24h Le Mans 2025: Ferrari jagt den Hattrick

Vorschau 24 Stunden von Le Mans 2025
Wird Le Mans zum Thriller-Rennen?

24h Le Mans 2025
Zuletzt aktualisiert am 10.06.2025

Zäumen wir das Pferd von hinten auf und starten wir mit dem Testtag, bei dem alle 62 Teams aus den Klassen Hypercars, LMGT3 und LMP2 für sechs Stunden auf die Strecke durften. Erkenntnisse? Toyota-Pilot Brendon Hartley markierte mit 3.26,246 Minuten die Bestzeit, alle anderen Hypercar-Topmarken (Ferrari, Alpine, Porsche, BMW und Cadillac) lagen in einem engen Zeitkorridor von 1,4 Sekunden.

Da es keine Live-Bilder vom Testtag gab, blieben viele Fragen offen. "Wir sind volle Lotte gefahren, während andere Marken einen weiten Bogen um die Curbs machten", hielt Alpine-Sportchef Bruno Famin mit einem Lächeln fest. Wie immer managten alle Teams ihre Pace, niemand will mit schnellen Rundenzeiten negativ auffallen. Daher waren die Kraftstofftanks vermutlich voll gefüllt, und wer das Cutten der Curbs in den Kurven vermied, warf mit Absicht gleich mal zwei Sekunden weg.

Andererseits war die beste Hypercar-Rundenzeit 0,6 Sekunden schneller als im Vorjahr, doch das ist erklärbar: Erstens wurde die Strecke aufwendig gereinigt, zweitens diente eine Test-Session des Ligier European Cup als Straßenfeger, drittens sorgte neuer Asphalt hinter Tertre Rouge sowie von Arnage bis eingangs der Porsche-Kurven für etwas mehr Grip. Und viertens fuhren alle Hypercars über die BOP mit mehr Leistung als noch 2024.

Toyota - 24h von Le Mans 2025 - Vortest
xpb

Sechs Marken siegfähig?

Die Hypercar-Teams fokussierten sich darauf, ihre Programme durchzuziehen, denn der Testtag bietet die einzige Chance, vor der Rennwoche auf dem Circuit des 24 Heures du Mans zu fahren. "In der Regel splitten wir beim Test die Aufgaben auf die Autos", so Urs Kuratle, Leiter LMDh-Werkssport bei Porsche. "Im Fokus stehen dabei das mechanische Set-up, die Aero-Einstellungen sowie natürlich die Reifen."

Nur Toyota-Technikchef David Floury traute sich zu, trotz aller Unwägbarkeiten eine grobe Lageeinschätzung zu liefern: "Nach unserer Wahrnehmung hat Ferrari einen kleinen Vorteil beim Grundspeed, dahinter balgen sich mit Porsche, BMW, Cadillac, Alpine und Toyota fünf Marken im Verfolgerpulk."

Am Donnerstag vor dem Testtag hatten die WM-Ausrichter ACO und FIA die mit Spannung erwartete Balance of Performance (BOP) für die Hypercar-Topklasse veröffentlicht (siehe rechte Seite). Das Urteil der Experten stand schnell fest: Das Grundmuster deckt sich mit der BOP aus dem Vorjahr. Beim BOP-Gewicht gab es mit Ausnahme von Peugeot (minus acht Kilo) fast gar keine Änderungen, bei den Maximalleistungen bis 250 km/h erhielten Alpine und Cadillac (+10 und +8 kW) sowie Ferrari (+9 kW) und Toyota (+12 kW) die größten Power-Zuschläge, während BMW und Porsche fast auf dem alten Stand blieben.

Porsche - 24h von Le Mans 2025 - Vortest
xpb

Wo stehen BMW und Porsche?

Allerdings haben BMW und Porsche mit 520 und 518 kW die höchste Maximalleistung bei der zweiten BOP-Stufe, also im Bereich über 250 km/h. Simpel gesagt soll die erste BOP-Stufe die Rundenzeiten balancen, die zweite Stufe soll die Unterschiede im Topspeed-Bereich egalisieren. "Wegen der fünf langen Geraden spielt der Topspeed in Le Mans eine herausragende Rolle, deshalb soll die zweite BOP-Stufe die unterschiedlichen Sensitivitäten der Fahrzeuge bei hohen Geschwindigkeiten ausgleichen", erklärt Urs Kuratle.

Diese Unterschiede entstehen übrigens auch aufgrund höherer Aero-Elastizitätswerte für die Bodykits in der LMH-Klasse – eine Reglement-Unstimmigkeit, die bis heute nicht ausgeräumt wurde. Deshalb muss Ferrari oberhalb von 250 km/h mit 500 kW auskommen, auch Alpine und Peugeot werden hier aufgrund ihrer spezifischen Aero-Konzept-Auslegung eingebremst.

Der dritte Punkt der BOP-Einstufungen sind die sogenannten Energiemengen pro Stint, die round about zwischen 890 und 920 MJ liegen. Diese Werte sollen primär sicherstellen, dass kein Hersteller die maximale Rundenzahl pro Stint – entweder zwölf Runden flat out oder 13 Runden mit Spritsparen – überschreitet und zweitens genügend Benzin erhält, um mit der maximalen BOP-Leistung fahren zu können.

24h von Le Mans 2025 - Vortest
xpb

Was soll das bedeuten?

Womit wir bei der zentralen Frage sind: Was bedeuten die BOP-Werte für das Rennen? Gibt es Favoriten? Haben die LMDh-Autos eine faire Chance, um gegen die LMH-Hypercars nach WEC-Reglement zu kämpfen? Bei aller gebotenen Skepsis sind die Experten im Hypercar-Fahrerlager einer Meinung: Die aktuelle BOP sollte allen Teilnehmern eine faire Chance geben, um Spitzenpositionen zu kämpfen, aber der Teufel liegt ja bekanntlich im Detail. "Man muss den BOP-Machern unterstellen, dass sie sich um einen fairen Ausgleich bemüht haben", stellt Porsches LMDh-Leiter Urs Kuratle fest.

Toyota und Ferrari sind gut eingestuft, das gilt aber auch für Cadillac und Alpine. BMW und Porsche, die im letzten Jahr mit dem Topspeed haderten, erhielten für 2025 eine Kompensation und sollten deshalb besser dastehen. In der Theorie haben damit sechs Marken eine Chance, im D-Zug an der Spitze mitzudonnern. Nur bei Peugeot ist man über die BOP verschnupft, und Aston Martin hat mit dem geringsten Gewicht und der höchsten Leistung die Chance, zu zeigen, was sie leisten können. "Wahrscheinlich sind 14 oder 15 Autos in der Theorie siegfähig", glaubt Toyota-Technikchef David Floury.

Klar ist aber auch, dass schon geringste Topspeed-Unterschiede darüber entscheiden werden, ob man aktiv überholen oder nur passiv im Hypercar-Feld mitschwimmen kann. "Die volle Wahrheit werden wir wie immer erst nach ein paar Stunden im Rennen sehen", glaubt Porsches LMDh-Leiter Urs Kuratle.

Ferrari 499P - Startnummer 50 - 24h Le Mans 2024
xpb

Ferrari nicht eingebremst

Offene Fragen? Einige Fans hätten vielleicht erstens damit gerechnet, dass der Dominator der laufenden WM-Saison, Ferrari, eingebremst werden würde. Doch die BOP für Le Mans liegt ganz gezielt außerhalb der üblichen BOP-Matrix, mit dem Ziel, allen Hypercar-Marken auf dieser speziellen Strecke eine gute Ausgangsposition zu liefern. Somit spielen die bisherigen WM-Ergebnisse eigentlich keine Rolle.

Mindestens so wichtig wie die BOP könnte zweitens das Wetter werden, denn wechselhafte Bedingungen können eine ungeplante Dynamik erzeugen, die die Kräfteverhältnisse überlagert. Bislang sind jedoch sonnige Bedingungen ohne Regen angesagt.

Im vergangenen Jahr siegte Ferrari auch aufgrund zahlreicher umstrittener Entscheidungen der Renn-Stewards, die fast immer zugunsten der Roten ausfielen. Hinter vorgehaltener Hand wird berichtet, dass intern die FIA eine Verbesserung für 2025 angemahnt hat, was drittens und letztens bedeutet, dass sich die Rennkommissare heuer mehr am Riemen reißen müssen – was nicht nur wünschenswert, sondern auch dringend notwendig erscheint.

Beim Testtag wollte kein Hypercar-Herstellervertreter den BOP-Machern schlechte Absichten unterstellen, was schon mal Anlass zur Hoffnung fürs Rennen gibt. Doch in jedem zweiten Satz wurden eben auch die Stewards-Entscheidungen aus dem Vorjahr thematisiert – sozusagen als warnender Fingerzeig für die Rennprognose.

Letztlich ist die Gesamtstimmung mit Blick auf die Hypercar-Topklasse jedoch positiv. "Le Mans könnte 2025 zu einem megaspannenden Thriller über 24 Stunden werden", glaubt Porsche-Star Nick Tandy. Hoffen wir, dass der Brite recht behält!

BOP Tabelle - 24 Le Mans 2025
MSa