Es gibt für Rennfahrer gleich mehrere triftige Gründe, um beim 24h-Rennen in Daytona anzutreten. Zum einen zählt das Rennen zu den Prestige trächtigsten Langstreckenrennen der Welt, und das seit fast einem halben Jahrhundert. Zweitens ist es im Januar in Florida meist angenehm warm mit Temperaturen von über 20 Grad - auch wenn das am Rennwochenende 2010 für einmal nicht der Fall war. Am wichtigsten schließlich ist der dritte Grund: Die begehrte Rolex-Siegeruhr, die jeder Fahrer für einen Klassensieg erhält, zählt in der Gilde der Rennfahrer wie eine Ehrennadel. Und sie ist obendrein schon fast ein Stück Altersvorsorge, denn immerhin werden echte Daytona-Siegeruhren mit Preisen von weit über 20.000 Euro gehandelt.
Immerhin ein deutscher Fahrer kehrt 2010 mit einem prunkvollen Wecker am Handgelenk zurück: Mike Rockenfeller. Der 27-jährige Audi-Werkspilot - der für die Ingolstädter Sportabteilung mit dem Prototypen R15 TDI in Le Mans sowie in der DTM an den Start geht - konnte beim ersten Saisonrennen der Grandam-Serie auf dem Daytona International Speedway einen reichlich unerwarteten Klassen- und Gesamtsieg auf einem Riley-Prototypen einfahren: Zusammen mit seinen Teamkollegen Joao Barbosa, Terry Borcheller, und Ryan Dalziel startete Rockenfeller von Platz acht ins Rennen. Bereits nach knapp vier Rennstunden fand sich das Action Express Racing-Team auch dank der schnellen und von guter Übersicht geprägten Fahrweise von Mike Rockenfeller auf Platz zwei wieder.
Unverhoffter Sieg für Rockenfeller
Zwar musste das Team fortan weite Strecken zu dritt bestreiten, weil Borcheller krankheitsbedingt ausfiel, doch die drei Profipiloten bissen sich durch, verloren nie mehr den Kontakt zur Spitze und balgten sich in den letzten vier Rennstunden nur noch mit einem ernsthaften Gegner, nämlich dem schon drei Mal beim 24h-Rennen in Daytona siegreichen Team von Chip Ganassi (Riley-BMW) von Max Papis, Scott Pruett, Memo Rojas und Justin Wilson sowie dem Riley-Ford von Michael Shank Racing.
Zu diesem Zeitpunkt war Rockenfeller keineswegs von seiner Siegchance überzeugt: "Sowohl das BMW-Triebwerk als auch der Ford-Motor haben mehr Leistung als unser Porsche-Triebwerk. Wenn diese beiden Teams am Ende voll attackieren sollten, dann haben wir wohl keine realistische Chance."
Konkurrenz eliminiert sich selbst
Falsch gedacht: Der Ford-Riley von Shank-Racing schied mit Motorschaden aus, und das starke Gansassi-Team verlor knapp zwei Stunden vor Rennende fast eine volle Runde, als Justin Wilson für einen kurzen Check an die Box kam, als er meinte, eine kleine Explosion gehört zu haben. Die Mechaniker konnten jedoch nichts finden. Somit verlor das Ganassi-Team letztlich wegen eines völlig unnötigen Stopps das 24h-Rennen!
Der Sieg von Rockenfeller hat eine durchaus pikante Note, denn sein Riley war nicht etwa mit einem vom Porsche Werk vorbereiteten Boxermotor ausgestattet, wie er beispielsweise im vergangenen Jahr vom siegreichen Brumos-Team eingesetzt wurde, sondern mit einem auf privater Basis entwickelten V8-Porsche-Motor aus dem Cayenne. Dass ausgerechnet auch noch der Chef der Grandam-Serie, Jim France, die Motorenentwicklung finanzierte, macht die Sache nicht eben weniger bemerkenswert.
24h-Distanz fordert Opfer
Sämtliche andere potenziellen Siegerkandidaten verabschiedeten sich über die ultrabrutale Distanz von 24 Stunden nach dem Muster der zehn kleinen Negerlein: Der zweite Ganassi-Wagen fiel einem Motorschaden zum Opfer, der von der Pole Position gestartete Suntrust Dallara-Ford haderte mit Getriebeproblemen. Der Gainsco-Riley-Chevrolet mit dem vierfachen Nascar-Champion Jimmy Johnson verschied mit einem Ölpumpendefekt.
Siegchancen hatte auch der Riley-BMW des Crown Royal-Teams, doch ein Problem mit dem Bremszylinder sowie ein verklemmter Fahrergurt sorgten dafür, dass sich dieses Team - bei dem auch der Deutsche Lucas Luhr an den Start ging - mit Platz drei begnügen musste.
GT-Porsche geht leer aus
In der GT-Klasse bestand die realistische Chance für weitere deutsche Fahrer auf eine Veredelung der Uhrenkollektion: Die beiden mit Werkspiloten bestückten Porsche 911 GT3 des TRG-Teams mit den Startnummern 67 (mit Porsche-Werkspilot Jörg Bergmeister) sowie mit Nummer 71 (mit Werkspilot Timo Bernhard) kämpften aussichtsreich an der Spitze, bis das Bergmeister-Auto mit einem gebrochenen Dämpfer zurückfiel und das Bernhard-Auto einen langwierigen Kupplungstausch absolvieren musste. Somit war der Weg frei für den GT-Sieg für das kleine, aber feine Mazda-Team.
Die Verlierer müssen nun abermals ein Jahr warten, bis sich eine neue Chance zum Gewinn einer Rolex-Siegeruhr auftut. Der Zweitplatzierte Max Papis (Ganassi-Riley-BMW) brachte die Misere auf den Punkt: "Nicht nur das ich verloren habe, jetzt ich muss auch noch mit einer Plastikuhr nach Hause fahren - das tut wirklich weh."