Besser spät als nie: Nach einer über weite Teile enttäuschenden Saison zeigt sich Jaguar im Endspurt unschlagbar. Bereits in der Qualifikation zerlegte Mitch Evans seine Rivalen. Der Neuseeländer marschierte durch die K.o.-Phase und setzte sich beim Finale gegen Nyck de Vries (Mahindra) durch. Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein und -Kundenpilot Dan Ticktum (Kiro) belegten die zweite Startreihe. Für den späteren Sieger Cassidy ging es auf dem fünften Rang los.
Das vorletzte Saisonrennen begann hektisch. Maximilian Günter (DS Penske) wurde zunächst vom Maserati-Duo aufgerieben und endete nach einem weiteren Duell mit Edoardo Mortara (Mahindra) dann in der Mauer. Es folgte das erste Safety-Car. Der Rest des Auftaktdrittels präsentierte sich maximal spannungsarm. Mitch Evans, Nyck de Vries, Pascal Wehrlein, Nick Cassidy und Dan Ticktum formten über zahlreiche Runden die Top 5. Parallel zur Freigabe der Schnelllade-Stopps bogen immer mehr Fahrer für die ersten der zwei Attack-Modes ab.
Die Dopplung beider Strategie-Pflichtaufgaben mischte das Feld extrem durch. Im Kampf um den Sieg stachen zwei Taktik-Ansätze heraus: Nyck de Vries bog schon vor seinem Pitstop zweimal in die Aktivierungsschleifen ab und übernahm auch durch verrutschtes Timing bei Evans die Führung, Cassidy machte es genau andersrum – wodurch ihm zwei Boost-Pakete im Kampf gegen De Vries blieben. Der große Showdown war so unausweichlich.

Die Startphase glich lange einer Prozession. Pole-Setter Mitch Evans zog seine Verfolger viele Runden wie eine Lok über die Indoor-Outdoor-Bahn. Sein Rennen sollte später entgleisen.
Der Abschluss von Cassidys "Love Story"
Am Ende der 27. von 38 Runden griff Cassidy nach De Vries und ging quasi auf dem Zielstrich vorbei. Der Niederländer sagte: "Kurz habe ich probiert, mich gegen Nick zu wehren. Allerdings war es das nicht wert. Zwar ist der Attack-Mode weniger mächtig wie auf anderen Kursen, aber trotzdem stark genug." Pascal Wehrlein wurde für beide nicht zur Bedrohung. Das zweite Safety-Car nach einem Abflug von Dan Ticktum kostete ihm wertvolle Boost-Zeit während der letzten Umläufe. Evans rettete sich trotz eines Drehers auf den zehnten Platz. Da die Nissan-Racer Norman Nato und Oliver Rowland nur die Ränge neun bzw. elf belegten, konnte Porsche die Führung in den noch offenen Team- und Markenwertungen ausbauen.
Fast wäre der Hersteller-Vorsprung dank eines fünften Platzes des Andretti-Kunden Jake Dennis noch größer gewesen. Dieser rutschte wegen einer Strafe jedoch auf den achten Rang ab. Trotzdem müsste es mit dem elektrischen Teufel zugehen, wenn Porsche jeweils überflügelt wird. Bei den Marken haben die Deutschen 23 Punkte Vorsprung auf Nissan, bei den Truppen sind es sogar 37. Hinsichtlich 16 Zählern Differenz zu Jaguar wird die japanische Mannschaft am Final-Sonntag eher auf den britischen Gastgeber achten.
Vorab-Meister Oliver Rowland zeigte sich in London außer Form. Man gab bei Nissan zu, dass der Titel-Trubel ihn doch etwas aus der Bahn geworfen hat. Beim Kampf um die eher mäßig beliebte Vize-Meisterschaft machte Nick Cassidy Boden auf Pascal Wehrlein gut. Angesichts des sportlichen Jaguar-Laufs (drei nacheinander, insgesamt nun fünf 2025) erscheinen 14 Punkte aufholbar. Nick Cassidy witzelte: "Ich dachte, dass meine Angststrecke mir wieder unter die Gürtellinie schlägt. Aber ich habe endlich mal Grund, auch nach dem Rennen in London zu lachen. Während Berlin vom Energie-Management abhing, zeigten wir hier unsere Pace. Wegen dieser Umstände steht der Sieg ganz oben auf der Liste meiner Zeit im Jaguar-Team." Er verlässt die Raubkatzen am Ende der Saison.

Triumphator Nick Cassidy und sein Teamdirektor James Barclay verlassen Jaguar am Ende der Saison. Passend zu Cassidys Siegerhymne "Love Story" von Taylor Swift schließen sie in London das Kapitel einer großen Geschichte ab.
Schnelllade-Stopps vor dem Aus?
Das unübersichtliche Hin und Her der zweiten Rennhälfte ließ Kritik am System der Pit-Boost-Läufe erstarken. Während das Schnellladen mehrheitlich Unterstützer, oder mindestens Akzeptanz, findet, wünscht sich kaum jemand eine Fortsetzung des aktuellen Formats. Nico Müller (Andretti-Porsche) scherzte: "Wenn dieses verschwindet, würde ich keinen Schlaf dazu verlieren."
Über mögliche Reformen wird bereits diskutiert. Die Hersteller, Teams und Regelmacher wollen die Debütsaison ausgiebig analysieren. Das Finale am Sonntag (27.7.) kommt ohne Lade-Power aus. Stattdessen wird die Effizienz eine größere Rolle spielen.