Wir Deutschen mögen's altbekannt. Das gilt (zumindest bei den meisten) für kulinarische Vorlieben und Urlaubsorte ebenso wie für unsere Lieblingsautos. Bei uns zählen Qualität und Image deutlich mehr als eine allzu modische Erscheinung. Wir fahren gern lange Strecken mit hohem Tempo und wollen dabei möglichst wenig verbrauchen. Kein Wunder also, dass selbst nach Jahrzehnten des SUV-Booms eine Bastion auf dem Gebrauchtmarkt auf den Namen VW Passat hört. Mit schier verschwenderischem Platzangebot bei moderaten Abmessungen und einem durch und durch vernünftigen Motorenangebot ist der Mittelklasse-Archetyp einfach unerhört praktisch. Viel sinnvoller kann ein Auto kaum sein. Gemischt mit problemloser Dauerhaltbarkeit wird schnell klar, warum der Passat ein so hohes Preisniveau hat.
Das Ganze wird dadurch zugespitzt, dass das einst riesige Konkurrenzumfeld an Mainstream-Mittelklässlern immer weiter schrumpft. Der Opel Insignia ist Geschichte, aus Japan gibt's nur noch den Mazda 6, Korea hat Hyundai i40 und Kia Optima längst eingestellt. Die Franzosen setzen fast nur noch auf Crossover-Modelle, und der Plattformbruder Škoda Superb, nun der ist genauso gut, aber ebenso teuer wie der Passat. Noch ein Preistreiber steht in Form des aktuellen Passat da, der seit Anfang 2024 erhältlich ist. Der ist schon als Neuwagen relativ teuer, viele Käufer hadern mit der Bedienbarkeit und den vielen Software-Problemen der aktuellen VW-Produkte und greifen lieber zu Altbewährtem. Und so bleibt als Alternative für Gebrauchtkäufer nur noch der Griff ins Premiumregal. BMW 3er, Mercedes C-Klasse, und (der guten Vergleichbarkeit wegen) Audi A4 .
Der Audi A4 (Typ 8W/B9, 2015-2024) im Detail:
A4 und Passat teilen sich zwar schon seit Längerem nicht mehr dieselbe Plattform, wohl aber denselben Stammbaum, der bei beiden bis in die frühen 70er-Jahre und annähernde Baugleichheit reicht. Übriggeblieben ist davon heute nur eine annähernd identische Motorenpalette, die sich beim Passat jedoch auf die Vierzylinder beschränkt, wo der Audi noch einige feine Sechszylinder in petto hat. Die allergrößte Menge nutzt die von VW stammenden Zweilitermotoren als Benziner oder Diesel. Die wiederum meisten davon bewegen sich in einem Epizentrum um 150 und 190 PS. So weit, so typisch für die Mittelklasse. Wo hebt sich der A4 also ab? Trotz des serienmäßigen Vorderradantriebs für die meisten bürgerlichen Motorisierungen sind Motor und Getriebe längs eingebaut. Das begünstigt den gern gewählten Quattro-Allradantrieb und schafft eine Basis für größere Motoren, um die es heute jedoch nicht gehen soll.

Auf dem Papier kann ein Passat nicht viel weniger als ein A4. Das Audi-Verwöhnaroma ist aber nicht zu unterschätzen - gerade angesichts der hohen Passat-Preise.
Die Stärken des Audi:
Nächster großer Unterschied: Dank seiner aufwendigen Fünflenker-Vorderachse fährt der A4 mit oberklassiger Souveränität. Sie beschert ihm nicht nur eine höhere Lenkpräzision und bessere Spurtreue, sondern entkoppelt die Lenkung wirksam von allen Antriebseinflüssen. Die Hinterachskonstruktion ähnelt wiederum stark der des Passat. Und dann wären da noch die vielen kleinen Premiumdetails, die Audi ganz markentypisch aus dem Ärmel schüttelt: die Materialqualität von Kunststoffen im Cockpit, das Drückgefühl von Tasten, die hervorragende Schalldämmung, hochauflösende Displays – allesamt Dinge, die zwar beileibe nicht notwendig sind, das Autofahrerleben aber dennoch spürbar versüßen. Elementares wie die langlebigen Motoren, die tolle Verarbeitungsqualität der Karosserie und die niedrigen Verbräuche teilt der A4 weitestgehend mit dem Passat. Wir haben sie bereits in unserer großen Gebrauchtkaufberatung vorgestellt.

Der A4 ist ein Autobahn-Werkzeug par excellence. Sein hochwertiger Fahr- und Gesamteindruck stand im Lastenheft klar über dem Platzangebot.
Die Schwächen des Audi:
Der A4 ist ein hochfeines Auto – ganz ohne Zweifel. Nur: Von all seinen Vorzügen bemerkt man beim Lesen der Grundausstattungstabelle rein gar nichts. Manuelle Sitze ohne Heizung und Lenkräder ohne Leder – das kann ein leicht angezuckerter Passat alles besser. Nur: dem Gebrauchtkäufer dürfte das herzlich egal sein. Denn erstens war die reine Basisausstattung bei VW noch karger und zweitens gibt es solche Buchhalterautos ohnehin fast nie. Im echten Leben besitzt ein A4 meist doch etwas mehr Sonderausstattung als der durchschnittliche Passat. Also bleibt der Blick ins Preiskapitel. In den Online-Portalen sind durchschnittlich motorisierte und ausgestattete A4 ganz grob betrachtet um die 2.000 Euro teurer als vergleichbare Passat. Bis 80.000 Kilometer liegen die günstigsten A4 in Deutschland bei gut 22.000 Euro, während noblere Exemplare um die 24.500 Euro kosten. Wer bis 150.000 Kilometer sucht (was technisch überhaupt kein Problem ist), zahlt 19.500 bis 23.000 Euro, also kaum weniger. In der Versicherung ist der A4 im Vergleich meist nur eine bis zwei Typklassen höher angesetzt als der VW – Peanuts. So bleibt als Wermutstropfen nur die aufwendige Vorderachse, deren Gelenke früher oder später immer erneuert werden müssen. Zwischenfazit: Der A4 bleibt rein finanziell das teurere Auto, doch der Abstand ist sehr gering.

Die aufwendige Vorderachse des A4 besitzt schlicht mehr mögliche Verschleißpunkte als die herkömmliche Konstruktion im Passat. Das war's dann aber auch schon mit zusätzlichen Schwachstellen.
Der VW Passat (Typ 3G/B8, 2014-2024) im Detail:
Anders als der A4, bei dem zwischen schlichten Exemplaren und opulent gestylten S-Line-Modellen optisch doch Welten liegen, wirkt der Passat meistens recht unscheinbar. Das bewirkt sein zeitloses Design, aber auch, dass Ausstattungs-Ausreißer nach unten oder oben im Vergleich selten sind und optisch kaum ins Gewicht fallen. Fast alle Passat, die sich im Netz finden, besitzen eine mittlere Ausstattungslinie wie die Comfortline oder die bei VW weitverbreiteten Sondermodelle. Essenzielles wie Klimaautomatik, höherwertige Sitze mit Heizung oder Infotainment mit Smartphone-Spiegelung sind praktisch immer an Bord. Die breite Masse ist also schon sehr kommod ausgestattet. Das Ganze fährt auch mit der herkömmlichen McPherson-Vorderachse leichtfüßig, präzise und sparsam, wie ein großer Golf. Ein sehr großer, um genau zu sein. Denn im Fahrgastraum können sich fünf Basketballspieler fläzen, während ihre Habe mühelos von 650 Litern Kofferraumvolumen verschlungen wird. Zwischenfazit: Ein Passat bietet alle praktischen Vorzüge eines großen Autos, ohne dabei viel aufwendiger zu sein als die Kompaktklasse. Das macht ihn so beliebt, und auf die Weise ist er auch als basischer 1.6 TDI mit 120 PS wunderbar fahrbar.

Vertreterkombi, braves Familienauto, Nüchternheit aus Prinzip: Das Phrasenschweinchen ist beim Passat schnell gefüttert. Doch genau diese Tugenden machen ihn so beliebt und teuer.
Die Stärken des Passat:
Warum der Passat so beliebt ist, wissen wir mittlerweile. Er kann fast alles und macht dabei fast nichts schlecht. Er bietet alle modernen Annehmlichkeiten, die das alltägliche Autofahrerleben verschönern und genießt dabei das soziale Ansehen wie alte Volvo-Kombis in Fernsehfilmen, die sonntagabends laufen. Mit ihm kann sich jeder überall blicken lassen.
Auch an der Haltbarkeit gibt es nichts zu rütteln. Die haben wir – genau wie beim Audi – bereits in einer großen Gebraucht-Kaufberatung auf die Probe gestellt.
Die Schwächen des Passat:
Technisch gibt es nur wenig auszusetzen. Die häufig anzutreffenden Direktschaltgetriebe sind zwar mittlerweile recht solide, verlangen aber dennoch nach Getriebeölwechseln und rucken und zucken immer mal, besonders wenn die Start-Stopp-Funktion aktiviert bleibt. Kaum Schwächen also? Nicht ganz. Gemessen an Konkurrenten wie Opel Insignia oder Ford Mondeo Kombi (auch wenn's die nur noch gebraucht gibt) ist er deutlich zu teuer. Auch wenn alles gut funktioniert und wirklich karge Buchhalter-Exemplare rar sind, bietet der Passat keine nennenswerten Technik-Leckerbissen, die das hohe Preisniveau rechtfertigen. Das besorgt allein der gute Ruf. Nur deshalb erscheint der Gebrauchtvergleich mit dem A4 überhaupt sinnvoll.

Mängel kommen auch am Passat durchaus vor - das liegt nicht zuletzt auch schlicht an den sehr großen Stückzahlen und insgesamt zehn Jahren Bauzeit (Generation B8). Doch echte Krisenherde gibt's kaum.
Sie sind der richtige Käufer für den A4...
... wenn für Sie die reine Fahrkultur und das Verwöhnaroma im Vordergrund steht. Die Mehrkosten halten sich in sehr engen Grenzen, sodass die Wahl zwischen Passat und A4 zur Geschmackssache wird. Ob Sie für den Audi 2.000 Euro mehr ausgeben, oder ob der Kilometerstand um ein paar Zehntausend höher liegt, ist ganz gleich.
Sie sind der richtige Käufer für den Passat...
... wenn der Raumvorteil für Sie die größte Rolle spielt und sie einen Mittelklasse-Alleskönner suchen, den es anderswo kaum noch gibt. Sobald aber der Verwöhnfaktor eine Rolle spielt, können Sie für's annähernd selbe Geld auch A4 fahren.
In der Bildergalerie vergleichen wir die beiden Modelle in den Rustikal-Versionen Allroad und Alltrack.