In Le Mans zählt Ausdauer und Standfestigkeit. In einem Rennen, das über 24 Stunden läuft, hat die Pole Position keine Bedeutung. Sie ist für die Galerie. Und doch hat die Jagd nach schnellen Runden auf der Traditionsstrecke ihren Reiz. Weil die Piloten ihre Autos mit wenig Benzin und voller Leistung der Motoren an die Grenzen treiben. Weil der Zuschauer erfährt, was möglich ist, wenn der Verkehr mal nicht stört.
Zum zweiten Mal richtete der Veranstalter ACO das Hyperpole-Format aus – eine halbstündige Session, die allein für die Zeitenjagd bestimmt ist. Qualifiziert sind die jeweils sechs schnellsten Autos der jeweiligen Klassen (Hypercar, LMP2, LMGTE Pro & LMGTE Am). Bei den Hypercars mussten sich die beiden Toyota, die zwei Glickenhaus und der einzige Alpine nicht in der Qualifikation mühen. Aufgrund des kleinen Starterfeldes in der Topklasse waren sie ohnehin für die Session am Donnerstagabend gesetzt, die um 21 Uhr Ortszeit startete.

Knappe Abstände zwischen Toyota
Toyota will an diesem Wochenende seinen vierten Le Mans-Erfolg in Serie einfahren. In der Hyperpole bestätigte der japanische Hersteller seine Vormachtstellung. Weder Glickenhaus noch Alpine konnten es mit Toyota aufnehmen, als der Autogigant voll aufdrehte. In den Trainings hatten die Privatmannschaften mit ihren Autos ohne Hybridantrieb mehr Gegenwehr geboten. Doch es war jetzt nicht so, dass sie völlig abgehängt wurden.
Kamui Kobayashi, der sich die Aufgaben mit Mike Conway und Jose Maria Lopez teilt, flog im GR010 mit der Startnummer 7 zur Pole Position. Im letzten Jahr war dem ehemaligen Formel 1-Fahrer das Kunststück im alten TS050 Hybrid gelungen. Auf eine Runde ist Kobayashi in Le Mans kaum beizukommen. In dieser Disziplin ist er ein absoluter Spezialist. Der 34-jährige Japaner lenkte seinen rund 700 PS starken Rennwagen in 3:23.900 Minuten um die 13,626 Kilometer lange Rennstrecke.
Die Pole-Zeit setzte Kobayashi bereits im ersten Versuch bei Außentemperaturen von 19 Grad Celsius (Asphalt: 25 Grad). Teamkollege Brendon Hartley fehlte zunächst mehr als eine Sekunde. Der Neuseeländer arbeitete sich zwar in der Folge näher heran, verpasste die Bestmarke jedoch um 0,295 Sekunden. Er wird die 24 Stunden zusammen mit Sebastien Buemi und Kazuki Nakajima bestreiten. Das Trio errang im Vorjahr den größten Langstreckenpokal.
Hypercars deutlich langsamer
Das neue Reglement hat die Topautos eingebremst. Weniger Leistung, mehr Gewicht. Der Wechsel von LMP1 auf Hypercar kostete Toyota fast neun Sekunden an Rundenzeit. Erster Verfolger ist Alpine (Startnummer 36). Die Franzosen machten auch in den Trainings den stärkeren Eindruck als Glickenhaus. Nicolas Lapierre schob sich im A480-Gibson, der auf dem alten Rebellion R13 basiert, bis auf 1,674 Sekunden an die Bestmarke heran.
Für Glickenhaus sprangen die Startpositionen vier und fünf heraus. Beide 007 LMH legten in den Schlussminuten zu, schrammten aber knapp an der Vorgabe von Alpine vorbei. Olivier Pla (Startnummer 708) war 65 Tausendstel langsamer als Lapierre. Das Schwesterauto hängte er um rund 1,3 Sekunden ab.
Die LMP2-Autos sind der Topklasse deutlich näher gerückt. Hier verbuchte die Jota-Mannschaft dank Antonio Felix da Costa die schnellste Rundenzeit. Der Portugiese steuerte den Rennwagen mit der Startnummer 38 in 3:27.950 Minuten um die Strecke. Dahinter sortierten sich das Team WRT (#41) und Panis Racing (#65) ein.

Porsche-Unfall, Porsche-Jubel
Die LMGTE Pro sorgte für den einzigen Unfall der Session. Es erwischte Porsche. Die Mechaniker von Manthey Racing, das für den Werkseinsatz der RSR zuständig ist, erwartet reichlich Arbeit. Kevin Estre feuerte den zweiten Elfer mit der Startnummer 92 bereits in der ersten fliegenden Runde nach sieben Minuten in den Reifenstapel.
Der Franzose übertrieb es in der Links von Indianapolis, verlor das Heck seines Autos und krachte ins Seitenaus. Durch den Einschlag wurde die Heckpartie des 911 RSR stark beschädigt. Die Rennleitung reagierte mit der roten Flagge, damit die Streckenposten den angeschlagenen Rennwagen sicher bergen konnten – und damit keine der 30 veranschlagten Minuten verloren geht.
Immerhin gibt es an anderer Stelle für den deutschen Sportwagenhersteller Grund zum Jubeln. Dries Vanthoor (#72, Hub Auto Racing) drehte dem Porsche-Werksteam eine lange Nase. Seine Rundenzeit von 3:46.882 Minuten reichte, um den AF Corse-Ferrari 488 GTE Evo mit der Startnummer 52 und die schnellere der beiden Corvette C8.R (#64) hinter sich zu halten. In der LMGTE Am jubelte Dempsey Proton Racing (Porsche 911 RSR, #88).
Die 24 Stunden von Le Mans starten am Samstag um 16 Uhr. Das Starterfeld füllt sich mit insgesamt 62 Rennwagen, die den Marathon durch Tag und Nacht überstehen wollen.