt auf der Motorshow in Essen 1989, man solle beim Audi eine Antriebsachse stilllegen. „Das ist nicht möglich“, wehrt Vier-Ringe-Sportchef Herwart Kreiner ab. Dass das viertürige Stufenheck-Dickschiff des ehemaligen Rallye-Weltmeisters keine Flügel hat, die vor allem bei Mercedes mittlerweile in den Himmel wachsen, ist nur ein schwacher Trost.

Audi kommt, gewinnt und wird zweimal in Folge Meister. Hans-Joachim Stuck legt vor, und Sonnyboy Frank Biela verwandelt den zweiten Matchball. Erst eine illegale Kurbelwelle schickt die Ingolstädter 1992 vom Platz. Damit ist das Allrad-Gespenst aber nur kurzzeitig gebannt. Während Mercedes und Klaus Ludwig im 190 Evo II mit Heckantrieb die Meisterschaft feiern, wird in Italien schon ein neues Überauto für die neue Klasse 1 entwickelt.

1993 entert Alfa Romeo die DTM mit dem 155 V6 TI, dem ersten lupenreinen Klasse-1-Tourenwagen. Unter dem leidenschaftlich-strengen Regiment von Rennleiter Giorgio Pianta wird Nicola Larini mit der 420 PS starken Allrad-Rakete auf Anhieb Meister. Opel schickt den neuen Calibra, wie die DTM-Novizen aus Settimo Milanese mit Allradantrieb ausgerüstet, erst beim Finale von Hockenheim ins Rennen.

Klasse 1 mit V6-Motoren

Mercedes setzt seine neue C-Klasse erst im folgenden Jahr mit dem klassischen Heckantrieb erfolgreich auf die Meisterschaft an, jetzt wie die Mitbewerber mit Sechszylinder. Auch gelingt die Evolution der DTM zur internationalen Rennserie. Doch die Kosten schießen durch die Decke: auto motor und sport berichtet, dass Alfa 1996 für den Einsatz in der ITC, wie die internationale DTM-Version heißt, über 100 Millionen Mark ausgibt. Der Allradantrieb allein erhöhe das Budget wie bei Opel um 30 Prozent. Am Ende ziehen beide Werke den Stecker: bei Opel trotz des lang ersehnten Titelgewinns mit dem Calibra.

Die ITR, der neue ITC-Promoter Bernie Ecclestone sowie Mercedes schauen in die Röhre: Nichts wird es mit der geplanten WM. Es bleiben die spektakulären Renntourenwagen und Klasse-1-Boliden, die heute die Erinnerung an eine tolle Zeit wachhalten. Bis zum Start der neuen DTM sollten vier Jahre verstreichen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten