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150 Jahre Opel Motorsport-Highlights
Röhrl und Reuter, ITC-Calibra und Ascona A

Zum Jubiläum begegnen sich vier Opel-Legenden. Der ITC-Calibra von 1996 trifft auf den Ascona A von 1975. Da dürfen natürlich auch ihre Lenker nicht fehlen. Walter Röhrl und Manuel Reuter tauchen ein in die glorreiche Vergangenheit.

Walter Röhrl und Manuel Reuter
Foto: Daniel Roeseler

Früher war bekanntlich alles besser, und diesem Grundgesetz menschlicher Psyche folgend, geht dementsprechend nichts über ganz früher. Und so hat Walter Röhrl Glanz im Auge und Inbrunst in der Stimme, als er vor dem erfolgreichen Sportgerät steht und schwärmt: "Das war ein Super-Auto." Kein Wunder, Allradantrieb mit elektronisch regelbaren Differenzialen, 2,5-Liter-V6 mit über 500 PS, damit lässt sich schon Staat machen.

Doch halt, Röhrl meint gar nicht den 96er Calibra mit verstellbarem Heckflügel und sequenziellem Sechsganggetriebe, sondern das Wägelchen daneben. Knuffig, mit dicken Bäckchen steht der Kleine da. Die A-Säule dünner als Stuhlbeine, ein Chrom-Stoßstängchen keck in den Wind haltend, ein Bötchen neben einer Super-Yacht. Aber der Eindruck täuscht. "Das Auto war ein Bulldog", setzt Röhrl wieder zur Lobrede an, und er meint den Opel Ascona, mit dem sowohl er als auch Opel zu großen Sportkarrieren ansetzten.

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Walter Röhrl von Tuner Irmscher eingekauft

Dazu müssen wir kurz ins ganz, ganz Früher zurückeilen, als man in Rüsselsheim wohlwollend zuschaute, wie die Schweden sich den Opel Kadett A und später den ersten Opel Ascona krallten und ihn für eilige Geländeritte umfunktionierten. Der Ascona debütierte 1972, und erst ein Jahr später kam man zu dem Schluss, dass Sport nun Chefsache sei, und gründete das Opel Euro Dealer Team. Jetzt hatte man zumindest einen Namen, allerdings noch keine Sportabteilung. Der Winnender Tuner Günther Irmscher verschärfte schon eine Weile biedere Limousinchen zu heißen Jugendträumen, und so bekam der aus Sachsen emigrierte Neuschwabe den Zuschlag für Tuning und Wartung eben jenes Opel Ascona, mit dem der neue Stern am Sporthimmel die Welt niederreißen sollte.

Jener Walter Röhrl hatte 1972 mit einem angeblich völlig untauglichen Ford Capri gegen die versammelte Weltelite die Olympia- Rallye angeführt und war von Irmscher aus dem Stand eingekauft worden. Den Fachleuten war klar: Dieser Bayer ist ein Genie, der Opel dagegen war es eher weniger. Sein Grauguss-Motor brachte es gerade mal auf 155 PS. Das änderte sich aber zügig, als kurz darauf ein Zweiliter-Querstrom-Motor Einzug hielt, der war immerhin 170 PS stark.

Wer mehr als 200 PS hatte, erntete ehrfürchtiges Raunen

Das ist gerade mal ein Drittel dessen, was der Opel Calibra daneben vom Asphalt reißt, aber so ist das mit den alten Zeiten. Zugegebenermaßen war auch die Konkurrenz in den frühen Siebzigern nicht übermäßig viel kräftiger. Die Gegner hießen Fiat 124 Abarth, Lancia Fulvia oder Ford Escort. Wer mehr als 200 PS hatte, erntete schon ein ehrfürchtiges Raunen.

Kurzzeitig war dann doch mal nicht alles besser und weniger eher mehr, denn 1974 herrschte Ölkrise, und in der ein Jahr zuvor frisch gegründeten Rallye-Weltmeisterschaft wurden drei Läufe abgesagt. Das junge Opel-Team wechselte in die Europameisterschaft, um die Welt gegen Legenden wie Sandro Munari im Lancia mit ein paar Achtungserfolgen zu beeindrucken. Es kam dann ein bisschen anders. Von den acht Läufen jener zweiten Liga gewann Röhrl im Ascona sechs, bei der Moldau-Rallye in der damaligen Tschechoslowakei fuhr Röhrl gegen Munari 46 Bestzeiten auf 47 Prüfungen, am Jahresende war der Bayer Europameister mit Maximalpunktzahl.

Neben seinem Talent hatte er das vor allem diesem kleinen Opel Ascona zu verdanken, der ein eher dickes Baby war, aber deshalb auch gesund. 950 Kilo brachte der Zweitürer auf die Waage, dazu muss man wissen, dass Rallyefahrer jener Zeiten Tobsuchtsanfälle bekamen, wenn der Zeiger sich der 1.000er-Marke näherte. Aber der Ascona war eben auch unfassbar stabil, unverwüstlich, unzerstörbar. Natürlich gab es mal ein Ölpumpenritzel mit Zahnausfall, die Schaltgabeln am ZF-Fünfganggetriebe knickten zuweilen, und auch der am Ende bis auf stramme 205 PS aufgepumpte Vierzylinder litt mal unter Asthma, aber im Großen und Ganzen konnten sich Röhrl und der Opel beim Ritt über Stock und Stein aufeinander verlassen.

Ab 1982 Opel mit Calibra und Reuter in der DTM

Nicht ganz so viel früher, in der Mitte der Neunziger, hat Manuel Reuter ganz andere Erinnerungen. Nachdem man mit Röhrl, dem Ascona B und Glanz und Gloria die Rallye-WM 1982 gewonnen hatte, mangelte es an internationalen Lorbeeren, und so war man mit dem Opel Calibra in die DTM eingestiegen, die sich dann zur Expansion verstieg, was sich ITC (International Touringcar Championship) nannte und eine Art inoffizielle Weltmeisterschaft war.

Anders als in den frühen Siebzigern waren die Erwartungen an Opel hoch, und anders als der Ascona war der Opel Calibra eine wandelnde Baustelle. Zwar hatte der noch junge Manuel Reuter 1994 ein Rennen auf dem schnittigen Coupé gewonnen, aber ein Jahr später ging nichts mehr. Regelmäßig platzten die Motoren, die Hydraulik für Getriebe und die aktiven Stabilisatoren machte Zicken, die Elektronik versagte. Reihenweise hagelte es Ausfälle. Das Chassis kam von Williams, der Motor von Cosworth, die Elektronik von Bosch, es haperte ein bisschen bei der Zusammenarbeit.

Opel Calibra auf 19-Zöllern, Ascona auf 13-Zöllern

In der ITC war nahezu jede technische Spielerei erlaubt. Mercedes hatte für eine optimale Radlastverteilung verschiebbaren Ballast im Auto, Opel konterte mit Allrad und aktivem Fahrwerk. Wenn es denn funktionierte, bremsten die Fahrer mit ABS, für das es drei Einstellungen gab. Die Schaltsprünge waren programmierbar. Die Aerodynamiker entwickelten einen Heckflügel, der wie bei einem aktuellen Formel 1-Auto auf der Geraden wegklappte und mehr Topspeed bot. Mit bis zu 300 km/h ging es dahin. Der Opel Ascona brachte es übrigens mit der Schotterübersetzung auf 145 km/h. Den Flügel verbot die ITR nach zwei Rennen, nicht aber die Jalousien im Kühlerschacht, die sich auf den Geraden schlossen, um den Luftwiderstand zu senken. Im Training wurden Quali-Motoren eingebaut, die mit hydraulisch gesteuerten Ventilen knapp 15.000 Umdrehungen schafften, und alle paar Rennen kamen die Chassis-Ingenieure mit einer neuen Kinematik für die Radaufhängungen mit Dreieckslenkern und Pushrod-Federung. Die Fahrer testeten zwischen den Rennen wie verrückt all die neuen Varianten. "Das Schwierigste war, das Puzzle zusammenzufügen", sagt Reuter. Dazu herrschte Reifenkrieg zwischen Michelin und Bridgestone. Reuter testete als Erster 19-Zoll-Räder, die sich bald durchsetzten.

Da schlackern selbst einem Röhrl die Ohren. Der Ascona fuhr auf 13-Zöllern, mal mit grobem Profil, mal ohne. Beim Opel Ascona war es schon eine kleine Revolution, wenn Ferodo mal neue Bremsbeläge brachte. Die wollten allerdings gut warmgefahren sein, und Röhrl flog bei der winterlichen Baltic- Rallye auf der ersten Prüfung mit kalter Bremse grandios ab. Bei Reuter und Co. dagegen stieg zuweilen das ABS aus und sorgte ebenfalls für große Aha-Effekte. In der Saisonvorbereitung 1996 schaffte der Opel Calibra nicht eine einzige volle Renndistanz.

In der ITC gab es bei Siegen 50 Kilo Ballast ins Auto

Aber irgendwie fügte sich das Bild zusammen, die Puzzleteile saßen plötzlich an den richtigen Stellen. Reuter begann zu siegen. In der ITC gab es bei Siegen 50 Kilo Ballast ins Auto, und so trat der Hesse bei einigen Rennen in der Voraussicht an, dass es ganz vorn nichts zu holen geben würde. "Das Ziel war dann eben, schneller zu sein, als es die Ingenieure vorausberechnet haben", sagt Reuter, und das gelang ihm auch regelmäßig. Das restliche Star-Ensemble von Formel-1-Fahrer JJ Lehto bis Tourenwagen-Legende Klaus Ludwig musste sich von Sportchef Wolfgang-Peter Flohr anhören, wie es denn sein könne, dass der Reuter mit all dem Zusatzgewicht schneller sei als die restliche Belegschaft ohne. Am Ende standen acht Podiumsplätze zu Buche, und der ITC-Titel ging an Reuter und Opel, was die Fans nicht nur wegen des Duschgel-Sponsors sehr erfrischend fanden.

Reuter fuhr noch einige Jahre und das auch erfolgreich, aber der Opel-Calibra hat immer noch einen besonderen Platz im Herzen. "Das war schon geil, mit dem Auto über alle Viere zu driften", schwärmt er dem Röhrl vor, der eigentlich stolz darauf ist, in seinem Sport die Drifterei weitgehend abgeschafft zu haben. So musste die erfolgverwöhnte und leicht arrogante Lancia-Truppe 1975 feststellen, dass selbst ein Stratos mit Mittelmotor und 260 PS mit einem Superstar wie Björn Waldegaard am Steuer einen Röhrl im Ascona nicht einholen kann. Opel gewann in Griechenland erstmals einen Weltmeisterschaftslauf und mit dem Ascona B 1982 gar die Fahrer-WM und die Rallye Monte Carlo gegen überlegene Audi Quattro, weil sich Röhrl in den Siebzigern auf der Rundstrecke schnörkelloses Ideallinie-Fahren beigebracht hatte. Als er die Rallye-Karriere längst beendet hatte, ließ er sich von Audi zu ein paar DTM-Starts überreden, vorrangig, "um dem Stuck mal zu zeigen, wer der Chef ist".

"Technisch ist das immer noch ganz weit oben"

Begegnet sind sich Röhrl und Reuter im Wettbewerb nie. Der Tourenwagen-Crack stieg erst ein Jahr nach Röhrls Abschied in die DTM ein. Der ITC-Champion bestreitet Triathlon-Wettbewerbe und kommentiert mittlerweile bei der ARD die Rennen der aktuellen DTM. Die fuhr jüngst am Norisring Rundenzeiten von 48 Sekunden. "Beim Calibra waren es 49er Zeiten", erinnert sich Reuter.

Zuletzt ist er das komplizierteste und aufwendigste Auto seines Lebens vor fünf Jahren in Goodwood gefahren. Früher brauchte es für das Startprozedere drei Ingenieure. Opel hat die Elektronik zurückgerüstet, stählerne Ventilfedern ersetzten die Hydraulik. Er dreht jetzt nur noch 12.000, aber dennoch: "Technisch ist das immer noch ganz weit oben", sagt Reuter.

Was soll jetzt der Röhrl sagen mit seiner gelben Blechbüchse, die nicht mal ein Heckspoilerchen hatte? Der alte Fuchs zeigt auf die Armaturentafel, wo ohne jede Verkleidung der Sicherungskasten das Cockpit verschandelt. "Das war nützlich, wenn du im Nebel einen überholt hast. Dann hast du einfach die Sicherung fürs Rücklicht gezogen, und schon konnte er dir nicht mehr hinterherfahren."

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