Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 140 km/h im Qualifying ist der Stadtkurs in Punta del Este die schnellste Strecke im Formel E-Kalender. 2,8 Kilometer lang, gewürzt mit zwei Spitzkehren und fünf Schikanen. Mächtige Randsteine sollen die Fahrer dazu zwingen, auf dem vorgesehenen Kurs zu bleiben und nicht abzukürzen. Ein aussichtloses Unterfangen. Nach dem Qualifying gab es mächtig Ärger. Es ging um unerlaubtes Abkürzen, sowie um das Touchieren einer Markierungsstange. Diese sollte nach Meinung der Fahrer lediglich als Orientierungshilfe dienen, nach Ansicht der Kommissare markierte sie aber die Streckenbegrenzung. Nach stundenlangen Debatten kamen die Kommissare zu dem Schluus, einige Fahrer wegen angeblicher (oder auch tatsächlicher) Missachtung der „Tracklimits“ zu bestrafen.
Lucas di Grassi verlor die Pole – es wäre die erste für Audi in dieser Saison gewesen – und wurde auf Startplatz zwei zurückversetzt. Schlimmer noch traf es Mitch Evans. Statt aus der dritten Postion durfte der Jaguar-Mann erst als 16. losfahren.
Di Grassi ärgert sich, Vergne profitiert
Großer Profiteur des Startplatz-Bingo war Jean-Eric Vergne. Der Franzose rückte von Startplatz fünf auf die mit drei Zusatzpunkten dotierte Pole-Position vor. „Da hatten wir mächtig Glück“ lachte Techeetah-Teamchef Mark Preston. Im Shootout der schnellsten Fünf hatte Vergne gepatzt. „Er touchierte in Turn 2 die Mauer“, sagte Preston: „Wir sagten ihm: kein Risiko! Fahr vorsichtig an die Box.“
Di Grassi ärgerte sich maßlos über die Strafe. „Wir brauchen mehr Verlässlichkeit in puncto Regeln, wo man fahren darf und wo nicht.“ Unverhoffte Schützenhilfe erhielt der Audi-Fahrer ausgerechnet von seinem Erzkontrahenten Sébastien Buemi. „Ich bin ja nun wirklich kein Freund von Lucas“, sagte der Schweizer Renault-Pilot. „Aber Lucas fuhr eine super Runde und er hat nichts falsch gemacht.“
Jean-Eric Vergne wusste das unverhoffte Startplatzgeschenk zu nutzen. Clever und nervenstark fuhr er einen Start-Ziel-Sieg nach Hause. Klingt langweilig? War es aber nicht: Im Fussball würde man sagen: Es war ein 0:0 der guten Sorte. Denn di Grassi versuchte alles, um den Franzosen nieder zu ringen. Die Brechstange packte er jedoch nicht aus. 50 Minuten lang studierte di Grassi das Getriebe des Techeeetah aus nächster Nähe. Doch Vergne blieb cool, holte seinen zweiten Saisonsieg und baute so die sensationelle Tabellenführung für das mit Renault-Technik rennende China-Rennsport-Start-up aus, und sparte danach nicht mit Selbstlob: „Das beste Rennen meiner Formel E-Karriere.“ Platz zwei war für di Grassi das beste Saisonresultat, doch er moserte: „Ich hatte klar das schnellere Auto.“ Die gute Nachricht: „Jetzt ist es auch zuverlässig.“
Die Deutschen im Pech
Zwei Wochen nach seinem ersten Formel E-Sieg war Daniel Abt erneut auf Podiumskurs. An dritter Stelle liegend kam er nach dem Autotausch erneut an die Box: „Die Gurte haben sich plötzlich gelöst“, sagte der Audi-Fahrer. „Keine Ahnung, warum.“ Nick Heidfeld hatte schon in der zweiten Runde Feierabend. Sein Mahindra blieb unvermittelt stehen. Während Maro Engel im Venturi als Zehnter noch einen Punkt erhaschte, ging André Lotterer als Zwölfter leer aus.
Eine fabelhafte Aufholjagd zeigte Sam Bird im DS. Aus Startplatz neun machte der Brite Rang drei. Dies hat Bird auch einem irre schnellen Boxenstopp zu verdanken, Er wurde um 5,1 Sekunden schneller abgefertigt als di Grassi im Audi. Und auch Sieger Vergne brauchte beim Autotausch 3,7 Sekunden länger als Bird.