Le Mans 2012 - Analyse LMP1: Audi vs. Toyota

Le Mans-Analyse LMP1
Wie nah ist Toyota wirklich an Audi dran?

Veröffentlicht am 20.06.2012

Exakt 6:15 Stunden dauerte das Duell zwischen dem neuen Herausforderer Toyota und dem Le-Mans-Platzhirsch Audi. Doch binnen 20 Minuten wurde die Toyota-Streitmacht vollständig aufgerieben: Anthony Davidson verspulte sich im Nummer-8-Toyota mit einem zu überrundenden Ferrari-Amateur, 20 Minuten später kollidierte Kazuki Nakajima im Nummer-7-TS030-Hybrid beim Restart nach der Safety-Car-Phase mit dem Delta Wing-Nissan. Anderthalb Stunden später war das Rennen dann auch für dieses Auto mit Motorschaden beendet.

Immerhin führte Toyota beim 24h-Rennen von Le Mans sogar für zwei Runden das Feld an. Vom selbst gesteckten Ziel, den schnellsten Hybrid-LMP1 in Le Mans zu stellen, war Toyota jedoch weit entfernt. Bei freier Fahrt in der ersten Stunde war Toyota im Mittel zweieinhalb bis drei Sekunden pro Runde langsamer als die Audi R18. In der dritten, vierten und fünften Rennstunde konnte Toyota die Lücke zwar teilweise wieder zufahren, doch dieser Umstand war einer Kombination aus mehreren Faktoren geschuldet.

Ordentliches Comeback von Toyota

Nachdem man bei Audi sah, dass von Toyota keine echte Gefahr drohte, wechselte man von 11- auf 12-Runden-Stints, zu Deutsch: Audi fuhr mit weniger Leistung, was Toyota besser aussehen ließ. Zweitens blieb man beim TS030-Hybrid länger auf einem Satz Reifen. Bis zu vier Stints in Folge spulten die Toyota-Piloten am Stück ab. Das sparte Zeit in der Boxengasse. Und drittens schien Toyota von der Gummiauflage auf der Strecke tendenziell stärker zu profitieren als Audi, was einen positiven Effekt auf Rundenzeiten und Konstanz hatte.

Doch Hand aufs Herz: Toyota schlug sich beim Le-Mans-Debüt ordentlich, vor allem wenn man die Umstände berücksichtigt: Das Programm wurde erst im Oktober 2011 abgesegnet. Ursprünglich war 2012 als reines Test- und Entwicklungsjahr veranschlagt, erst durch den kurzfristigen Rückzieher von Peugeot musste das Programm von zwei auf sechs Rennen und von einem auf zwei Wagen aufgestockt werden. Und drittens sorgte ein Testunfall dafür, dass die Entwicklungsarbeit fast einen vollen Monat ruhte. Für Toyota kam das 24h-Rennen einfach zu früh: Bei der mechanischen Zuverlässigkeit war man nicht aussortiert und auch bei der Performance gibt es noch Spielraum nach oben.

Vor allem gegen einen Konkurrenten wie Audi. Die Bayern hatten sich auf ein knallhartes Duell gegen den Peugeot-Hybrid eingestellt. Insofern hatten sie nicht die erwartete Gegenwehr. Nachdem die Toyota draußen waren, bewältigten die Audi-Piloten eher geruhsam die Nacht.

Zur traditionellen Happy Hour am frühen Sonntagmorgen gab es dann "Feuer frei" vom Kommandostand: Wie in der Phase zwischen 2002 und 2006 durften die Piloten die Entscheidung, welches Auto gewinnt, selber ausfechten. Natürlich gibt es auch dafür Regeln, beispielsweise, dass man sich tunlichst nicht gegenseitig in die Kiste fahren soll.

Audi sorgt für spätes Spektakel

Dass es sich wirklich um ein ehrliches Rennen zwischen den Audi-Wagen gehandelt hat, kann man am der erstaunlich hohen Fehlerquote der Piloten erkennen: Romain Dumas erwischte es schon am Samstagabend im Verkehr. Marcel Fässler fabrizierte im lange Zeit führenden Audi R18 E-tron Quattro einen Dreher in den Porsche-Kurven, was die Führung kostete. Später gab es noch eine Beinahe-Kollision mit Teamkollege Tom Kristensen. Marc Gené stopfte seinen hybridlosen Audi R18 Ultra am Sonntagmorgen in die Planken, obwohl die Streckenmarshalls die gelb-rote-Flagge für rutschigen Untergrund raushielten.

Den größten Bock schoss aber Allan McNish ab, als er in Führung liegend den Hybrid-Audi mit der Startnummer 2 bei einem Überrundungsversuch verlor und in die Leitplanken zimmerte. Damit war das Rennen zugunsten der Vorjahressieger Benoit Tréluyer, Marcel Fässler und André Lotterer entschieden. Fazit: Die Fahrfehler entschieden das teaminterne Duell um den Audi-Sieg in Le Mans.

In unserer Fotogalerie haben wir noch einmal die besten Bilder vom Duell Audi vs. Toyota.