Pleite in Le-Mans-Quali: Wanken die Favoriten auch im Rennen?

24h-Quali-Pleite von Ferrari und Toyota
Wanken die Favoriten auch im Rennen?

Zuletzt aktualisiert am 13.06.2025
24 Stunden von Le Mans 2025 - AF Corse Ferrari
Foto: DPPI

In der Hypercar-Topklasse waren die beiden LMH-Marken Ferrari und Toyota als uneingeschränkte Favoriten für das 24h-Rennen in Le Mans gesetzt – das galt bis zum Hyperpole-Qualifying am Donnerstagabend (12.6.), wo die LMDh-Marken Cadillac, Porsche und BMW die ersten drei Startreihen belegten.

Ferrari und Toyota brachten nur jeweils ein Auto in die letzte und entscheidende Qualifying-Sitzung. Doch Vorsicht: Schnelle Rundenzeiten mit wenig Sprit sind etwas völlig Anderes als die Renn-Pace, wo Faktoren wie Konstanz, Reifennutzung, Fehlerfreiheit oder Strategie den Ausschlag geben.

Dennoch wollen alle schon am Freitag – einen Tag vor dem Start des Rennens am Samstag um 16:00 Uhr – wissen, wer eine Chance auf den Sieg hat. Die Antwort kann nur so lauten: Sechs der acht Hypercar-Marken haben eine Chance, um den Sieg oder die Podestplätze zu kämpfen – auch jene Fahrzeuge, die von weiter hinten losfahren müssen. Das bedeutet, dass je nach Fahrer- und Teamqualität bis zu 15 Hypercars im Mix sind. Und weil das Hypercar-Feld sehr eng gestaffelt ist, könnten kleine Unterschiede den Ausschlag geben.

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Cadillac mit Wums und Quantität

Der strahlende Sieger des Hyperpole-Qualifyings war Cadillac: Alex Lynn bescherte GM und Cadillac die erste amerikanische Pole-Position in Le Mans seit 1967, Jota-Teamkollege Earl Bamber lag mit anderthalb Zehnteln Rückstand auf Platz zwei. Die Cadillac V-Series.R waren seit 2023 im Qualifying in Le Mans immer schnell, 2024 belegten sie die Startplätze zwei und drei.

2025 hat sich die BOP-Einstufung nochmal deutlich verbessert, besonders für die Leistung oberhalb von 250 km/h, insofern ist das Resultat schlüssig. Die Caddy-Piloten trauen dem Frieden aber noch nicht: "Uns fehlen zwischen 3 und 4 km/h Topspeed auf Ferrari, auch Porsche und Alpine sind tendenziell schneller auf den Geraden", sagte Earl Bamber am Freitag. Das könnte die sogenannte Raceability im Rennen beeinflussen: "Eventuell können wir wegen der Topspeeds unsere Positionen nicht verteidigen oder die Gegner nicht attackieren. Beides wäre schlecht."

Dazu reagieren die Cadillac-Hypercars sensibel auf die Luftverwirbelungen der vorausfahrenden Fahrzeuge, was zu Haftungsverlust und hohem Reifenverschleiss führt. Der Vorteil: Cadillac hat als einziger Hersteller vier Autos am Start, die numerische Überlegenheit kann bei der Strategie helfen.

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Rachegelüste bei Porsche

Der zweite Sieger des Qualifyings ist Porsche. Die Schwaben hatten bisher eine schlechte WEC-Saison, primär wegen der BOP; doch die Einstufung für Le Mans ist deutlich besser, wie Platz drei und fünf im finalen Quali-Segment belegen. Hier fehlte der dritte Werks-Porsche, weil er nach dem ersten Quali-Segment wegen Untergewicht ans Ende der Hypercar-Startaufstellung versetzt wurde.

Somit verlor Porsche mit Werkspilot Kévin Estre auch den besten Qualifizierer in Le Mans – das Resultat hätte also sogar noch besser ausfallen können. Mit Blick auf das Rennen ist man im Porsche-Camp verhalten optimistisch: "Für mich ist Ferrari immer noch der Favorit, aber dahinter balgen sich fünf Marken im Verfolgerfeld", sagt Porsche-Sportchef Thomas Laudenbach.

Die Fahrer sorgen sich weiter um den Topspeed: "Ferrari hat einen kleinen Topspeed-Vorteil von 3 bis 4 km/h, der im Rennen zum großen Vorteil werden könnte", so Mathieu Jaminet. "Ich habe auch Toyota weiter auf dem Zettel. Die vier LMDh-Marken Porsche, BMW, Cadillac und Alpine sind alle stark genug, um im Rennen eine Rolle zu spielen."

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Porsche

BMW mit richtigen Lektionen

Der dritte Sieger aus dem Qualifying heißt BMW: Nur die Bayern brachten alle Werkswagen ins letzte Quali-Segment, Dries Vanthoor und Sheldon van der Lande klassierten die M-Hybrid-V8-Flitzer auf den Plätzen vier und sechs.

"Das ist für uns das perfekte Resultat", hielt BMW-Sportchef Andreas Roos fest. Auch im bayerischen Camp beäugt man die Topspeedwerte von Ferrari mit Argwohn und fragt sich, wie man solche Werte mit so wenig Leistung oberhalb von 250 km/h erreichen kann. "Ein guter Topspeed ist in Le Mans extrem hilfreich, aber er ist nicht alles", so Roos.

Die einzige Sorge bestand nach der letzten Trainingssession am Donnerstagabend darin, dass der BMW mit der Nummer #15 wegen Warnmeldungen keine Kilometer mehr abspulen konnte und eventuell noch der Powertrain getauscht werden muss.

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Hielt sich Ferrari zurück?

Ferrari und Toyota sind nach der Papierform die großen Verlierer des Hyperpole-Qualifyings: Ferrari brachte nur die Nummer #50 ins letzte Quali-Segment, die Schwesterautos starten von den Plätzen 13 und 15, was eher suboptimal ist. "Andererseits ist es kein Beinbruch, wir müssen halt beim Start etwas vorsichtiger sein und uns dann kontinuierlich nach vorne arbeiten", so Antonio Giovinazzi.

"Ein 24h-Rennen gewinnt man nicht über den Startplatz." Es gibt Wettbewerber, die Ferrari unterstellen, gezielt langsam gefahren zu sein, um keine Pferde scheu zu machen. Die Roten verweisen darauf, dass sie sich kaum ums Quali-Setup gekümmert hätten, sondern nur fürs Rennen arbeiten.

Doch auch dort steht noch Arbeit bevor, denn Triple-Stints sind offenbar nicht möglich. Ferrari führte in fast allen Trainingssitzungen die Topspeed-Wertung an, die – wie bereits mehrfach erwähnt – in Le Mans aufgrund der fünf langen Geraden von großer Wichtigkeit ist. Genau aus diesem Grund muss Ferrari auch weiterhin als potenzieller Siegkandidat gehandelt werden – trotz der nicht überzeugenden Quali-Leistung.

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Toyota mit der Stärke der Erfahrung

Noch schlechter als Ferrari erwischte es nur Toyota: Die Nummer #7 schied schon im ersten Quali-Segment aus, die Nummer #8 belegte in der zweiten Hyperpole-Sitzung nur den letzten Platz, weil sich Sébastien Buemi verbremst hatte, was einen Reifenschaden zur Folge hatte.

Doch auch hier sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen. "Wir sind schnell und sollten im Rennen bei der Musik sein", sagte Buemi. Die einzige Sorge ist das Delta zwischen den beiden Einsatzwagen. Die Nummer #8 ist konstant schneller als die Nummer #7, und bisher hat man nicht herausgefunden, warum.

Für Toyota sprechen die hohe Fahrer- und Teamqualität, die Erfahrung, sowie die strategische Ausgebufftheit. Die Topspeeds sind zwar nicht berauschend, liegen aber im Mix mit den anderen Ferrari-Verfolgern.

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Kleinigkeiten im Schumacher-Lager

Last but not least Alpine: Die Franzosen standen in Imola und Spa auf dem Podest, in Le Mans hadert man mit dem Fahrzeugkonzept und der BOP. "Wir haben uns gezielt für eine Aero-Auslegung mit gutem Topspeed entscheiden, diesen Vorteil hat uns aber die BOP genommen", hielt Alpine-Sportchef Bruno Famin fest.

Dazu hatte man in Le Mans Mühe mit den Bodenwellen, ein Problem, das aber laut Frédéric Makowiecki mittlerweile behoben ist. "Wir machen Fortschritte, das Auto ist jetzt besser fahrbar, im zweiten Hyperpole-Segment habe ich zwei Fehler gemacht, sonst wären wir auf Platz sechs oder sieben gelandet." Damit wäre man bei den LMDh-Wagen nur vierte Kraft – das ist auch ziemlich genau die Einschätzung der Experten.

24 Stunden von Le Mans 2025 - Mick Schumacher - Alpine
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Wetter als potenzieller Game-Changer

Fazit? Das Rennen ist weit offen, die beiden Hypercar-Subklassen LMH und LMDh wurden enger zusammengeführt, was packende Fights verspricht. Bis zum Beweis des Gegenteils gelten aber besonders Ferrari und dann auch Toyota weiter als die Topfavoriten. Eine noch größere Rolle als das Qualifying, die Startposition oder die BOP könnte aber das Wetter spielen.

Aktuell ist ein komplett trockenes Rennen vorhergesagt – zum ersten Mal seit dem Debüt der Hypercar-Klasse 2023. Was das für die Performance der Hypercars im Rennen bedeutet, bleibt abzuwarten. Viele Experten im Fahrerlager behaupten: Ein trockenes Rennen würde den aerodynamisch aufwendigeren und anspruchsvolleren LMH-Hypercars in die Hände spielen.

Wie eingangs schon gesagt: Am Ende werden kleine Unterschiede den größten Einfluss auf den Ausgang der 93. Ausgabe des 24h-Rennens in Le Mans haben.