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24h of Lemons
Das Hot-Schrott-Rennen

Amerikas am schnellsten wachsende Rennserie eifert den 24 Stunden von Le Mans nach. Der Unterschied? Hier werden marode Automobile aufgehübscht und von Hobbyrennfahrern zum Tanz aufgefordert. auto motor und sport war live dabei.

24h of Lemons, Ford Mustang, Acura Integra
Foto: Hans-Dieter Seufert

Eigentlich hätte das Wochenende für Pat ein Fest werden sollen. Eins mit Pokal am Ende. Dafür wollten er und die Haribo-Jungs den kleinen 67er-Simca ordentlich um die Kurven des Eagle Canyon Raceway nahe Dallas fliegen lassen.

Mit mehreren Gallonen Super und einem Liter 10W40-Öl hatten sie gerechnet, einen gerissenen Gasbowdenzug und zwei Sätze Bremsklötze verkraftet – aber dass nach vier Runden zwei Ventile quer im dritten Kolben stecken würden, hatte keiner geahnt.

"Wir haben uns auf ein normales 24-Stunden-Rennen vorbereitet", schnauft der rundliche Pat, als er gegen Mittag in seinen Transporter klettert und den Austauschmotor holt. Einer aus seinem Team flüstert: "Weiß doch wohl jedes Kind, dass es kein normales 24-Stunden-Rennen der Zitronen gibt."

24-Stunden von Lemons: Rennspaß für wenig Geld

Die "24 hours of Lemons" (übersetzt: "Die 24 Stunden der Zitronen") ist eine Serie von mittlerweile 20 Langstreckenrennen pro Jahr, die es seit 2006 in den USA gibt. Wie beim Vorbild im französischen Le Mans wird dabei einen Tag lang zügig im Kreis gefahren. Allerdings nicht jedes Mal 24 Stunden am Stück, sondern überwiegend auf zweimal zwölf helle Stunden verteilt – Sicherheit geht vor. Zumal die meisten der gebuchten Rennstrecken (über ganz Amerika verteilt) keinen Nachtbetrieb erlauben.

Der zweite große Unterschied liegt in der Grundstimmung: Während es in Le Mans um Ehrgeiz, Prestige und dicke Budgets geht, zählt bei den Lemons der bezahlbare Spaß an der Freude. Aus diesem Grund sind nur Rennwagen im Wert von höchstens 500 Dollar zugelassen – inklusive Sicherheitsausstattung wie Überrollkäfig, Notausschalter, Sicherheitstank und Sechspunktgurt. Das Starterfeld ist bunt gemixt und reicht von deutschen Heckschleudern à la BMW E30 über japanische Drehorgeln wie Honda Civic, Mazda MX5 und RX7 bis hin zu spottbilligen amerikanischen Kutschen mit Vier-, Sechs- und Achtzylindern.

Eine überaus seriöse Jury – bei unserem Besuch in Dallas repräsentiert durch einen Herren in Hawaiihemd und Richterrobe und einen zweiten im Indianerkostüm – überprüft die Sicherheit an Bord und schätzt den Wert der Fahrzeuge. Dabei sind Bestechungen in Form von Süßigkeiten, Spielzeug oder flüssiger Nahrung gern gesehen. Reichen diese nicht aus, bekommen offensichtlich teurere Fahrzeuge gleich von vornherein Strafsekunden aufgebrummt. Im gleichen Atemzug teilt die Jury alle Rennwagen in folgende drei Gruppen auf, in denen sie später gewertet werden:

• The Good – Die Guten,
• The Bad – Die Schlechten,
• The Ugly – Die Hässlichen.

Fahrer teilweise kostümiert

All das passiert am Freitagnachmittag. Bis Samstagmorgen bleibt den Teams Zeit für Nachbesserungen, Tuning und gemütliche Wiedersehenspartys. Die meisten haben bereits einige gute Rennwochenenden zusammen gelacht, gefeiert, geschraubt.

Samstagmorgen ist Fahrerbesprechung, bei der sich alle locker um einen Herren in blauer Lederjacke versammeln. Jay ist der Erfinder dieser Veranstaltung. Er erinnert die teilweise kostümierten Fahrer durch ein Megafon, warum sie hier sind: um bezahlbaren Rennspaß zu erleben. Um fair miteinander umzugehen. Und um Sonntagabend glücklich und gesund zu ihren Lieben zurückzukehren.

Den Neulingen erklärt er anschließend, dass das Rennen von strengen Augen beobachtet und mit den üblichen Flaggen dirigiert wird. Der Start ist entsprechend den Trainingszeiten fliegend, das Safety Car gelb lackiert. Wer mit allen vier Rädern neben der Strecke erwischt wird, bekommt die schwarze Flagge gezeigt und muss in der Box strenge Fragen der Jury beantworten. Der Startplatz für ein Auto kostet übrigens 1.000 Dollar, die sich im Schnitt vier bis sechs Fahrer teilen. Alle müssen zugelassene Rennanzüge, Schuhe, Handschuhe, Masken und Helme tragen – auch beim Nachtanken und beim Fahrerwechsel in der Box. Wer wie viele Runden dreht, ist Teamsache. Wer wem hilft, ebenfalls.

Unerwarteter Gaststart beim 24-Stunden-Rennen von Lemons

Als wir nach dem verkorksten Start den zertrümmerten Motor des Teams Haribo begutachten, kommen immer mehr hilfsbereite Gegner dazu. Alle erklären den Kopf des kleinen Vierzylinders für mausetot und sprechen ihr Beileid aus. Als sie von unserer Reportage erfahren, organisieren sie spontan ein komplettes Rennoutfit sowie ein Cockpit für eine Stunde. Die Fahrerin sei sowieso viel zu schwanger. Und so passiert, was nicht geplant war: auto motor und sport startet beim 24-Stunden-Rennen der Zitronen in einem Plymouth Reliant K, quasi die amerikanische Version des Opel Rekord der 80erJahre. Dieser hier wurde liebevoll tiefergelegt, mit der Amerika-Flagge bepinselt und bekam heute Morgen einen frischen Motor vom Schrott verpasst.

Da sich der 2,2-Liter-Vierzylinder und die Dreigangautomatik mental schon im Rentenalter befinden, bleibt von der ersten Runde an unglaublich viel Zeit, sich auf die Ideallinie zu konzentrieren. Und das Rennen aus einer anderen Perspektive zu genießen. Sonst wüssten wir nicht zu berichten, wie frisch so ein alter Mazda RX7 bei 9.000 Umdrehungen im Windschatten zwitschert. Oder wie schräg ein Ford Fairmont Futura von 1978 trotz ausgetüftelten Sportfahrwerks in der Kurve hängt und wie brachial ein Model T von 1927 mit den richtigen V8-Zutaten auf der Geraden abgeht. Nach einer Stunde ringen wir dem bunten Kombi Rundenzeiten unter drei Minuten ab und bekommen dafür beim Fahrerwechsel Applaus: "An der Spitze sind sie gerade mal eine Minute schneller."

Kurz vor Schluss knattert der Simca 1000 zurück auf die Strecke, Team Haribo hat die Nacht durchgeschraubt und das Beste aus zwei zerlegten Motoren vereint. Das Glück hält nur fünf Runden, dann hat der Block ein daumendickes Loch. Pat und sein Team gehen trotzdem nicht leer aus – bei der Siegerehrung erhalten sie den Pokal für den längsten Schraubereinsatz.

Initiator John "Jay" Lamm erzählt, wie alles anfing

"Ich habe als Motorjournalist alle möglichen Rennen weltweit besucht. Bei dem vielen Geld, was da verbraten wird, sind alle furchtbar angestrengt. Ich dachte, das muss auch anders gehen, und trommelte ein paar Freunde zusammen. Wir besorgten uns Autos vom Schrott und hatten ein wunderbares Wochenende. Irgendwie ist daraus die am schnellsten wachsende Rennserie Amerikas geworden. Es geht um bezahlbaren Rennspaß und darum, sich nicht zu ernst zu nehmen."

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