Autsch, die Schelle hatte gesessen! "Knapp daneben", titelte der erste Test des ID.3 bei auto motor und sport, und rügte insbesondere die Verarbeitungsqualität des ersten rein elektrischen Volkswagens. Fahrverhalten und Antrieb fanden zwar den Zuspruch der kritischen Kollegen, doch versetzt montierte Stoßfänger und träges Infotainment enttäuschten die Erwartungen an einen neuen VW. Erst recht, weil das Preisschild des Testwagens einen Betrag von rund 49.000 Euro auswies. Vor Abzug des 9000-Euro-Geschenks der damaligen Regierung, das den Steuerzahler bis zum abrupten Ende dieser sogenannten Umweltprämie Ende 2023 übrigens satte zehn Milliarden Euro kostete. Olle Kamellen, nun geht es um Gebrauchtwagen. Auf das Preisschild des Autos auf diesen Seiten schrieb der VW-Vertragshändler Holst im niedersächsischen Scheeßel 22.450 Euro, dafür gab es einen ID.3 Pro Performance Life aus dem Januar 2021 mit knapp 22.000 Kilometern auf dem Zähler, 62-kWh-Batterie und einem Satz Winterräder. Wir wählen hier die Vergangenheitsform, denn direkt nach Abschluss der Fotoproduktion stand schon ein Kunde neben dem Auto, am nächsten Tag war es dann verkauft. Nachfrage ist also da, das bestätigt auch Holst-Geschäftsführer Torsten Meyer. Und wenn man genau hinsieht, sind die Preise für diese gebrauchten Elektro-VW durchaus attraktiv. Erst recht, wenn man bedenkt, dass wir uns immer noch in einer Hochpreisphase des Gebrauchtwagenmarkts befinden. Da erscheinen die Preise für einen ID.3 plötzlich wohlfeil. Aber wie ist es um den Gegenwert bestellt?
Karosserie: Viel Platz auf wenig Raum
Zunächst einmal ist der ID.3 ein überaus praktischer Kompaktwagen. Sein Design – in den 90ern nannte man es Cab Forward – bewirkt ein üppiges Raumangebot in Anbetracht der mit 4,26 Metern moderaten Außenlänge, zwei Zentimeter weniger als bei einem Golf. Dass das Antriebslayout der VW-Elektro-Einheitsplattform MEB eher an den Käfer erinnert, mag Unbedarfte überraschen. Schließlich sieht es nach dem Öffnen der Haube am vorderen Ende des ID.3 fast genauso aus wie in jedem beliebigen modernen Maschinenraum – nur dass sich unter dem ganzen schwarzen Plastik keine Maschine versteckt. Die kauert platzsparend am anderen Ende unter dem Boden des Kofferraums und ist kaum größer als die Dose, in der Mutter immer die Weihnachtskekse versteckte. Ein klassischer Heckantrieb also, und der weckt ja nicht nur gute Erinnerungen. Schließlich waren die alten VW wegen der gering belasteten Vorderachse berüchtigt für ihre Seitenwindempfindlichkeit. Beim Käfer gehörte es zumindest im luftigen Norddeutschland zum guten Ton, dem Wagen mit einem Sack Zement im vorderen Gepäckabteil zu mehr Richtungsstabilität zu verhelfen.

Unser Fotoauto vom Autohaus Holst im Niedersächsischen Scheeßel kommt in kühlem Silber daher. Passt zur nutzungsorientierten Form das aerodynamischen Kanten-Knubbels.
Beim ID.3 besorgt dies die schwere, zentral angeordnete Batterie, deren Gewicht je nach Größe 310 bis 514 Kilogramm beträgt; den Rest unerwünschter Kursabweichungen regelt die Elektronik der Lenkung weg, unspürbar für den Fahrer. Auch das bei vielen Heckmotor-Autos lästige Nicken auf Bodenwellen ist im ID.3 kein Thema. Ein Blick in die Messwerte des damaligen Tests zeigt den Grund: eine nahezu paritätische Achslastverteilung. Gute Voraussetzungen für einen ansprechenden Federungskomfort, und auch darin enttäuscht der ID.3 nicht, das Auto liegt sehr ruhig. Feinste Unebenheiten absorbiert es perfekt, grobe verdaut es, ohne aufzustoßen. Dazu gesellt sich eine feine Lenkung, viel- leicht etwas zu leichtgängig, aber mit viel Feedback über die gerade herrschenden Haftungsbedingungen an der Vorderachse. Und bei Volleinschlag genügen zehn Meter, um den ID.3 zu wenden, auf den meisten Straßen klappt das also in einem Zug. Und wie ist das Ganze zusammengebaut? Durchwachsen. Während speziell neuere Exemplare kaum nennenswerte Verarbeitungsmängel an der Karosserie aufweisen, gab es anfänglich viel zu Mäkeln, was Spaltmaße und Passformen anbelangt. Wo gespart wurde, offenbart der Unterboden. Hier wurden diverse Achs- und Aggregateträger nur so dünn lackiert oder beschichtet wie irgend möglich. Das Resultat: (noch) unbedenklicher Flugrost.
Innenraum: Übersicht und Bedienfrust
Vorn hat man ein Fahrgefühl wie im Van, mit weit entfernter Frontscheibe und plateauartiger Armaturentafel. Auffällig auch der kleine Bildschirm hinter dem unten abgeflachten Lenkrad, der statt wohl gezeichneter Rundinstrumente anzeigt, dass es außer Geschwindigkeit und Reichweite nicht viel anzuzeigen gibt. Immerhin pflegen die Sitze noch alte VW-Traditionen, sie sind bequem, stützen den Körper perfekt und lassen auch Langstrecken erstrebenswert erscheinen. Wobei man beim ID.3 natürlich trotzdem spätestens alle 300 Kilometer aussteigen und das Ladekabel einstöpseln muss. Und wie ist es nun um die Verarbeitungsqualität des ID.3-Innenraums bestellt? Dieser hier macht einen soliden Eindruck, nichts klappert, alle Türen und Klappen schließen satt. Klar, Haptik-Fetischisten, die ständig auf allen Kunststoffoberflächen herumklopfen, bemängeln den hohlen Klang der harten Verkleidungen. Dafür sind deren Oberflächen pflegeleicht. Wo keine Weichmacher drin sind, können mit den Jahren auch keine herausdiffundieren und für einen unansehnlichen Look sorgen.

Auf den ersten Blick erscheint der Arbeitsplatz des Fahrers aufgeräumt und solide verarbeitet. Wer aber weiß, wie gut sich VW-Produkte bis vor kurzem noch bedienen ließen, kennt den Frust in den Bedienlösungen der aktuellen Generation.
Bleibt als größtes Ärgernis die müde Software. Deren Bedienung macht wenig Freude. Immerhin fiel sie während der Fotofahrten nicht aus. Trotzdem: Wesentlich besser ist die neue ab dem Facelift Ende 2023. Nur leider nicht rückwärtskompatibel. So gibt’s auch dafür eine Schelle. Die nächste folgt sogleich und hinterlässt bei VW bereits einen bleibenden Eindruck: Unbeleuchtete Touchelemente an den Lenkradspeichen sind funktionaler Unsinn und wurden mittlerweile bei Golf und Co. schon wieder durch bewährte Tasten zurückersetzt, beim ID.3 jedoch nicht. Geblieben sind bis heute auch die geizigen Fensterheberschalter mit nur zwei Tasten. Die wollen auf völlig unnütze Weise zunächst auf "Rear" umgeschaltet werden, so man denn die hinteren Fensterheber bedienen möchte. Schlimmer noch: Das Teil neigt zu Defekten. Selten wurde funktionierende Autotechnik derart auffällig verschlechtert. Den Rüffel für den anfangs unbeleuchteten Lautstärke-Slider, der ungefähr so agil reagiert wie das heimische Touch-Ceranfeld, sparen wir uns. Immerhin brachte die Modellpflege 2023 nämlich wenigstens eine Beleuchtung.
Motoren: Immergleiches Eingängemenü
Das Motorenkapitel fällt kurz aus. Erstens, weil es keinerlei Berichte über chronische Antriebsprobleme am ID.3 gibt, zweitens, weil die Maschine selbst schnell erklärt ist. Im Heck sitzt ein permanenterregter Synchronmotor, der parallel und unmittelbar hinter der Hinterachse verbaut ist. Daher auch der Name: APP310 – achsparallele Position mit maximal 310 Newtonmeter Drehmoment. Letzteres wird über ein seitlich angeflanschtes Eingang-Getriebe mit zwei Übersetzungsstufen auf die Hinterräder geleitet. Leistungstechnisch wird der stets identische Motor je nach Version und Akkugröße mit 145, 150, 170, oder (wie beim Fotoauto) 204 PS angegeben. Seit Mai 2024 wird außerdem eine 231-PS-Version angeboten. APP550, getreu dem höheren Drehmoment, heißt der äußerlich identische Antrieb in den GTX-Modellen mit 286 oder gar 326 PS Spitzenleistung. Und was heißt Spitzenleistung? Im Dauerbetrieb sind alle ID.3 auf 95 PS bzw. 121 PS beim GTX begrenzt.

Ein unscheinbarer Metallkasten im Format von Muttis Keksdose sorgt für Vortrieb. Meist übrigens völlig problemlos.
Akku: Eine Frage der Zellstruktur
Alles in allem ein sehr praxistaugliches Auto, dieser ID.3. Doch wie verhält es sich mit der Batterie unter Gebrauchtwagen-Aspekten? Ehrlicherweise müsste man jetzt zurückfragen: Mit welcher? Denn auch der VW besitzt neben der großen Batterie für den E-Antrieb eine kleine mit zwölf Volt für die elektrischen Verbraucher. Außerdem dient sie zum Booten des Systems. Ist sie leer, fährt der ID.3 nicht los. Allerdings wurde sie im Rahmen von Software-Updates kostenlos getauscht. Die große Lithium-Ionen-Traktionsbatterie gibt es in vier Größen: 55, 62, 82 und 86 kWh (brutto). Klar, je größer, desto mehr Reichweite. Allerdings variiert auch die Ladefähigkeit. So lädt die kleinste Batterie an einer Wallbox nur mit 7,2 kW, die größeren hingegen mit 11 Kilowatt. An einer Ladesäule waren – entsprechende Leistung der Säule vorausgesetzt – mit dem kleinen Akku anfangs nur 50 kW möglich, gegen Aufpreis dann 100 und später 110 kW. Beim mittleren sind es 100 kW, seit Mitte 2021 125 kW und ab Softwarestand 2.3 auch 135 kW, das ist schon im Bereich des großen Akkus, jedoch noch ein gutes Stück von den Ladeleistungen aktueller Konkurrenten entfernt.

Aufladen unmöglich? Keine Bange, die Akkus gelten als zuverlässig. Aber der kleine Verriegelungspin an der Ladeklappe neigt zum Brechen und Klemmen.
Und wie lange hält so eine Batterie? VW gibt eine Garantie für acht Jahre oder 160.000 Kilometer, ehe die Kapazität unter 70 Prozent fallen darf. Allerdings gibt es im Garantiefall keine nagelneue Batterie von VW, sondern die Vertragswerkstatt ermittelt, welche der maximal zwölf Einzelmodule gerade schlappmachen, und tauscht sie, bis wieder mindestens 70 Prozent erreicht sind. Das soll wohl durchaus mal vorkommen, reihenweise Batterieschäden kann man dem ID.3 jedoch nicht nachsagen. Schäden können aber durchaus mal die Peripherie der Leistungselektrik betreffen. Denn diese wird von zwölf Litern eines auch bei Verbrennern eingesetzten Kühlmittels (VW G12 evo) gekühlt oder beheizt, wofür zwei elektrische Pumpen zuständig sind. Die für die Motorkühlung zeigt durchaus signifikante Ausfallraten, dann leuchtet auch ein gelbes oder gar rotes Warnsymbol. Ursache ist eine zunehmende Schwergängigkeit der Pumpenwelle, die erst zur Leistungsminderung und dann zum Ausfall führt. Immerhin sind die Pumpen mittlerweile auch als Nachrüstteile verfügbar, für rund 330 Euro.
Fahrwerk: Viel Verschleiß
Ein weiteres im freien Handel angebotenes Teil sind die vorderen Dreieckslenker und Artikel für die Hinterachse. Denn wie immer, wenn hohes Fahrzeuggewicht und sportive Fahrleistungen aufeinandertreffen, wächst auch der Verschleiß. Bei Überwachungsvereinen ist der ID.3 kein Unbekannter, öfter verhindern Querlenkerbuchsen, Radführungsgelenke, Koppelstangen, Silentlager oder die Bremsen die Erteilung einer frischen Plakette. Denn auch der ID.3 besorgt die meiste Verzögerung über den Antrieb. Dabei wird der E-Motor zum Generator und lädt die Batterie. Die Stopper fahren meistens beschäftigungslos mit und rosten vor sich hin. Entsprechend freuen sie sich über einen beherzten Tritt ins Pedal, der (am besten bei höherem Tempo) ab und an für Rostbeseitigung sorgt. Der Fairness halber muss erwähnt werden: Das ist ein Problem, das der ID.3 mit praktisch jedem Elektroauto teilt. Warum es herstellerseitig keine automatischen Freibremsmanöver gibt, bleibt ein Rätsel. Der Rost ist es jedenfalls, weshalb VW den Fahrzeugen seines Modularen Elektrobaukastens (MEB) an der Hinterachse Trommelbremsen verordnete. Die haben weniger Probleme mit Rost, bremsen normalerweise einwandfrei, sammeln aber Abrieb in ihrem Inneren. Weshalb ihre Wirkung bei der Hauptuntersuchung mitunter zu wünschen übrig lässt.

So wie die Silentlager der Achsträger (hier im Bild) leiden viele Teile der Elastokinematik unter dem hohen Drehmoment des ID.3 und der manchmal ruppigen Elektro-Fahrweise seiner Nutzer.
Mängel: Wenig Ernstes, eher Kleinkram
Im Grunde funktioniert so ein ID.3 sehr zuverlässig. Ärgerlich sind eher die immer wieder auftretenden kleinen Wehwehchen, weil viele von ihnen mit der langjährigen Erfahrung, die VW im Bau hochwertiger Autos hat, vermeidbar wären, oder schlicht auf Sparmaßnahmen zurückzuführen sind. Ein Beispiel für ersteres: Klimakondensatoren, denen Steinschläge oder schlicht ein zu heftiger Einsatz des Dampfstrahlers den Garaus machen können. Ein Beispiel für zweiteres: Die bereits bekrittelten Fensterheberschalter. Ebenfalls nervig: unterdimensionierte Verriegelungspins für die Ladeklappe, die reihenweise brechen. Die können ernsthaft problematisch werden, wenn sich zum Beispiel bei leerem Akku unterwegs die Klappe nicht mehr richtig öffnen lässt. Was als wichtigste Kriterien für den Gebrauchtkauf übrigbleibt, sind die Funktion der bereits genannten Kühlmittelpumpen sowie die permanente Einhaltung aller Softwareupdates, die das gesamte Nutzungserlebnis immer krisensicherer machen.

Wer wohl auf die Idee gekommen ist, die beiden hinteren Fensterheberschalter durch eine Umschalt-Schaltfläche zu ersetzen? Sicher ein sehr sparsamer Mensch. Leider geht seine Glanzleistung im Alter häufig kaputt.
Preise: Faire Angebote
Knapp 2100 gebrauchte ID.3 sind auf den gängigen Online-Plattformen zu finden. Preislich geht es bei etwa 14.000 Euro für 150-PS-Varianten mit über 90.000 Kilometern los. Wer bei einem ID.3 maximal 20.000 Kilometer akzeptieren will, muss dann halt ebenso viele Euro anlegen. Voll ausgestattete Exemplare sind bei den ID.3-Gebrauchtangeboten aber relativ selten zu finden. Die Versicherer stufen die ID.3-Modelle relativ moderat ein. So haben alle Leistungsvarianten die Typklassen 15 in der Haftpflicht und 20 in der Teilkasko. Nur bei der Vollkasko variieren die Einstufungen: Die starken GTX-Modelle kommen mit der Typklasse 22 teurer als alle anderen (19).